Die erste Umsegelung Asiens und Europas. Adolf Erik Nordenskiold
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Während sich die Engländer nun zunehmend der amerikanischen Küste zuwandten und dort ihre Besitzungen gründeten, traten die Holländer die Nachfolge in der Arktisfahrt an. Seit sich diese Handelsnation von spanischer Vorherrschaft befreien konnte, blickte auch dort die Kaufmannschaft mit Interesse und Neid auf die reichen asiatischen Länder und bemühte sich, einen unkontrollierten Seeweg nach China und Japan zu finden. Die Nord-Ost-Passage sollte die Lösung sein. Die Geographen waren überzeugt, dass die hohen Breitengrade um den Nordpol völlig eisfrei wären, und die aufsehenerregenden Funde holländischer Harpunen in Walen, die vor der koreanischen Küste gefangen worden waren, galten als untrügliches Zeichen eines nördlichen, eisfreien Seewegs, da man damals noch davon ausging, dass die Tiere die heißen Äquatorgebiete nicht durchqueren könnten. 1594 verließ die erste holländische Expedition mit vier Schiffen ihre Heimat und kehrte bald mit der optimistischen Nachricht zurück, dass die Karische See völlig eisfrei sei und der Fahrt nach China nichts im Weg stehe. Sogleich wurde eine neue, diesmal mit Handelsgütern beladene Flotte auf den Weg geschickt, die jedoch, vom Eis bedrängt, schon bald abdrehen musste und unverrichteter Dinge wieder nach Holland zurücksegelte. Obwohl sich der Staat nun zurückzog, rüsteten private Kaufleute erneut zwei Schiffe aus, die am 10. Mai 1596 Amsterdam verließen. Steuermann und überragende Persönlichkeit war der erfahrene Willem Barents, der schon auf der ersten Expedition von 1594 das kleine Schiff Der Bote befehligt hatte, damals aber nur bis Nowaja Semlja gekommen war. Auf dem Weg in den Norden entdeckte Barents zunächst die Bären-Insel, wenig später auch Spitzbergen, das allerdings schon früher von den Wikingern besucht worden war. Nahe der Nordspitze von Nowaja Semlja fror das Schiff ein, und die Männer waren gezwungen, als erste Westeuropäer hoch im Norden den Winter zu verbringen. Aus Treibholz errichteten sie ein festes Haus, in dem die Besatzung die arktische Nacht wohlbehalten, wenn auch unter großen Leiden überstand. Erst 1871 wurden das Lager von einem Fischer wiederentdeckt und auch die Aufzeichnungen des kühnen Seefahrers geborgen, der während des langen Rückwegs wahrscheinlich an Skorbut starb.
Mit dem Verlust des spanischen Monopols über den südlichen Seeweg nach Ostasien verlor Europa zunächst das Interesse an der Nord-Ost-Passage. Häufig besuchten jetzt jedoch holländische Walfänger die hohen nördlichen Breiten, drangen aber selten bis in die Karische See vor. Nachdem eine Expedition der Briten unter der Führung des unfähigen Kapitäns Wood 1676 erneut vor Nowaja Semlja scheiterte, wurde die Frage nach der Befahrbarkeit der Nord-Ost-Passage erst zweihundert Jahre später durch die österreichische Expedition von 1872 wieder ernsthaft aufgegriffen. Selbst der angesehene deutsche Geograph August Petermann war in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts noch der Ansicht, dass nordöstlich von Nowaja Semlja durch den Einfluss des Golfstroms ständig freies Wasser herrsche, eine Meinung, die auch Nordenskiöld lange Zeit vertrat. Das österreichische Forschungsschiff Tegetthoff fror 1873 jedoch ein und driftete nach Nordosten, wobei Franz-Joseph-Land entdeckt wurde. Einige Jahre später ging hier auch die Privatjacht des Briten Leigh-Smith im Eis verloren, der Nordenskiöld bei der Überwinterung auf Spitzbergen zu Hilfe gekommen war.
