Die erste Umsegelung Asiens und Europas. Adolf Erik Nordenskiold
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Beim Besuch seiner alten Heimat Finnland im Spätherbst 1858 zeigte sich, dass das Kriegsbeil zwischen dem Gouverneur von Berg und ihm noch immer nicht begraben war. Als er anlässlich einer Vorladung nicht bereit war, seine damaligen »Studenten-Sünden« zu bereuen, verwies ihn der unversöhnliche Politiker des Landes, das Nordenskiöld bis zu dessen Rücktritt nun nicht mehr betreten durfte.
Als Torell, mit dem Nordenskiöld seit der Spitzbergenreise eine enge Freundschaft verband, eine neue, diesmal größere Expedition plante, war natürlich auch der bewährte Reisegefährte wieder mit von der Partie. Erneut standen mineralogische Forschungen auf Spitzbergen auf dem Programm, insgeheim aber auch der Versuch, möglichst weit nach Norden jenseits des 80. Breitengrades vorzudringen, um von hier aus vielleicht sogar den Nordpol zu erreichen, der bis dahin von noch keinem Menschen betreten worden war. Drei Wochen lang mussten die beiden Expeditionsschiffe Aeolus und Magdalena jedoch wegen schlechten Wetters in Tromsö warten, ehe sie am 7. Mai 1861 den schützenden Hafen verlassen konnten. Überhaupt stand die ganze Expedition wettermäßig unter einem schlechten Stern. An der Nordostecke Spitzbergens froren die Fahrzeuge in der Treurenberg-Bucht einen Monat lang ein, wodurch der Plan für den Vorstoß zum Pol aufgegeben werden musste. Mit einem Ruderboot erkundeten Torell und Nordenskiöld stattdessen die Hinlopen-Straße, die Spitzbergen in einen südwestlichen und einen nordöstlichen Teil trennt. Dieses Nordostland war bis dahin kaum bekannt und so gut wie unerforscht, sodass die Forscher schließlich dennoch mit wertvollem Material zurückkehren konnten, obwohl es wegen Vereisungsgefahr nicht gelungen war, das Land vollständig zu umrunden. Am 23. September erreichten die Schiffe wieder wohlbehalten ihren Ausgangshafen Tromsö.
Als Anerkennung für diese Leistung, vor allem aber für seine wissenschaftliche Arbeit, wurde Nordenskiöld zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften berufen. Als sein persönlicher Feind, der russische Gouverneur von Finnland, 1862 endlich abgelöst wurde, war der Weg in die alte Heimat, an der er trotz der 1860 erworbenen schwedischen Staatsangehörigkeit immer mit großer Liebe gehangen hat, wieder frei. Unverzüglich reiste er nach Finnland, um seinen greisen Vater nach über vier Jahren wiederzusehen. Seine Mutter war bereits 1860 gestorben, ohne dass Nordenskiöld die Erlaubnis erhalten hatte, zur Beerdigung anzureisen. Noch einmal durchstreiften Vater und Sohn auf gemeinsamen Exkursionen das Land und entdeckten sogar ein neues Mineral, das sie nach dem finnischen Gott Tapio »Tapiolit« nannten. Anlässlich dieses Besuchs lernte der junge Nordenskiöld bei Carl von Mannerheim, seinem Freund, Anna Maria von Mannerheim kennen und verliebte sich. Die glücklichen Tage in Finnland währten nur kurz, die Arbeit rief Nordenskiöld nach Stockholm zurück, wo er als Angehöriger des Adels auch einen Platz im Reichstag innehatte. Aber schon im Winter kehrte er wieder aus Schweden nach Finnland zurück, die zugefrorene Ostsee als Eisbahn für eine waghalsige Schlittschuhfahrt benutzend, die ihn fast das Leben gekostet hätte. Am 13. Januar verlobte er sich mit Anna, am 1. Juli 1863 fand das trotz der ernsten wissenschaftlichen Arbeiten unbekümmerte Junggesellenleben des sportlichen Professors ein Ende. Er nahm seine Ehe sehr ernst und erteilte Torell, als dieser ihn zu einer neuen Expedition überreden wollte, schweren Herzens eine Absage. »Natürlich schlug ich mir alle arktischen Reisen aus dem Kopf«, erinnerte er sich später, aber zu groß war der Drang nach dem unerforschten Norden, zu tief saß der Bazillus der Arktis, mit dem er bereits seit der ersten Fahrt nach Spitzbergen infiziert war.
Als der Leiter der für 1864 geplanten und vom Staat geförderten Spitzbergen-Expedition überraschend verstarb und man Nordenskiöld mit dieser Aufgabe betraute, konnte der Wissenschaftler sich nicht auf sein Privatleben berufen, ohne seine Laufbahn zu gefährden. So verließ er am 7. Juni 1864 mit dem ehemaligen Kanonenboot Axel Thordsen den norwegischen Hafen Tromsö, das Tor zum Nordmeer, und nahm zunächst Kurs auf die Bären-Insel, um sich dann seiner eigentlichen Aufgabe zuzuwenden, der Vermessung der Ostküste Spitzbergens. Als sich der Forscher dann wieder einmal seinem Lieblingsplan widmete, möglichst weit nach Norden Richtung Pol vorzudringen, traf er auf siebenunddreißig Schiffbrüchige, deren Fahrzeuge im Packeis gesunken waren. Mit größter Selbstverständlichkeit brach Nordenskiöld die Expedition sofort ab, um die erschöpften Fischer zurück nach Tromsö zu bringen, eine Tat, die ihn vor allem in der norwegischen Hafenstadt ein für alle Mal zum Helden stempelte.
