Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Menschenbrüder aller Himmelsstriche; hab' in Begeisterung mit meinen Scharen ausgerufen: »Ein Gott im Himmel und ein Herr auf Erden!« Er ist der Befreier, der Fürstenhader muß enden. Die Stämme müssen ein großes einiges Volk werden! – Solche Gedanken haben mich begeistert. Des Feldherrn finsteres Aug', wie ein Blitz in der Nacht, hat uns alle entflammt. Gegen das Sachsenland sind wir gezogen, um dort den Streit für unseren Herrn auszukämpfen und das schöne deutsche Land unter seinen Schutz zu stellen.

      Bei Lützen hab' ich einem welschen Feldherrn das Leben geschützt; vor Dresden hab' ich dem Blücher das Roß niedergeschossen; bei Leipzig hab' ich meinen Heinrich erschossen ...

      »Andreas!« das ist sein Todesschrei gewesen. An dem hab' ich ihn erkannt. Mitten aus der Brust ist der Blutquell gesprungen. – –

      Jetzt kommt mir die Besinnung. Mein Gewehr hab' ich um einen Stein geschlagen, daß es zerschmettert; waffenlos bin ich in die Schlacht gerast; mit seinem eigenen Schwert hab' ich einem Franzosenführer den Schädel gespalten.

      Was hat's genützt? Ich hab' doch gegen mein Vaterland gestritten, gegen die Brüder, die meine Sprache reden, während ich meine welschen Gefährten kaum verstanden. Und ich hab' meinen Heinrich erschossen. Ach, wie spät gehen mir die Augen auf!

      – Bist ein unerfahrener Mensch. Geh nach Wien zum Karl! – Du getreuer Hofer, hätt' ich deinen Wink befolgt! – Deine Fahne ist gut gewesen, und herrlicher als alle anderen im weiten Land. Von der Stund' an, da mir der Glauben an sie aus dem Herzen gerissen worden, ist mein Unglück angegangen. Die Lieb' zur freien Welt hat mich in die Gefangenschaft gebracht; mein freiwillig Büßen hat mich in Schuld gestürzt; die Treue zu meinem Feldherrn und die Sehnsucht nach einem Großen und Gemeinsamen hat mich zum Verräter meines Vaterlandes, zum Mörder meines Freundes gemacht. – Andreas, wenn schon die Tugend dich dahin geführt, wohin erst hätte dich böse Absicht gestürzt? – Den treuen Führer hast du stolz abgelehnt, da hat dir Erfahrung und Führung gemangelt. – Andreas! du hast dich dem Handwerk und der Wissenschaft und dem Soldatenleben zugewendet; Elend, Wirrnis und Reue hast du geerntet. Fremde Menschen haben dich gehegt und gepflegt wie einen Sohn und Bruder; sie sind dafür mißhandelt worden. Du bringst der Welt und den Menschen nichts Gutes; Andreas, du mußt in die tiefste Wildnis gehen und ein Einsiedler sein! –

      Im Sachsenlande, unter dem Balken einer Windmühle, hab' ich mir diese Wahrheiten gesagt. Und danach bin ich davon, bin geflohen durch das Böhmer- und Österreicherland, bin nach vielen Tagen in die Stadt Salzburg gekommen. Daß in dieser Stadt mich armen, kranken, herabgekommenen Gesellen noch wer erkennen sollt', hab' ich nicht gefürchtet. Im Peters-Friedhof liegt mein Vater begraben, den Hügel hab' ich sehen wollen, ehe ich mir die Höhle suche in einer verlassenen Waldschlucht der Heimat. Und wie ich so auf der kalten gefrorenen Erde liege und weinen kann aus dem Herzen, über mein noch so blutjunges und so unglückseliges Leben, da kommt ein Herr zwischen den Gräbern gegangen, fragt nach meiner Kümmernis und schlägt die Hände zusammen. »Erdmann«, ruft er aus, »Sie hier? Und wie sehen Sie aus! Kaum vier Jahre davon und kaum mehr zu erkennen!«

      Herr von Schrankenheim steht vor mir, der Vater meines einstigen Zöglings.

      Ich bin mit ihm zwischen den Hügeln auf und ab gegangen, hab' ihm alles erzählt. Mit fast hartem Gesicht drückt mir der Mann Geld in die Hand: »Da, schaffen Sie sich Kleider und kommen Sie dann in mein Haus. – Einsiedler werden, pah, das ist kein Gedanke für einen jungen braven Burschen. Ihren Kleinmut müssen Sie überwinden, ein Weiteres wird sich geben.«

      Mit großer Angst bin ich in sein Haus gegangen; denn die eine Narrheit hab' ich noch nicht überwunden gehabt.

      Der Herr von Schrankenheim hat mich seinem Sohne vorgestellt. Das ist schon ein recht hochgewachsener, zierlicher Herr geworden. Die Hände am Rücken, hat er eine stille Verbeugung vor mir gemacht und nach kurzer Weile noch eine, und ist abgetreten. Hierauf hat mich der Vater in sein Arbeitsgemach geführt, hat mich auf den weichsten Sessel niedersitzen geheißen.