Die Suche nach der Durchfahrt wurde nicht nur von Westen, von Europa her, in Angriff genommen, auch vom Pazifik aus versuchten die Seefahrer, in die Bering-Straße einzudringen. Die Kolonisierung Sibiriens von Petersburg aus brachte es mit sich, dass hier vor allem die Russen eine führende Rolle spielten, nachdem sie von der Landseite her die großen Ströme Lena und Kolyma erreicht hatten. Im Jahr 1648 segelte der Kosak Simeon Deschnew mit mehreren Fahrzeugen den Kolyma abwärts in das Eismeer und wandte sich dann nach Osten, um als Erster das heute nach ihm benannte Kap zu umrunden und durch die Bering-Straße in den Pazifik zu gelangen, wo er sich am Anadyr niederließ. Die über dreitausend Kilometer lange Reise des Kosaken ist allerdings mit vielen Fragezeichen behaftet, ist es doch nicht erwiesen, ob er nicht weite Strecken auf dem Landweg zurückgelegt hatte. Als Forschungsfahrt im eigentlichen Sinn kann erst die »Große Nordische Expedition« von 1734–1742 gesehen werden. Die Leitung wurde dem in Russland ansässigen Dänen Vitus Bering übertragen, der bereits 1728, ohne es zu wissen, die Bering-Straße in dichtem Nebel durchsegelt hatte, ehe er auf 67° 18' umkehrte, um nicht vom Winter überrascht zu werden. Die Aufgabe bestand darin, die gesamte Küste zwischen Archangelsk bis nach Anadyr zu vermessen und zu erforschen. Zwar ist Berings Schicksal in die Annalen der Arktisforschung eingegangen, aber auch die Führer der anderen Schiffe, wie Owtsin, Laptew und Tscheljuskin, der als Erster am 17. Mai 1742 die nach ihm benannte nördlichste Spitze des Festlands erreichte, haben unmenschliche Strapazen bei der Erforschung der sibirischen Küste auf sich genommen. Im Dezember 1741 ist Bering nach der Strandung seines Schiffs St. Peter auf der Insel Awatscha, die nun den Namen des Forschers trägt, gestorben. Erst 1749 war das ehrgeizige Vorhaben der Erkundung des östlichen Sibiriens abgeschlossen, trotz aller Bemühungen aber noch immer nicht die Frage geklärt, ob Asien und Amerika zusammenhingen. Erst James Cook hatte mit der Resolution auf seiner letzten Reise im Jahr 1778 das Glück, bei klarer Sicht in die Bering-Straße einzulaufen und damit dieses letzte Rätsel um die Nord-Ost-Passage zu lösen.
Nordenskiöld betrat mit seiner Reise somit keineswegs unerforschtes Neuland, aber es gelang ihm als Erstem, die Passage in ihrer ganzen Länge zu befahren, eine Leistung, die auch aus heutiger Sicht zu den großen Forschungsfahrten zählt. Denn selbst im Zeitalter moderner Schiffe und starker Maschinen ist die Durchquerung der Nord-Ost-Passage noch heute ein riskantes Unternehmen und nur mit Unterstützung starker Eisbrecher zu bewerkstelligen.
DIE NORD-OST-PASSAGE HEUTE
Obwohl die Sowjetunion alle Anstrengungen unternahm, das mit Bodenschätzen reich ausgestattete Sibirien zu entwickeln, geht die Besiedlung der riesigen Region infolge des unwirtlichen Klimas nur langsam vonstatten. Als Leitlinie der Erschließung dient dabei jedoch nicht der nördliche Seeweg, sondern der Schienenstrang der transkontinentalen Eisenbahnen, denn nur er gewährleistet auch im tiefsten Winter eine sichere Verbindung mit den Industriezentren im Süden des Landes. Nicht von ungefähr liegen über die Hälfte aller Städte mit mehr als hunderttausend Einwohnern an der Transsibirischen Bahnlinie. Die bisher noch seltenen größeren Siedlungen nahe der Küste, wie Norilsk unweit der Jenissej-Mündung, verdanken ihre Existenz ausschließlich Bodenschätzen, die keine Transportprobleme aufwerfen, darunter Buntmetalle und vor allem Erdöl und Erdgas, das durch Pipelines abtransportiert wird. Durch das langsame, aber stetige Vordringen der Siedlungsgrenze in Richtung auf die Küsten des Polarmeeres gewinnt die Versorgung über See zunehmende Bedeutung. Dennoch ist die Seefahrt auch hundert Jahre nach Nordenskiölds denkwürdiger Reise noch immer ein höchst risikoreiches Unternehmen. Trotz moderner eisgehender Schiffe und riesiger atomgetriebener Eisbrecher treten durch plötzlichen Wetterwechsel immer wieder bedrohliche Situationen auf, in denen ganze Konvois vom Eis eingeschlossen werden und aus der Luft versorgt werden müssen. Den größten Teil des Jahres muss die Seefahrt eingestellt werden, sodass die Bedeutung der Nord-Ost-Passage in dem Maß abnehmen wird, in dem die Erschließung der binnenländischen Infrastruktur durch die Ausweitung des Bahn- und Straßennetzes Fortschritte macht.
DAS REISEWERK
In der großen Zeit der Forschungsreisen, besonders zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert, war es üblich, dass die Ergebnisse der Expeditionen nicht nur in wissenschaftlichen Publikationen ihren Niederschlag fanden, sondern zumeist auch in Form eines Reisetagebuchs der Allgemeinheit zugänglich gemacht wurden, die in jener Zeit großen Anteil an der Erkundung der Erde nahm.
So war es auch für Nordenskiöld nach seiner Rückkehr selbstverständlich,