Die Vampirschwestern 9 - Ein Sommer zum Abhängen. Franziska Gehm
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Doch sollten die Meteorologen recht behalten, würde alles noch viel schlimmer kommen …
Nachbar in Not
Dirk van Kombast saß frisch geduscht, geföhnt, rasiert und parfümiert in seinem Arbeitszimmer im Lindenweg Nummer 21 am Schreibtisch. Auch wenn er heute von zu Hause aus arbeitete und somit keinen direkten Kundenkontakt hatte, war er tadellos gekleidet. Zum einen wusste man nie, was der Tag brachte und wer an der Tür läutete, zum anderen gefiel er sich selbst in einer gut sitzenden Hose und mit einem makellosen, frischen Hemd am besten.
Im Arbeitszimmer herrschten angenehme 17 Grad Raumtemperatur. Neben dem Schreibtisch surrte leise ein mobiles Klimagerät. Dirk van Kombast war einer der wenigen glücklichen Menschen, die ein solches Gerät besaßen. Nachdem in den hiesigen Baumärkten alle Klimageräte und Ventilatoren ausverkauft gewesen waren, hatte der charmante Pharmavertreter seine Beziehungen spielen lassen und aus der Arztpraxis von Frau Dr. Ilona Kubitz (eine Ärztin, die er sehr oft und sehr gern mit seinem Pharmakoffer besuchte) leihweise ein Klimagerät ergattert. Wahrscheinlich schwitzten die Patienten im Wartezimmer von Frau Dr. Kubitz jetzt aus allen Poren, aber das war dem Pharmavertreter egal. Er brauchte den kühlen Kopf dringender als die Patienten.
Dirk van Kombast stützte die Arme auf den Schreibtisch und wackelte mit den Fingern, als wollte er Lockerungsübungen machen. Dabei sah er auf den Laptop und betrachtete das Foto, das er als Bildschirmschoner eingerichtet hatte. Es war ein Foto von ihm und seiner Mutter. Auf dem Foto sahen beide sehr glücklich, sehr schön und sehr viel jünger aus.
„Ich habe dich nicht vergessen, Mutti“, sagte Dirk van Kombast mit sanfter Stimme. „Denk bloß nicht, dass ich aufgebe. Ich bin dran, ganz nah dran, der Menschheit zu beweisen, dass es diese abscheulichen, blutrünstigen Wesen, die dein und mein Leben zerstört haben, tatsächlich gibt. Es ist nicht einfach und es gab Rückschläge, das gebe ich zu, aber am Ende werden wir die Sieger sein!“ Dirk schloss einen Moment die Augen und holte tief Luft. Manchmal war es einfacher, mit dem Bildschirmschonerfoto zu reden als mit seiner Mutter selbst, die seit Jahren und seit einem Zwischenfall mit Vampiren in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt saß.
Seit diesem Zwischenfall war Dirk van Kombast den Vampiren auf der Spur, und seit nebenan die Tepes aus Transsilvanien eingezogen waren, hatte sich sein Vorsatz noch verstärkt. Wer, wenn nicht er – der Nachbar von einem Vampir und zwei Halbvampiren –, sollte es besser wissen: Die Vampire waren unter uns. Über uns. Oder, wie in dem Fall, neben uns, nur ein Haus weiter.
Schon mehrmals war es Dirk van Kombast gelungen, seine bissigen Nachbarn heldenhaft zu überwältigen, gefangen zu nehmen und … Na ja, beinahe war es ihm gelungen. Immer war in letzter Sekunde etwas Überraschendes, Unangenehmes dazwischengekommen. Ein deftiger Durchfall, die rumänische Polizei, ein fliegender Backstein oder, wie beim letzten Versuch, ein zorniges Nashorn (immerhin flog das nicht).
Als Dirk van Kombast an diesen letzten Versuch dachte, rollte er vor Wut und Scham die Zehen in seinen hellblauen Puschelhausschuhen ein. Die Vampirschwestern und ihre beiden lausigen menschlichen Freunde hatten ihn hereingelegt und sogar noch dazu gebracht, ihnen aus der Patsche zu helfen. Aber wie hätte er es auch allein mit zwei Halbvampiren und einem ganzen Nashorn aufnehmen sollen? Er war zwar hauptberuflich ein gut aussehender, charmanter Pharmavertreter und nebenberuflich ein verwegener, erfahrener Vampirjäger – doch auch er hatte nur zwei Augen, zwei Arme (und noch ein paar andere durch wöchentliche Yogaübungen gestählte Körperteile) und war schließlich kein Superman.
