Ausgewählte Lustspiele von Ludwig Thoma (Volksstücken und Bauernschwänke). Ludwig Thoma

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Ausgewählte Lustspiele von Ludwig Thoma (Volksstücken und Bauernschwänke) - Ludwig Thoma

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hätte nichts gemerkt und wäre glücklich.

      FRAU VON L.: Du hast das dumme Tier doch sofort hinausgeworfen?

      ELSA: Natürlich. Noch gestern abend. Aber es ist ja alles wieder gut. Adolar hat mir verziehen.

      FRAU VON L.: Wir wissen es.

      DR. WELLER: Es ist aber noch nicht alles gut, Elsa. Ich habe dir verziehen. Herr von Platow jedoch verzeiht mir die Überraschung nicht und will, daß ich mich mit ihm schieße.

      ELSA: Er ist doch jeder Zoll ein Kavalier!

      DR. WELLER: Du findest das schön?

      ELSA: Ich finde es selbstverständlich.

      BOTHO UND FRAU VON L.: Sie ist unsere Tochter.

      DR. WELLER: Du bist damit einverstanden, daß ich mich vor die Pistole stelle?

      ELSA: Es ist doch allgemein Usus.

      DR. WELLER: Nach allem, was zwischen uns vorgefallen ist, sagst du das?

      ELSA: Ich kann doch nicht anders. Sei stark, Adolar!

      DR. WELLER zum Assessor: Herr Schwager, die Nerven Ihrer Familie sind stärker als die meinigen. Ich will dem germanischen Ehrbegriff Folge leisten.

      ASSESSOR VON L.: Höchste Zeit! Es klopft.

      DR. WELLER: Herein! von Sassen tritt auf.

      SASSEN: Pardong, wenn ich störe! Herr Professor haben sich entschieden?

      DR. WELLER: Ich nehme die Forderung an. Mein Schwager, Herr von Lenin, Verbeugung, wird das weitere vereinbaren.

      ASSESSOR VON L.: Gestatten! Wie lautet die Forderung?

      SASSEN: Fünfzehn Schritte. Dreimaliger Kugelwechsel.

      ASSESSOR VON L.: Sehr angenehm! Zeit und Ort?

      SASSEN: Kann sofort stattfinden. In der Reitschule nebenan.

      ASSESSOR VON L.: Dann mal los! Schwager, darf ich bitten!

      DR. WELLER: Sofort! Alle drei gehen. An der Türe dreht er sich um und sagt: »Elsa!«

      ELSA: Sei stark, Adolar! Assessor von Lenin, von Sassen und Weller ab. Gruppe.

      BOTHO VON LENIN tritt an die Rampe vor: Meine Lieben! Er geht, um jenem uralten, edlen Brauche zu folgen, welcher aus der waffenfreudigen Gesinnung unserer Väter hervorgegangen, auch heute noch dem feingebildeten Ehrgefühle der Besten unseres Volkes als unentbehrliches Erziehungsmittel gilt, trotz aller Anfechtungen, welche schlechtberatene und übelwollende, vaterlandslose Menschen gegen sie richten, dieselben Leute, denen nichts heilig ist und die mit frechem Hohn gegen Thron und Altar ihre giftgetränkten Pfeile richten, und wie in allem so auch hier frivol den hohen, sittlichen Gehalt des Zweikampfes leugnen, uneingedenk jenes Dichterwortes »Nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr Alles setzt in ihre Ehre«.

       Hinter der Szene fallen in rascher Folge zwei scharfe Schüsse.

       Bumm! Bautsch!

      Aber die alles nivellierende Richtung unserer Zeit wird hier nichts vermögen, und ihre Wogen werden machtlos abprallen von diesem rocher de bronce, hinter welchem wir in geschlossenen Reihen stehen, fest entschlossen, das von den Vätern überkommene Palladium zu hüten und eingedenk, daß jeder Stand sein Besonderes hat, und daß wie dem Volke die Arbeit, so uns die Pflege der Waffenehre zukommt, und daß wir diese uns nimmermehr entreißen lassen, gerade so wenig, wie wir dem Volke die harte Arbeit und die Lust am mühevollen Schaffen abnehmen wollen.

       Hinter der Szene fallen wieder zwei scharfe Schüsse.

       Bumm! Bautsch!

      Gewiß war es ein schöner Gedanke, das Duell abzuschaffen, allein wir müßten vorher den germanischen Ehrbegriff ausrotten, welcher uns zwar erlaubt, unsere Überzeugung der jeweils vorteilhaften Richtung anzupassen, aber immerhin in unserer Brust ein Gefühl zurückläßt, welches ohne Rücksicht auf unsern inneren Wert gegen jede äußere Verletzung sich aufbäumt und sich erst beruhigt, wenn im Gegensatz zu unserer sonstigen religiösen Gesinnung eine zwar von den Gesetzen verbotene, aber sonst hoch angesehene Verletzung erfolgt ist, für die wir, wie für alles, zwar keine genügende, aber doch althergebrachte und schön klingende Entschuldigung haben.

       Hinter der Szene fallen wieder zwei scharfe Schüsse.

       Bumm! Bautsch!

      Und haben werden, so lange jene Worte des Dichters gelten: »Das Leben ist der Güter höchstes nicht«, wenngleich wir es durch uns und insbesondere durch andere möglichst schön gestalten. Amen!

       Assessor von Lenin tritt feierlich ein. Von seinem Zylinder, den er aufbehält, wallt ein riesiger Trauerflor.

      ELSA: Was ist geschehen?

      ASSESSOR VON L.: Tot. Schuß in die linke Seite, zwei Zoll oberhalb der Herzspitze. Kugel noch im Körper.

      FRAU VON L.: Ihm ist wohl.

      BOTHO VON L.: Er fiel für das Höchste, für seine Ehre.

       Gerührte Gruppe.

       Vorhang

      Die Tochter des Feldwebels

       Inhaltsverzeichnis

       Personen:

      Ein General

       Ein Oberst

       Ein invalider Feldwebel

       Unteroffiziere

       Soldaten

       Der preußische Genius

       Der preußische Aar

       Ein hoher Beamter

       Ein höherer Beamter

       Ein höchster Beamter

      Zeit: Gegenwart

      Ort: Preußen

      Erste Szene

      Festlich geschmückte Bühne. Verschiedene mit Lorbeer geschmückte Büsten. In der Mitte eine Stange, auf welcher der preußische Aar sitzt; seine Flügel sind beweglich und rauschen, wenn man an der hiezu angebrachten Schnur zieht. Es ist der erste September, Sedanstag. Auf der Bühne stehen Unteroffiziere, Soldaten, Invaliden, Volk. Ein General, ein Oberst, ein Hauptmann, ein Leutnant, ein Feldwebel treten auf.

      Der General: ‘s ist Sedanstag, der Tag des großen Siegs, Wo Deutschlands stahlbewehrtes,

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