Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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der Etzel gewesen,« prahlte Roderich der Stromer.

      »Du bist der Etzel gewesen,« spottete der Tropperknecht und sprach das tz wie s aus.

      »Ich verspür’ vom Herodes noch was in mir,« sagte der kleine Baumhackel, worauf ihm ein Anderer bemerkte: »Da schaust Du mir eher dem Judas gleich.«

      »Ich komme mir mit meiner Stuben voll Kinder wie der Abraham vor,« meinte der Bauer Isidor.

      »Oho!« rief ein Anderer, »der steigt nicht mehr auf der Welt herum, das ist ja ein Braver gewesen und sitzt längst in Abraham’s Schoß.«

      »Wer? Er selber?« lachten sie.

      »Im Ernst auch noch!«

      »D’rum sagt man von einem guten Kerl, der sich erlöset hat: So Einer kommt nicht wieder!«

      So faßten sie die neue Offenbarung auf, und als sie sich an derselben satt gewitzelt hatten, kehrten sie sich nicht mehr weiter d’ran und gingen ihre gewohnten Wege.

      Wenn jene wunderliche Lehre meinte, die gefallenen Geister müßten sich so lange im Menschenblute waschen, bis sie rein wären, so hat sie auf die Trawieser Leute nicht gerechnet. Das Blut kochte und schäumte und sie wurden von Tag zu Tag befleckter.

      Wahnfred sah es, daß die Schrift an der Dreiwand nicht das Rechte war, er ruhte aber nicht, er suchte mit dem Kopfe, er suchte mit dem Herzen nach einem Retter, nach einem Gott. Ob und wo er ihn finden und wie die Erlösung vollzogen werden sollte – ahnte er es? –

      Trotz alledem ging noch ein milder Engel durch die Wälder von Trawies.

      In einer Seitenschlucht des Rockenbaches stand das Haus der Zirmerleute. Es war eine arme Familie, der Zirmer hatte sich stets mit Holzschnitzen beschäftigt, und war dann ins Land hinausgegangen, um mit seinen schlichten Waaren zu hausiren und Lebensbedarf für seine zahlreiche Familie mit heim zu bringen. So war er auch zu jener Zeit, da über Trawies der Bannfluch gesprochen wurde, auf der Wanderschaft. Als er von dem Elende hörte, das über seine Heimat hereingebrochen war, wendete er sofort den Weg und ging Tag und Nacht, um zu den Seinen zu gelangen. In der letzten Nacht kehrte er noch bei einem Verwandten in Neubruck zu. Der Verwandte suchte ihn zu halten, er möge Gott danken, daß er außerhalb des Feuerringes stehe und er würde jetzt doch nicht heimkehren nach Trawies, wo alles verflucht und verdammt sei. Ihm stehe noch die Welt offen und das Himmelreich, so möge er nicht als Gottes und der Seele Feind ins Verderben rennen!

      Der Zirmer hörte nicht auf solche Vorstellungen, in seinem fiebernden Haupte war nichts als Weib und Kind, in seinem Herzen war Weib und Kind. Entfliehen mußte er dem Verwandten, der den Unsinnigen mit Gewalt festzuhalten suchte. Die Wachtmänner bei den fünf Kiefern grinsten höhnisch, als er an ihnen vorbeieilte. Bei seinem Hause angelangt, fiel er vor Aufregung und Erschöpfung zur Thür herein. Seither lag er krank, siechte armselig hin. Seine erwachsenen Söhne zogen draußen mit den banden, seine unmündigen Kinder nagten an unreifen Waldfrüchten, sein Weib stand ihm bei in muthvoller Treue, aber wenn sie allein war und ihr Mann schlummerte, da verfiel sie in ein Weinen, daß die Steine sich hätten erbarmen können. – In solcher Noth, in solch grenzenloser Noth, und keinen Helfer haben auf Erden und im Himmel! Da bist Du sterben heimgekommen, Du guter Mann, und wir haben keinen Heiland für Dich. Aller Jammer dieses Lebens wäre so leicht zu ertragen! Daß die Menschen in der weiten Welt doch inne würden, wie wichtig und wie süß das Erdenleben ist, wenn man in Gottes Gnade der Ewigkeit entgegenhoffen darf. Aber in solchem Elend sein – und keinen Gott haben, verlassen und verloren sein allerwege – allerwege! ....

      Der kranke Zirmer sagte nichts, als: »Laß mich ableben! Laß mich nur still ableben und komm mir ehzeit nach.«

      »Wohin denn?« rief sie. »Wenn ich denke, wohin wir müssen, da schaudert mir die Haut. Wir sind gerichtet, wir sind in der Hölle bei lebendigem Leib.«

      Als nun das Weib des Zirmers von der Schrift hörte, die unten an der Dreiwand gefunden worden wäre und in welcher eine Verheißung liege, that sie einen gellenden Schrei und weinte laut. Die weinte vor Freude.