Vier Jahre vergingen nun, ehe Nordenskiöld wieder zu einer neuen Reise aufbrach. Er widmete sich in dieser Zeit der Ruhe der historischen und naturwissenschaftlichen Forschung und bemühte sich weiter um einen Lehrstuhl an der Universität Helsingfors, ohne Erfolg allerdings. Die russischen Behörden hatten seine Studentenzeit noch immer nicht vergessen. Um so energischer verfolgte er jetzt wieder seinen alten Plan, mit einem Schiff den Pol zu erreichen. Mit der ihm eigenen Beharrlichkeit, die zuweilen an Starrsinn grenzte, räumte er alle Steine aus dem Weg und beschaffte die dazu notwendigen finanziellen Mittel, die nunmehr aus privaten Quellen flossen, nachdem der Staat sich an neuen Forschungsvorhaben wenig interessiert gezeigt hatte. Mit dem Unternehmer Oskar Dickson trat ein Mäzen in sein Leben, ohne dessen tatkräftige Unterstützung alle folgenden Reisen nicht zu verwirklichen gewesen wären. Immerhin stellte die schwedische Marine ein Schiff, die einundvierzig Meter lange Sofia, zur Verfügung und rekrutierte auch die Besatzung. Als erster Offizier diente der erst sechsundzwanzigjährige Leutnant Louis Palander, zu dem Nordenskiöld eine besonders freundschaftliche Beziehung entwickelte und der später als Kapitän der Vega entscheidenden Anteil an der erfolgreichen Bezwingung der Nord-Ost-Passage hatte. Es gelang der mit einer Dampfmaschine ausgerüsteten Sofia tatsächlich, bis auf 81° 42' vorzudringen, den nördlichsten bis dahin jemals erreichten Punkt. Als Wermutstropfen brachte dieser Rekord für Nordenskiöld jedoch die entmutigende Erkenntnis, dass der Pol mit einem Schiff nicht zu bezwingen sein würde. Ohne das überragende seemännische Können des Kapitäns von Otter, des späteren schwedischen Marineministers, hätte diese Expedition einen sicherlich tragischen Verlauf genommen. Bei stürmischer See schlug das Schiff am 4. Oktober in einer Eisbarriere leck und drohte zu sinken. Nur unter dem Einsatz aller Kräfte konnte die Sofia in letzter Minute die Küste Spitzbergens erreichen, um die notwendigen Reparaturen durchzuführen. Ende Oktober war man wieder im sicheren Hafen Tromsö.
Die Anregung zur nächsten Expedition kam von Dickson, dem Philanthropen, der sein in der Holzwirtschaft erworbenes Vermögen zum großen Teil in die Polarforschung steckte. Er brauchte Nordenskiöld nicht lange zu überreden, es zu wagen, den Pol mit Schlitten vom nördlichen Spitzbergen aus zu erreichen, wo die Forscher mit einem Schiff zur Zeitersparnis überwintern sollten. Zum Einkauf von Zugtieren reiste Nordenskiöld für sechs Wochen nach Grönland, entschied sich aber nicht für die sonst üblichen Hunde, sondern für Rentiere. Gleichzeitig versuchte er durch einen Abstecher in das grönländische Inlandeis den Beweis zu erbringen, dass die Insel »Grünland« seinerzeit von Erik dem Roten ihren Namen zu Recht erhalten hatte. Auf der nur viertägigen Exkursion sah der Forscher jedoch nur Eis, ohne allerdings seine Meinung zu ändern. Auch hinsichtlich der von ihm gefundenen riesigen Eisenblöcke, die er für Meteoriten hielt, obwohl sich schon bald herausstellte, dass das falsch war, hielt er starr an seinem Urteil fest. Den Tiefpunkt seiner Forschertätigkeit erlebte er jedoch schon in den ersten Tagen der geplanten Expedition zum Pol, die im Frühjahr 1872 aufbrach, aber bereits vor dem eigentlichen Beginn scheiterte und die gesamte Mannschaft in Lebensgefahr brachte. Nur Stunden vor dem Auslaufen der beiden zusätzlich mitgenommenen Versorgungsschiffe aus dem Basislager in der Mosselbay an der Nordküste Spitzbergens wurden die Fahrzeuge, die nicht für eine Überwinterung eingerichtet waren, vom Eis eingeschlossen, das in diesem Jahr ungewöhnlich früh kam. Damit waren nicht nur fünfundzwanzig Mann, wie geplant, zu versorgen, sondern siebenundsechzig. Kritisch wurde