Die Entdeckung Alaskas mit Kapitän Bering. Georg Wilhelm Steller
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Die Geretteten, deren auf Kamtschatka zurückgebliebene Habe man schon verkauft hatte, waren nun froh darüber, doch etliche wertvolle Seeotterfelle von der Beringinsel mitgebracht zu haben. Aber jetzt richteten sich auch die begehrlichen Blicke anderer auf diese Felle und vor allem auf die Inseln, von denen sie stammten: »Seeotterpelze waren damals bei den Petersburger Schönen wie bei den Pekinger Mandarinen schon in gleicher Weise beliebt … Nicht nur aus Sibirien, auch aus Mittelrussland zog es die Kaufleute zum Ozean des Ostens. Menschen und Kapital strömten nach Kamtschatka. Wer in der Lage war, rüstete ein eigenes Schiff aus. Wer nicht reich genug dazu war, verband sich mit anderen zu einer Gesellschaft. Fünf Jahre nach Berings Tod waren fünfzehn solcher Gesellschaften tätig, abermals nach fünf Jahren – fünfundzwanzig. Später wuchs die Zahl bis auf vierzig an« (Semjonow). Herbert Wendt zufolge begann damit der größte Pelzrausch in der Geschichte der Menschheit – nur zu vergleichen mit dem Goldrausch, der hundertfünfzig Jahre später in Alaska losbrach. Private Beuteexpeditionen dezimierten im Gebiet der Aleuten und Alaskas nicht nur die Pelztiere, vor allem die Seeotter und Seebären, sondern auch die eingeborenen Bewohner des Beringmeers. Später wurden die anfänglichen kleinen, meist von mehreren Kaufleuten finanzierten Jagdexpeditionen zunehmend von denen großer, kapitalstarker Handelsgesellschaften verdrängt. Der Kaufmann Schelikoff bemühte sich erfolgreich um die Verleihung eines Monopols für die wirtschaftliche Ausbeutung und den Handel im Nordpazifik und in Nordamerika; seine Bemühungen führten später (1799) zur Gründung der »Russisch-Amerikanischen Handelskompanie«. 1783 reiste er nach Alaska und gründete dort im Jahr darauf auf der Insel Kodiak die erste russische Siedlung. Damit begann »nach der ersten Phase einer eher ›extensiven‹ Ausbeutung (die Pelztierjäger lebten jeweils nur eine beschränkte Zeit auf den Inseln und verließen sie wieder, nachdem sie ihre Beute gemacht – d. h. den Eingeborenen abgejagt – hatten) nun eine intensivere ›Bewirtschaftung‹ der neuen Kolonien. Die Anlage fester Stützpunkte ermöglichte eine verstärkte Kontrolle und z. T. die faktische Versklavung der aleutischen Inselbewohner, die als geschickte, den Russen weit überlegene Jäger den größten Teil der Pelzausbeute einbrachten« (Scheidegger).
Die Fahrten Berings und Tschirikows
Im Jahre 1867 verkaufte Russland Alaska und die Aleuten an die Vereinigten Staaten von Amerika. Nun jagten amerikanische Pelzgesellschaften in der Beringsee. Erst als die Ausrottung der Pelzrobben und Seeotter drohte, verhandelten die USA und Sowjetrussland im Jahre 1937 über eine Konvention zum Schutz dieser Tiere.
Doch nach diesem Ausblick in die jüngste Vergangenheit wieder zurück zu Steller und dessen weiterem Lebensweg nach seiner glücklichen Rückkehr von der Beringinsel. Von seinem Standquartier Bolscherjetsk aus führte er seine Forschungen zur Geschichte, Bevölkerung und Natur der Halbinsel Kamtschatka fort. Dabei scheint er offen Partei für die von den Russen unterdrückten Kamtschadalen oder Itelmenen ergriffen und sich hierdurch die Feindschaft russischer Verwaltungsbeamter zugezogen zu haben, was ihm später noch zu schaffen machen sollte. Nachdem Steller (zusammen mit dem Maler Berckhan) Kamtschatka insgesamt etwa drei Jahre lang durchforscht hatte, glaubte er, seinen ihm von der Akademie erteilten Auftrag im Rahmen der »Großen Nordischen Expedition« nun endlich erfüllt zu haben. Am 3. August 1744 verließ er Kamtschatka mit sechzehn Kisten wertvoller Sammlungen, um nach Petersburg zurückzukehren und der Akademie Bericht zu erstatten. Nachdem er in Jakutsk überwintert hatte, reiste er im Frühjahr 1745 weiter nach Irkutsk, wo er unter Anklage gestellt wurde. Wahrscheinlich hatten ihn seine Feinde verleumdet und beschuldigt, die Völker des äußersten Asiens rebellisch gemacht und Pulver unter sie verteilt zu haben. Doch aus Mangel an Beweisen wurde Steller freigesprochen, sodass er Weihnachten 1745 endlich die Weiterreise antreten konnte. Obwohl er von den Strapazen der jahrelangen Reisen schon gezeichnet und während des Reisens im kalten Winter ernstlich erkrankt war, setzte er seine Reise dennoch fort und gelangte halb tot nach Tjumen, wo er am 12. November 1746 starb.
