Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 197
Da hat sich mit diesem Burschen einmal eine Geschichte zugetragen, die uns von der Schlauheit der Bewohner des Hauses am Tärn einen guten Beweis giebt, und die eine ungeahnte Ursache war, daß der Sohn des Schreiners für die Zukunft vor den verschiedenerlei Verfolgungen des Gesindels Ruhe Hatte.
Es war zur Zeit des Winters. Das Haus des Bart war von Schneewänden umgeben, die der Wind gebaut hatte. Eine einzige Lücke war ausgeschaufelt, ein enger Fußsteig offen, der hinab gegen das Thal führte.
Das Weib des Bart saß in der dunkelnden Stube und that Garn spinnen – Garn aus dem Flachs, der im vergangenen Sommer auf einem entlegenen Hange in den Birstlingblöcken gewachsen war. Sonst saß auch der Bart nicht weit von ihr an seinem Webstuhle, aber heute befand er sich vor dem Hause auf dem freien Plätzchen, das durch einen Bretterverschlag nothdürftig gegen den Schnee geschützt war. Dort schlachteten er und Erlefried ein Ferkel für die nahe Zeit der Weihnachten.
Und als diese vier Bewohner des Berghauses gerade so in bester Arbeit waren, beim Spinnen und Schlachten und das Ferkel beim Versterben – da eilte von der Stoßnickel-Hütte heran ein Knäblein, das wünschte fast athemlos einen guten Nachmittag.
»Guten Nachmittag auch,« antwortete der Erlefried und setzte heiter bei: »Geh’ her, Natz, ich schneide Dir auch die Ohren weg.« Ein Antrag, den er an dem Schweinchen eben vollführte.
Der kleine Natz war von solcher Anrede weder erschrocken noch erbaut, er trippelte ganz nahe vor die blutigen Männer hin und lispelte:
»Sie kommen!«
»Wer?«
»Die Leut’ kommen!«
»Was für Leut’?«
»Die Trawieser Leut’ kommen. Da unten habe ich sie gesehen, ein klein Eichtel Zeit und sie sind heroben.«
Erlefried schoß empor. Die Trawieser Leut’! Da galt’s zu fliehen, denn er hatte schon vernommen, daß sie ihm mit Ernst nachstellten, um ihn ihrer Streitmacht anzureihen. Das war nicht nach seinem Sinn, er mußte ihnen entkommen. Aber wohin zu solcher Zeit? Der Schnee schloß alle Wege ab – zähneknirschend preßte der Bursche die Finger um den blutigen Griff des Messers. Dem Alten hingegen war der Veitel aus der Hand gefallen, er sagte Gott und die Heiligen an.
»O guter alter Narr,« rief sein Weib aus dem Hause, »bei solcher Sach’ muß man den ledigen Teufel anrufen; nur Der richtet bei Diesen was aus. So lauf doch Erlefried, und verkriech Dich im Stroh!«
»Wäre das Dümmste, was er thun könnte,« meinte der Bart, »‘leicht wissen sie, daß er da ist, so stürzen sie das Haus über, bis sie ihn haben. Was meinst, Erlefried, Du vergrübest Dich im Schnee?«
»Wird nichts nutzen,« sagte der Bursche, »wenn ich verschurkt bin, so gehen sie ohne mich nicht fort. Dem Josa-Hannes haben sie ja das Haus angezündet, bis er vor Rauch und Hitze aus seinem Versteck hervorgesprungen ist. Die Höhe hinüberlaufen hilft mir auch nichts, man kann im Schnee nicht weiter und dann die Spur!«
»Eine Schande ist’s, Junge, wenn Du diesen Bestien nicht auskommst!« rief das Weib weinend.
»Das sage ich auch so,« versetzte Erlefried und stand rathlos da.
»Ich wüßte was, wenn Ihr gescheit genug wäret,« sagte das Weib.