Doch so wie bisher, hatte Dirk van Kombast beschlossen, konnte es nicht weitergehen. Immer wieder gelang es den Vampiren, in letzter Sekunde zu entwischen. Nach dem missglückten Versuch vor ein paar Wochen im Nashorngehege des Bindburger Zoos hatte Dirk van Kombast lange über seine Methoden bei der Vampirjagd nachgedacht. Woran lag es, dass er den Vampiren zwar immer dicht auf der Spur war, sie aber nie zu fassen bekam? An den bisher nur ungenügend getesteten technischen Hilfsmitteln, die er für die Vampirjagd verwendete? An den schlechten nächtlichen Sichtverhältnissen? Oder an der Unverfrorenheit und Verschlagenheit seiner bissigen Beute? Am Instinkt, an der Willensstärke und an der Einsatzbereitschaft des Vampirjägers konnte es jedenfalls nicht liegen.
Je länger Dirk van Kombast über die vergangenen Fehlschläge nachdachte, desto sicherer wurde er in seiner Vermutung. Schließlich meinte er genau zu wissen, woran es lag, dass der Erfolg bei der Vampirjagd bisher ausgeblieben war: Die Vampire waren immer in der Überzahl gewesen. Der Fall war klar. Dirk van Kombast war ein mutiger Einzelkämpfer, stand sozusagen allein wie ein Tennisspieler auf einer Spielfeldhälfte, während auf der anderen Seite mehrere Gegenspieler die Zähne wetzten und dazu noch fliegen und flopsen konnten. Ein solches Spiel würde selbst der Weltranglistenerste verlieren.
Dirk van Kombast konnte gar nicht gewinnen. Und selbst wenn seine Gegner wie im Bindburger Zoo nur zwei dreizehnjährige Halbvampire waren: Sie waren zu zweit und der Vampirjäger stand ihnen allein gegenüber. Es war ein ungleicher Kampf, der logischerweise zu keinem befriedigenden Ergebnis führen konnte.
Es war an der Zeit, sich für die Vampirjagd nach Verstärkung umzusehen. Auch wenn Dirk van Kombast ein Einzelkämpfer war und nicht gern im Team arbeitete – denn im Team musste man sich auf andere verlassen, ihnen vertrauen oder ganz und gar auf sie Rücksicht nehmen (und Dirk van Kombast vertraute am liebsten nur sich selbst). Doch all die Rückschläge hatten den Vampirjäger zu der Einsicht gebracht, dass er Hilfe brauchte. Es musste nicht gleich ein ganzes Team sein, aber ein Assistent oder ein Partner bei der Jagd auf die Vampire könnte erstmals Gleichgewicht in den Kampf bringen.
Dirk van Kombast war entschlossen, sich Verstärkung zu suchen – und die Vampire damit endlich zu fassen.
Vampirjäger gesucht
Einen Vampirjäger zu finden, war nicht so einfach. Es gab keine Vampirjäger-Azubis, keine Vampirwissenschaft-Studenten und auch beim Arbeitsamt passte niemand auf diese Jobbeschreibung. Dirk van Kombast konnte nicht einfach das Branchenbuch nehmen und unter der Rubrik „Professionelle Vampirjäger“ nachsehen. Würde er eine Anzeige schalten, „Furchtloser Assistent für die erfolgreiche Vampirjagd gesucht“, würden sich sicher nur Knalltüten, die Polizei oder ein Psychiater bei ihm melden.
Natürlich hatte Dirk van Kombast einen Draht zur betreffenden Szene. Doch der letzte Vampirologenkongress in New York war schon einige Zeit her. Zwar hatte der vampirinteressierte Pharmavertreter dort einiges Interessante erfahren und sein Fachwissen erweitert, Kontakte aber hatte er kaum geknüpft. Die meisten Vampirjäger waren Einzelgänger und Einzelkämpfer, die unerkannt im finsteren Untergrund arbeiteten und sich nur alle paar Jahre trafen, um sich auszutauschen oder mit ihren Jagderfolgen zu prahlen.
Dirk van Kombast wollte sein Glück bei der Suche nach einem Assistenten daher im Internet versuchen. Als Fachmann auf dem Gebiet der Vampirbekämpfung kannte er die einschlägigen Websites natürlich schon. Doch monatlich kamen neue dazu und heute wollte er den Suchbegriff etwas erweitern, um auf möglichst viele Gleichgesinnte zu treffen, die sich dem Kampf gegen dunkle Wesen mit übernatürlichen Kräften verschrieben hatten.
Dirk van Kombast tippte auf eine beliebige Taste und der Bildschirmschoner verschwand. Der Vampirjäger ging ins Internet und begann mit der Suche. Er saß kerzengerade und seine schlanken Finger flogen über die Tastatur, als er mehrere Suchbegriffe eingab, auf Enter drückte und die Resultate begutachtete. Dirk van Kombast klickte, tippte, scrollte und überprüfte eine Internetseite nach der anderen. Dabei war er hoch konzentriert,