Die Vampirschwestern 9 - Ein Sommer zum Abhängen. Franziska Gehm
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Über dem Pinguin rumste und donnerte es gewaltig. Der vordere Teil des Eisbergs senkte sich wie in Zeitlupe in Richtung Ozean, brach schließlich mit lautem Getöse von den Eismassen ab und stürzte krachend ins Meer. Eine gigantische Welle ergriff den Pinguin und trieb ihn vor dem abgebrochenen Eisberg her. Der Eisberg wurde alsbald von einer Meeresströmung erfasst und zerbrach in mehrere, noch immer gigantisch große Teile.
Der Pinguin schwamm eine Runde, nahm Anlauf, sprang aus dem Wasser und landete auf der größten der verbliebenen Eisschollen. Der Seevogel schüttelte sich, kratzte sich mit der Flosse am Kopf und sah sich um, so gut es bei den winterlichen Lichtverhältnissen ging.
Die gewaltigen festen Eismassen der Antarktis waren in der Ferne gerade noch zu erkennen. Der Eisblock unter seinen Flossen war allerdings so groß, dass der Pinguin kaum wahrnahm, dass er darauf im Meer trieb. Er schabte mit den Flossen über das Eis unter ihm. Es sah aus, als läge unter der Eisschicht etwas verborgen. Etwas Dunkles, Großes – vielleicht etwas zu fressen? Eine tiefgekühlte Köstlichkeit?
Der Pinguin schrubbte mit den Flossen über das Eis. Vier Schritte nach rechts, vier Schritte nach links. Er wedelte die losen Eiskristalle mit dem Schwanz weg. Dann hackte er mit dem Schnabel auf das Eis ein. Direkt dort, wo sich das dunkle Etwas am dichtesten unter der Oberfläche befand. Voller Neugierde, Hunger und mit Beharrlichkeit pickte und schlug er auf den Eisblock ein.
Das Eis bekam feine Risse, was den Pinguin noch mehr anspornte. Erst hämmerte er mit vielen kleinen Schlägen wie ein Specht aufs Eis ein. Als ihm das nicht schnell genug ging, versuchte er es mit einer anderen Technik. Er warf den Kopf zurück, rammte den Schnabel mit aller Kraft ins Eis und – blieb stecken.
Der Pinguin drehte den Kopf nach links, nach rechts, er wackelte mit dem ganzen Körper. Es half nichts. Frustriert starrte er auf das dunkle Etwas, das direkt vor seinem Schnabel unter dem Eis lag. Es war groß und rund wie ein See-Elefanten-Popo, hatte eine etwas hellere, erhabene Stelle in der Mitte und zwei dunklere Vertiefungen oberhalb davon, jeweils links und rechts, beinahe wie … Augen!, durchzuckte es den kleinen Pinguin.
Im selben Moment öffneten sich die Augen. Der Pinguin erstarrte zum Eiszapfen. Das dunkle Etwas lebte! Es war nichts zum Fressen, sondern vermutlich eher etwas, das gern Pinguine fraß. Und bei seiner Größe verschlang es wahrscheinlich gleich eine ganze Kolonie mit einem Happen!
In Todesangst stemmte der Pinguin sich mit bis dahin ungeahnten Kräften gegen das Eis. Mit dem ganzen Körper zerrte, drehte und wand er sich. Schließlich riss er den Kopf mit einem schnellen, kräftigen Ruck zurück, dass das Eis nur so knackte, schoss mit dem Schnabel hinaus, stürzte auf den Rücken, schlitterte ein paar Meter über den Eisblock, machte mehrere Drehungen, brachte sich dabei in Bauchlage und sauste über den Rand des Eisblocks in den südlichen Ozean. So schnell wie noch nie in seinem Leben schwamm der Pinguin zurück zu den festen Eismassen, zurück zu seiner Kolonie. Zum Glück sah niemand im dunklen Meer, wie er sich vor Angst ins Gefieder machte.
Der Eisblock mit dem dunklen, lebendigen Geheimnis aber trieb weiter in die entgegengesetzte Richtung. Er entfernte sich vom Südpol und sollte noch Tausende von Kilometern zurücklegen, bevor er schmelzen und sein gewaltiges, finsteres Inneres seine ganze Kraft entfalten würde.
Hitzköpfe
Elvira Tepes hatte es sich in einem Liegestuhl auf der Terrasse hinter dem Haus im Schatten gemütlich gemacht. Obwohl bereits Nachmittag war und die Sonne nicht mehr am höchsten Punkt ihrer Bahn stand, flimmerte die Stadt noch immer vor Hitze. Menschen lungerten wie Walrosse an Seeufern, in Hängematten oder Planschbecken herum. Selbst die Insekten schien die Hitze einzulullen und sie flogen, krabbelten und surrten wie in Zeitlupe durch die Landschaft. Es war, als hätte sich ganz Bindburg in eine kostenlose riesengroße Sauna verwandelt.