      »Gott Lob und Dank!« sprach sie, »wir verspüren den Herrgott wieder!«

      So tief war die Sehnsucht mancher Gemüther der verstoßenen Gemeinde nach dem Troste der Religion. –

      Und Wahnfred saß in seiner hochgelegenen Hütte, und sann und sann. Es war in den Maien, ihm war pfingstlich.

      Nirgends auf der Welt – so dachte er einmal – kann Pfingsten lieblicher sein, als in unseren Strichen. In jenen heißen Steinbergen, wo einst die Flammen des Geistes niedergesunken sind auf die Häupter der Apostel, dort möcht’ ich nicht Pfingsten halten; und oben im Nord, wo über die traurigen Kieferwälder die Nebel der See liegen, wäre es im Monde der Maien nicht pfingstlich genug. Nur um unser harmonisches Herz windet die heilige Taube ein pfingstliches Kleid.

      In solchen stunden fühle er ein glückliche sein.

      Die zarten Vergißmeinnichte schauten so treuherzig zu ihm auf, als Boten aus der Erde, erstanden zur stillen Mahnung, Derer nicht zu vergessen, die liebevoll einst in seinem Lebenskreise gewaltet, nun längst zur Erde gesunken sind.

      Vor Kurzem noch hat hier die Maiblume ihr goldenes Körbchen aufgehalten für die Diamanten des Thaues; heute hat sie weißes Haar und das Lüftchen entführt mählich ihr Gelocke. Hoch über dem weiten, klaren Meer der Luft, tief im Himmel drinnen brennt der Sonnenstern und sendet seine Flammen den lichtdurstigen Wesen der Erde. – Pfingsten! Phönix! Die Worte haben ja Ähnlichkeit. Das vor etlichen Monaten noch in Moder und Starrniß daliegende Jahr ist neuverjüngt auferstanden, wie der Wundervogel im Märchen.

      Ist es denn wahr, daß die Menschen so sehr zum Bösen neigen? Wir stehen aufrecht, unser Fuß wandelt auf Blumen, unser Haupt ist gereift im Lichte des Himmels. Das Leid des Herzens, was ist es Anderes, als Heimweh nach dem Guten und Heiteren!

      Und ist es Elend, wenn unser Haupt einmal in Wetternacht gehüllt ist? Wetter haben ihre Blitze, welche oft erleuchten wie feurige Zungen des heiligen Geistes. Gäbe es keine Nacht, wer hätte je in die Tiefen des Sternenhimmels geschaut!

      Da kommen sie, die undankaren Kinder der Welt und schreien: Die Mutter ist schlecht! – und beweisen es. Ich sage trotz Allem: Sie ist gut und brauche es nicht zu beweisen. Und schauet den Lebensweg Dessen, der hier im Waldfrieden ruht. Der Zweifel hat mich an der Brust, der Kummer mich an den Haaren gepackt; der Haß hat mich durchwühlt, die Liebe mich gefoltert; Unrecht habe ich erfahren. Aber tausendmal mehr als das alles: Unrecht hab’ ich gethan! Und dennoch, ich ersehne das Schlafen nicht und bedauere des Morgens das Erwachen nicht. Vernichten kann mich nicht der Schmerz, denn er will geheilt sein, nicht die Schuld, denn sie will gesühnt sein – nur die Stumpfheit, denn sie will – nichts.

      Draußen im Lande liegt mancher silbergraue See. Licht und Schatten gleiten im Wechsel darüber hin. Das ist das Kornfeld. Die jungen Ähren horchen der Lerche, hebn ihre Häupter zum Himmel und ihr Pfingstgebet geht nach Sonnenschein. Ihre Sehnsucht ist, zu reifen, aber das Reifen ist ihr Verderben; so verstehen es wir Menschen. Das Korn kommt in den Schrein, in die Erde. Und im nächsten Jahr, wenn wieder Pfingsten ist, wallt wieder im Winde der See – und kann zehnmal größer sein, als heut’. Das Leben nimmt nicht ab, es nimmt zu.

      Welch selige Stimmung, du guter Wahnfred!

      Dann wieder blickte er hinab. Der lichte Schleier des Sonnenäthers lag über Berg und Thal; die Wässer der Trach, der Miesling, des Rockenbaches glitzerten wie Silberketten zwischen den grünen Matten, die Mauer der seit lange verschlossenen und verfallenden Kirch schimmerte

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