Über die Abenteuer Stellers auf der Beringinsel, seine letzten Lebensjahre und insbesondere über die näheren Umstände seines Todes ist schon bald nach seinem Ableben viel Zweifelhaftes (u. a. über die angebliche Trunksucht Stellers) geschrieben und in Umlauf gebracht worden; doch trat solchen Berichten und Verzeichnungen schon bald eine anonyme Biographie Stellers entgegen (»Leben Herrn Georg Wilhelm Stellers, gewesnen Adiuncti der Kayserl. Academie der Wissenschaften zu St. Petersburg: worinnen die bißher bekannt gemachte Nachrichten von Desselben Reisen, Entdeckungen, und Tode, Theils wiederleget/theils ergänzet und verbeßert werden.« Franckfurt 1748).
Was ist Georg Wilhelm Steller für ein Mensch gewesen? Der Nachwelt sind kein Bild und kein Bericht über seine äußere Erscheinung überliefert. Umso deutlicher tritt aus seinen eigenen und aus fremden Niederschriften sein Wesen hervor: »… sein lebhaftes Temperament, sein Frohsinn, sein scharfer Spott, seine Ungeduld gegenüber Trägheit und Lauheit, seine Abneigung gegen alles Gezierte, Eitle, Unechte, seine Anspruchslosigkeit, sein Fleiß, sein Mut« (Wotte). Sein Vorgesetzter Gmelin schrieb in seiner »Reise durch Sibirien« über ihn: »Er war mit keinen Kleidern beschwert. Weil man die Haushaltung durch Sibirien mit sich führen muss, so hatte er sie so klein als immer möglich eingerichtet. Sein Trinkgefäß zum Bier war eines mit dem Trinkgefäß zum Met oder Branntwein. Wein verlangte er nicht. Er hatte nur eine Schüssel, daraus er speiste und in welcher er alle seine Speisen anrichtete. Zu diesen gebrauchte er keinen Koch. Er kochte alles selber, und dieses auch wieder mit so wenigen Umständen, daß Suppe, Gemüse und Fleisch in einem Topfe zugleich angesetzt und gekocht wurden. Er konnte den Qualm davon in der Stube, da er arbeitete, gar leicht ertragen. Er brauchte keine Perücke und keinen Puder, ein jeder Schuh und ein jeder Stiefel war ihm recht; er hatte bei all diesem keinen Verdruß über die elende Lebensart; er war immer guten Mutes, und je unordentlicher alles bei ihm zuging, desto fröhlicher war er … Dabei merkten wir, dass ungeachtet all der Unordnung, die er in seiner Lebensart von sich blicken ließ, er doch in Anstellung seiner Wahrnehmungen überaus pünktlich und in allen seinen Unternehmungen unermüdet war, sodass wir deswegen nicht die geringste Sorge tragen durften. Es war ihm nicht schwer, einen ganzen Tag zu hungern und zu dursten, wenn er etwas den Wissenschaften Ersprießliches ins Werk richten konnte.«
Trotz dieser allgemeinen Wertschätzung Stellers durch Gmelin gerieten die beiden Männer zeitweilig in Gegensatz zueinander. Gmelin und Müller führten auch auf ihren Reisen durch Sibirien im Unterschied zu Steller einen gepflegten Lebensstil; als »Professoren« hielten sie eine gewisse Distanz zu dem »Adjunkten«. Beide waren, wie Hanno Beck treffend bemerkt hat, »eher Gelehrte als Reisende«, während Steller beides zugleich war. Als Steller einmal Sammlungen direkt an die Akademie senden wollte, hielten Gmelin und Müller die Sendung an, kontrollierten sie und machten dem Adjunkten den Vorwurf, er habe sie übergehen wollen und damit sozusagen den »Dienstweg« missachtet. Doch zeugt der intensive Briefwechsel zwischen Gmelin und Steller von ihrem tiefen Vertrauensverhältnis. Hanno Beck zufolge besaß Steller »stets einflussreiche Freunde und Gönner und muss wie Georg Förster, mit dem ihn manches verbindet, und Alexander von Humboldt die Gabe besessen haben, Menschen für sich zu gewinnen …«; doch wies Golder auch darauf hin, dass es dem jungen Deutschen vielleicht hin und wieder an Takt und Nachsicht gegenüber Andersdenkenden mangelte.
Übereinstimmend heben jedoch alle Biographen Stellers hervor, dass mit ihm ein großer Wissenschaftler und Forschungsreisender allzu früh gestorben ist: »Denn mögen die Verfasser die Akzente verschieden gesetzt haben, sie alle betonen seinen leidenschaftlichen Forschungsdrang, seine unbestechliche Wahrheitsliebe und seinen wissenschaftlichen Heroismus. Das aber war das Größte an ihm und wird ihm immer einen endgültigen Platz in der Geschichte der Wissenschaften sichern« (Hünefeld).
Er war einer der besten Kenner der Geographie, Ethnographie und Geschichte Kamtschatkas, der einzige wissenschaftliche Chronist der Beringschen Amerikareise, auf der er die Flora und Fauna der besuchten Inseln beschrieb, darunter namentlich die später ausgerottete