Die erste Umsegelung Asiens und Europas. Adolf Erik Nordenskiold

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Читать онлайн книгу Die erste Umsegelung Asiens und Europas - Adolf Erik Nordenskiold страница 10

Die erste Umsegelung Asiens und Europas - Adolf Erik  Nordenskiold Edition Erdmann

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Amerika, auf deren ursprünglich rohes Leben die amerikanischen Walfänger einen sehr wohltätigen Einfluss ausgeübt zu haben scheinen. Ihnen folgen die Tschuktschen, welche bisher nur wenig mit Leuten der europäischen Rassen in Berührung gekommen sind, deren Erwerbsquellen aber während der neueren Zeit in bedenklicher Weise abgenommen zu haben scheinen, sodass auch die Kraft und die Lebenslust der Nation sehr merkbar geringer geworden sind. Zuletzt kommen die Samojeden oder wenigstens diejenigen Samojeden, welche die Grenzgegenden nach den Ländern des kaukasischen Stammes hin bewohnen. Auf diese scheint der Einfluss der höheren Rassen mit ihren Reglements und Verordnungen, ihren Handelsleuten und vor allem mit ihrem Feuerwasser entschieden verschlechternd eingewirkt zu haben.

      Als ich einst einen Eskimo im nordwestlichen Grönland, welcher durch sein sehr übertriebenes Selbstwertgefühl bekannt war, fragte, ob er nicht zugeben wollte, dass der dänische Gouverneur mehr gelte als er, erhielt ich von ihm die Antwort: »Das ist nicht so sicher; der Gouverneur hat zwar ein größeres Besitztum und scheint mehr Macht zu haben, aber es gibt doch Leute in Kopenhagen, denen er gehorchen muss – über mich hat aber niemand zu befehlen.« Dasselbe stolze Selbstgefühl trifft man in der Hütte des Lappen und in dem Fellzelt des Tschuktschen. Bei den Samojeden dagegen scheint dasselbe durch ein Gefühl der Untergebenheit und der Furcht verdrängt zu sein.

      Aus älteren Reisebeschreibungen sowie aus eigener Erfahrung wusste ich, dass eine andere, vielleicht niedrigere Art von Götzenbildern als diejenigen, welche Anna Petrowna aus ihrem alten Stiefel hervorgesucht hatte, an mehreren Stellen auf den mit Knochen geopferter Tiere bestreuten Hügeln aufgestellt sein würde. Unser russischer Wirt erzählte uns, dass die Samojeden von weit entlegenen Gegenden nach diesen Plätzen zu wallfahren pflegten, um dort zu opfern und Gelübde abzulegen. Lange Zeit aber wollte keiner der dortigen Russen mir als Wegweiser dienen. Endlich erbot sich jedoch ein junger Mann, mich an eine Stelle auf der Waigatsch-Insel zu führen, wo ich das Gewünschte würde sehen können. Ich machte deshalb am nächsten Tag in einer der Dampfschaluppen einen Ausflug nach dem anderen Strand der Jugor-Straße.

      Der Opferplatz war auf dem höchsten Punkt der südwestlichen Spitze der Waigatsch-Insel gelegen und bildete einen natürlichen Hügel, welcher sich einige Meter über die umgebende Ebene abhob. Diese wurde nach dem Meer zu durch einen steilen Abgrund abgeschlossen. Das Land war flach, erhob sich allmählich zu einer Höhe von achtzehn Metern über das Meer. Hier und da gab es seichte Einsenkungen in der Ebene, welche mit einem recht reichen, ebenmäßig grünen Graswuchs bedeckt waren. Die höher gelegenen, trockenen Teile dagegen prangten in einem äußerst üppigen Blumenteppich. Wald fehlt ganz und gar. Auch die Gebüsche sind kaum eine Elle hoch und auch dieses nur an geschützten Stellen, in Talsenkungen und am Fuße steiler, nach Süden gelegener Hänge.

      Der Opferhügel bildete einen Steinhaufen von einigen Metern im Quadrat, welcher auf einer besonderen Erhöhung der Ebene lag. Zwischen den Steinen fand man:

      Rentierschädel, welche zur Herausnahme des Gehirns zerschlagen waren, die aber die Hörner noch am Stirnknochen sitzen hatten; diese waren so zwischen den Steinen aufgestellt, dass sie ein dichtes Gebüsch von Rentierhörnern bildeten, was dem Opferhügel sein eigentümliches Gepräge gab.

      Rentierschädel mit durchbohrtem Stirnbein und auf Stöcke gezogen, welche in den Hügel eingesteckt waren. Mitunter waren auf diesen Stöcken viele Gesichter eingeschnitten, eins über dem anderen.

      Knochen von Bären, worunter sich auch die Tatzen und der nur zur Hälfte von seiner Haut entblößte Kopf eines Bären befanden, welcher erst so kurz vorher geschossen worden war, dass das Fleisch noch nicht hatte verwesen können.

      Und endlich die mächtigen Wesen, denen alle diese Herrlichkeiten geopfert worden waren.