Frau Tepes war einer der wenigen Menschen, die die Hitze genossen. Ihr konnte es gar nicht warm genug sein. Sie liebte es, wenn ihr der Schweiß über den Nacken lief und die Luft so heiß war, dass es in der Nase kitzelte. Elvira Tepes war sich sicher, dass sie früher einmal am Äquator gelebt haben musste. Doch vielleicht war sie in ihrem früheren Leben auch nur eine heiße Nudelsuppe gewesen. Wer wusste das schon.
Sie legte den Katalog der Ausstellung „Gebrauchskunst für Küche und Bad – vom Kochlöffel bis zur Klobürste“ beiseite und streckte den Arm nach einem kleinen Radio aus, das auf dem Fensterbrett stand. Langsam drehte sie an dem Rädchen zur Sendersuche, bis sie guten Empfang hatte. Eine junge Frauenstimme verkündete gerade:
„… nun schon die vierte Woche mit Temperaturen über 30 Grad. Die Meteorologen sprechen von einem Jahrhundertsommer. Selbst nachts sinken die Temperaturen kaum noch unter 20 Grad. Man könnte meinen, Bindburg läge in den Tropen. Die Bauern fürchten aufgrund der ausbleibenden Niederschläge um ihre Ernte. In vielen Regionen herrscht Waldbrandgefahr. Die Hitze sorgt für technische Probleme bei der Bahn und für immense Verluste bei den Betreibern von Solarien und Kinos. Doch nicht alle stöhnen unter der Hitze. Es gibt auch zahlreiche Gewinner. Eisverkäufer, Mineralwasserhersteller und Brauereien verzeichnen Höchstumsätze. In den Baumärkten sind Ventilatoren, Klimageräte, Planschbecken, Rasensprenger und Grills ausverkauft. Und auch die Schüler freuen sich – fast alle Bindburger Schulen haben hitzefrei. Gestern wurde mit 41 Grad die bisherige Höchsttemperatur in Bindburg überschritten. Laut dem Bindburger Wetterdienst ist auch in den nächsten Tagen nicht mit Abkühlung zu rechnen. Die Hitzewelle hält an. Wenn Sie Glück haben, verehrte Zuhörer, bekommen Sie noch irgendwo einen Ventilator. Ansonsten hilft wohl nur ein Last-Minute-Flug zum Südpol …“
Musik setzte ein. Joe Cocker krächzte Summer in the City aus dem Radio. „Einundvierzig Grad … herrlich!“, säuselte Elvira Tepes und schloss die Augen. Das Einzige, was ihr an der Hitze zu schaffen machte, war, dass sie die hohen Temperaturen nicht zusammen mit ihren Kindern und erst recht nicht mit ihrem Mann genießen konnte.
Silvania und Daka Tepes baumelten schon den ganzen Tag in ihrem Zimmer. Daka hing wie eine vergammelte Bandnudel an der Metallleine, die sie quer durch den Raum gespannt hatte. Silvania lag im Schiffsschaukelsargbett ihrer Schwester und fächerte sich mit einem dicken Liebesroman Luft zu.
„Schaukel mal ein bisschen, damit frischer Wind aufkommt“, sagte Silvania und schielte nach oben zu ihrer Zwillingsschwester.
„Schaukel doch selbst. Ich bin so schlapp und verschwitzt, dass ich gleich von der Leine rutsche.“
„Die Hitze ist nicht zu ertragen.“ Silvania legte das dicke Buch auf ihren Bauch, hob den Saum ihres langen lachsroten Sommerkleids und wedelte damit mehrmals.
„Und die Langeweile auch nicht“, sagte Daka und hielt sich einen Handventilator, der kaum größer als ein Bleistift war, vor die Stirn. Sie schielte auf den kleinen Ventilator und verzog den Mund, als sich dessen Flügel, die aussahen wie die einer Fledermaus, immer langsamer drehten und schließlich stehen blieben. „Fumpfs! Batterie alle.“ Sie warf den Handventilator über ihre Schulter und eine Sekunde später landete er mit einem Platsch! im Aquarium von Karlheinz.
Dakas liebstes Haustier, der Blutegel Karlheinz, klebte an der Scheibe und sah mindestens genauso jämmerlich und schlapp aus wie die beiden Halbvampire. Zwar sorgte Daka dafür, dass er trotz der Hitze immer genügend Wasser im Aquarium hatte, aber es erwärmte sich schneller, als Daka kaltes Wasser nachfüllen konnte.
„Wenn wenigstens Ludo und Helene vorbeikommen würden“, sagte Silvania.
„Pfff, die eingeschnappten Blutwürste.“
„Stimmt, die könnten langsam mal wieder ausschnappen. Total blöd von ihnen, gleich so beleidigt zu sein“, meinte Silvania. „Nur, weil wir