Der Bart antwortete: »Ich denk’, Alte, so viel Verstand haben wir selbander noch, als wie Du allein.«
»Gut für Euch,« sagte sie und wendete sich zu dem noch immer kleinmüthig dastehenden Botenknaben. »Natz, Du bist ein ausbündiger (vernünftiger) Bub’ und zum nächsten Sonntag komm, da kriegst vom Ferkel die Lümpeln (Nieren). Jetzt gehe eilends davon, den Steig hinab. Sie begegnen Dir und werden Dich fragen, wo Du gewesen bist, oder wo Du hin willst. Gieb Antwort, es wäre heute beim Bart vom Tärn Einer erschossen worden und Du müßtest den Todtengräber suchen. D’rauf spring davon und sei gescheit.«
Der Knabe ging, der Bart aber rief seinem Weibe zu: »Du Lappin, was willst denn damit?«
Sie fuhr mit der flachen Hand über die weiße Ofenmauer, fuhr damit dem Burschen über das Gesicht – da war er blaß wie ein Todter.
»So, Kind, die Farbe hast, und jetzt lege Dich im Gottesnamen auf die Bahre.«
Nun hatten sie verstanden.
»Vielleicht haben wir Glück. Zu verlieren ist nichts.«
Rasch verabredeten sie noch Manches, thaten dem Burschen Blutstriemen in die Haare, die Kleider trugen ohnehin etwelche Spuren. Und während der Bart draußen das todte Ferkel tief in den Schnee grub, bahrte das Weib in der Stube zwischen Webstuhl und Ofen auf der Lehnbank, wo einst die Mutter Erlefried’s gelegen, den Erlefried auf. Dieser streckte seinen schönen, schlanken Leib auf dem Brette aus, legte die Arme kreuzweise über die Brust, ließ das blutige Haupt mit den geschlossenen Augen nach rückwärts hängen, daß die zerrissenen Locken über den Rand der Bank hinabschlugen. Dann steckte ihm das Weib des Bart ein geschnitztes Kreuz in die Hand, wickelte eine Betschnur darüber, that, wie es bei bäuerlichen Leichen zu jener Zeit der Brauch war, getrocknete Blätter des Marienkrautes auf seine Brust, holte dann ein großes Leintuch herbei, hüllte den Burschen damit ein und sagte: »Jetzt rühr Dich nicht mehr!«
Hierauf stellte sie noch Einiges, was zu einer Todtenbahre gehört, nebenan, auch die brennende Ampel. Als aber das alles fertig war, stand sie ein Weile vor der Bahre still und flüsterte beklommen: »Melde Dich, Erlefried!«
Der Todte that’s, da war die alte Frau beruhigt.
Jetzt eilte der Bart herein: »ist’s fertig? Sie steigen schon daher.«
Er sah den Erlefried liegen, erschrak und schmunzelte.
Vor dem Hause standen mehrere Männer, verwahrlost, verkommen aussehend und mit ihren stechenden Augen auf den blutigen Schnee starrend, auf welchem vorhin das geschlachtete Thier gelegen war. Schon wollten sie ins Haus treten, da schoß ihnen das Weib des Bart heulend entgegen: »Daß Ihr nur kommt, Leut’, daß Ihr nur kommt! Es ist kein Bleiben mehr in dieser Gegend.«
Was geschehen sei? Sagten sie.
»Räuber sind dagewesen, haben uns den Burschen erschossen. Thut das Blut weg, Jesus Maria, ich kann es nicht sehen!«
Sie spielte gut. Der Bart saß auf einem Blocke seines Webstuhles zusammengekauert.
Die Männer, die in die Stube getreten waren, blickten unsicheren Auges auf die Bahre hin, an welcher der matte Schein des Ämpleins lag. Dann setzten sie sich polternd an den Tisch und verlangten zu essen.
Das Weib brachte wässerige Milch. Sie mußte zuerst selbst daran kosten, denn die Leute trauten einander nicht mehr.
»Habt keine Angst,« sagte sie, »hätte ich Hüttenrauch (Gift) im Hais, ich wollt’ ihn nicht sparen, dasselb’ mögt Ihr trutz glauben. Auf einer solchen Welt mag ich nicht mehr leben.« Und sie weinte, daß es im Hause widergellte.
Die Rotte aß Milch und Brot und Zwei gingen auf die Suche, ob nichts Besseres im Hause wäre.
Das Weib, das sich in der Nähe der Bahre zu thun machte, nahm wahr, wie Erlefried