      Letztere bestanden aus Hunderten von kleinen Holzsplittern, nach oben äußerst plump in Form von Menschengesichtern ausgeschnitten, von denen die meisten fünfzehn bis zwanzig und einige bis zu dreihundertsiebzig Zentimetern lang waren. Sie waren alle auf der Ostseite des Hügels in den Boden gesteckt. Nahe dem Opferplatz sah man Stücke von Treibholz und Überreste der Feuerstelle, auf welcher die Opfermahlzeit angerichtet worden war. Unser Wegweiser erzählte, dass bei diesen Mahlzeiten der Mund der Götzen mit Blut und mit Branntwein bestrichen würde.

      Mein Wegweiser wurde jetzt augenscheinlich unruhig und sagte, dass ich den Zorn der Bolvanen dadurch versöhnen müsste, dass ich ihnen selbst etwas opferte. Ich äußerte sogleich, dass ich bereit wäre, dies zu tun, wenn er mir zeigen wollte, wie ich dabei zuwege gehen sollte. Einigermaßen verlegen und zweifelhaft, inwieweit er mehr den Zorn der Bolvanen als die Strafe fürchten sollte, welche in der anderen Welt denjenigen treffen soll, der falschen Götzen opfert, sagte er, dass ich nur einige Kupfermünzen zwischen die Steine zu legen brauchte. Mit einer feierlichen Kirchenmiene legte ich hierauf meine Gabe auf den Hügel, nämlich zwei Silbermünzen, sicherlich die größte Kostbarkeit, die je hier geopfert worden war. Jetzt war der Russe zufrieden, erklärte aber, dass ich verschwenderisch gewesen wäre, da ein paar Kupfermünzen völlig genügend gewesen wären.

      Am folgenden Tag bekamen die Samojeden zu wissen, dass ich zu ihrem Opferhügel geführt worden war. Für ihren eigenen Teil schienen sie wenig Gewicht darauf zu legen, erklärten aber, dass der Wegweiser schon von den beleidigten Bolvanen gestraft werden würde. Er würde seine Tat vielleicht schon im nächsten Herbst bereuen, wenn seine Rentiere von den Waigatsch-Inseln zurückkehrten, wo sie gegenwärtig von den Samojeden gehütet würden; ja, wenn die Strafe ihn nicht jetzt ereile, würde sie ihn in der Zukunft heimsuchen oder auch seine Kinder oder Kindeskinder treffen, sicherlich aber würden ihn die Götter nicht ungestraft lassen. In Bezug auf Gottes Zorn stimmten ihre Religionsbegriffe vollständig mit den Lehren des Alten Testaments überein.

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       Opferhöhle auf der Waigatsch-Insel

      Dieser Opferplatz war übrigens nicht besonders alt. Ein älterer Opferplatz hatte dagegen sechshundert Meter näher nach dem Strand hin unweit einer Höhle gelegen und war von den Samojeden mit abergläubischer Ehrfurcht betrachtet worden. Eine Menge Holzgötzen waren hier aufgestellt gewesen; aber vor etwa dreißig Jahren hatte ein eifriger, neu eingesetzter und deshalb streng durchgreifender Archimandrit [orthodoxer Priester] die Stelle besucht, den Opferhügel niedergebrannt und anstelle desselben ein noch dort stehendes Kreuz errichtet. Eine Vergeltung hatten die Samojeden jedoch nicht durch Zerstörung dieses Zeichens christlicher Anbetung ausgeübt; sie überließen die Rache den Göttern selbst, überzeugt, dass dieselben bald alle Rentiere des Archimandriten umbringen würden, und verlegten nun ihren eigenen Opferplatz etwas tiefer in das Land hinein, und vorläufig hatte kein weiterer unverständiger Glaubenseiferer Eingriffe in ihre Bolvanenverehrung gemacht.

      Der alte Opferplatz war noch durch die Masse von Knochen- und rostigen Eisenstücken erkennbar, welche um das russische Kreuz herum noch über ein weites Gebiet verstreut lagen. Auch sah man dort noch Überreste des Feuerplatzes, auf welchem die Schamanengötzen verbrannt worden waren.

      TIERLEBEN IM POLARMEER

      Wenn man nicht die wenigen Samojeden in Betracht zieht, welche sich während der letzten Jahre auf Nowaja Semlja niedergelassen haben oder im Sommer auf den Ebenen der Waigatsch-Insel umherstreifen, so sind alle die Länder, welche in der Alten Welt das Forschungsfeld der Polarforscher bilden – Spitzbergen, Franz-Joseph-Land, Nowaja Semlja, Waigatsch, die Halbinsel Taimur [Taimyr], die Neusibirischen Inseln und vielleicht auch Wrangel-Land – völlig unbewohnt. Die Bilder von Leben und Abwechslung, welche der Eingeborene mit seinen eigentümlichen Sitten und Gebräuchen dem Reisenden in fremden entlegenen Ländern gewöhnlich darbietet, findet man hier nicht. Aber stattdessen ist das Tierleben, welches man dort im Sommer antrifft – denn im Winter verschwinden beinahe alle über der Meeresfläche lebenden Wesen aus dem höchsten Norden

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