      »Erdmann«, hebt er nachher an zu reden, »ist es Ihr wahrhaftiger Ernst, daß Sie in die Wildnis gehen und Einsiedler werden wollen?«

      »Das ist für mich das Beste«, antworte ich, »ich tauge nicht unter die Menschen, die in Lust und Freuden leben; mich haben die wenigen Jahre meiner Jugend herumgeworfen in Irren und Wirren, von einem Land in das andere, und in der Völker Not. Herr, ich kenne die Welt und bin ihrer satt.«

      »Sie sind kaum an die vierundzwanzig Jahre und noch nicht auf der Höhe Ihrer Kraft; und Sie wollen verzichten auf die Dienste, die Sie den Mitmenschen würden leisten können?«

      Da horchte ich auf; das Wort faßt mich an.

      »Wenn Sie meinen, Sie haben bislang nur Übles gestiftet, warum wollen Sie sich aus dem Staube machen, ohne der Welt, dem Gemeinsamen, auch das Gute zu geben, das gewiß in reichem Maße in Ihnen schlummert?«

      Da erhebe ich mich von meinem Sitze: »Herr, so weisen Sie mir die Wege dazu!«

      »Wohlan«, sagt der Herr von Schrankenheim, »vielleicht kann ich es, wenn Sie wieder Platz nehmen und mich anhören wollen. – Erdmann, ich wüßte eine tiefe und wahrhaftige Einsiedelei, in welcher man den Menschen dienen und vielleicht Großes für das Gemeinsame wirken könnte. Weit von hier, tief drinnen in den Alpen dehnen sich zwischen Felsgebirgen große Waldungen, in welchen Hirten, Schützen, Holzschläger, Kohlenbrenner beschäftigt sind, in welchen auch andere Menschen wohnen, wie sie sich etwa redlich zurückgezogen oder unredlich geflüchtet haben, und die nun durch erlaubten oder unerlaubten Erwerb ihr Leben fristen. Wohl wahr, es sind finstere Menschen, in deren Herzen das Unglück oder noch was Ärgeres nagt. Sie haben weder einen Priester noch einen Arzt noch einen Schullehrer in ihrer Nähe; sie sind ganz verlassen und abgesondert und nur auf ihre Unbeholfenheit und auf ihr eigenes ungezügeltes Wesen angewiesen. – Ich bin der Eigentümer der Waldungen. Ich habe seit längerer Zeit schon die Absicht, einen Mann in diese Gegend zu senden, der die Bewohner derselben ein wenig leite, ihnen mit redlichem Rate beistehe und die Kinder im Lesen und Schreiben unterrichte. Der Mann könnte sich gar sehr verdient machen. Es findet sich wahrhaftig so leicht keiner dafür; es wäre denn einer, der weltsatt in der Einsamkeit leben und doch für die Menschen wirken wolle. – Erdmann, was meinen Sie dazu?«

      Nach diesen Worten ist mir jählings gewesen, als ob ich sogleich meine Hand hinhalten und sagen müßte: Ich bin der Mann dazu. Mit den Zuständen dieser alten Welt zerfallen, will ich in der Wildnis eine neue gründen. Eine neue Schule, eine neue Gemeine – ein neues Leben. Lasset mich heute noch hinziehen! – So ist das Feuer doch nicht ganz tot; es sind aus der Asche Funken gestoben.

      »Wir haben den Winter vor der Tür«, redet der Herr weiter, »Sie bleiben den Winter über in meinem Hause und pflegen reiflicher Überlegung, und wenn wieder der Sommer kommt und es gefällt Ihnen mein Antrag noch, so gehen Sie in die Wälder.«

      Sooft ich im Vorzimmer ein Kleid hab' rauschen gehört, bin ich erschrocken, und letzlich hab' ich den Herrn gebeten, er möge mich über den Winter ziehen lassen; mit den Schwalben würde ich wieder kommen und seinen Vorschlag annehmen.

      Er hat sich's nicht nehmen lassen, mir die »Mittel« für den Winter zu spenden; dann aber bin ich geflohen. Im Vorsaale ist eine Frauengestalt gestanden, an der bin ich vorübergehuscht wie ein Wicht.

      Einen Tag bin ich gewandert, bis ans Waldland an den See, wo meine Kindheit und meine Mutter begraben liegen. Und hier im Ort hab' ich mir für den Winter ein Stübchen gemietet. Oftmals steige ich die Schneelehnen hinan und stehe unter bemoosten Bäumen, wo es mir ist, als sei ich einmal mit meiner Mutter, mit meinem Vater gestanden, oftmals gehe ich über den gefrorenen See und denke an die Tage an welchen ich im Kahn bei Vater und Mutter über die weichen Wellen gefahren bin. Das Abendrot

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