Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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unter den Überreitern. Herrgotts Kreuz! da bin ich wohl nach meinem Taschenfeitel gefahren! Hat mir aber einer den Kolben an den Arm geschlagen. – Und ein paar Tag darauf geht's über mich los. – Die fünfzig Rutenstreiche damalen haben den Teufel in mich hineingeschlagen. – Mein zerfetzter Rücken ist mit Essig und Salz eingewürzt worden, der Heilung wegen. Es hat Eil' gehabt. Der Welsche ist ins Land gefahren wie der bös' Feind. Da bin ich freilich auch in die Hitz' gekommen und hab' drein gefeuert. Ein' einzige Pulverladung hab' ich noch gehabt, wie der Feind ist zurückgeworfen; für dieselbig' Kugel hätt' ich noch wen andern gewußt; bei uns herüben auf hohem Roß. Aber das nicht, das nicht! hab' ich mir gedacht, Aug' in Aug' ist gescheiter. Und nachher bin ich wieder durchgegangen in die Heimat.«

      »Und wenn Ihr Eure Heimat so geliebt, warum habt Ihr nicht für sie streiten wollen?« unterbreche ich ihn, »warum seid Ihr davongegangen?«

      »Mag sein, daß es eine Schurkerei gewesen«, sagt der Mathes, »mag sein. Oder 'leicht – mag's auch nicht sein.«

      »Mag das sein, wie es will«, ist meine Antwort, »ich kenne einen Mann, der hat nicht nur nicht für sein Land gestritten, sondern gegen

      »Ich bin in meiner Heimat nicht verblieben«, fährt der Mathes fort, »mein Eigentum hab' ich im Stich gelassen und hab' mich, daß sie mich nimmermehr finden, in diese hinterste Wildnis verkrochen. – Gehetzt, gehetzt, Herr Jesus! Und dahier bin ich erst das wilde Tier worden. Mein Weib, du weißt es.«

      Ein stöhnender Aufschrei war es gewesen; aber die Worte sind wie im Entschlummern gelallt. Er schweigt und schließt die Augen. Wie ein letztes Auflodern und Verlöschen.

      »Für einen Hascher haben ihn die Leut' gehalten, da er ist zurückgekommen«, setzt das Weib fort, »Groschen und Pfennige haben sie zusammengeworfen in einen Hut und ihm denselbigen Hut wollen schenken. Dafür hätt' der Mathes bald ein paar totgeschlagen; er will nichts geschenkt haben. Wie ihn darauf die Leut' zu Dutzenden verfolgt, ist er auf einen Lärchenbaum geklettert, hat sich von einem Wipfel auf den andern geschwungen wie eine Waldkatz; und da haben die Leut' gesehen, daß er doch wer ist. Aber das Hieselein haben sie ihn spottweise geheißen. – Nachher – ja freilich wohl – hat er sich ein Mädel ausgesucht –«

      »Das allerschönste im Wald!« unterbricht sie der Kranke wieder, »und ein solcher Hoffahrtsteufel ist in ihm gewesen, daß er – der Halbkrüppel – demselbigen Mädchen die Treu' nur versprochen, im Fall er kein schöneres mehr sollt' finden. Heiliges Kreuz, was ist da nicht gerauft worden! Andere haben das Mädel auch haben wollen. Dem Vornehmsten und Saubersten hab' ich die Adelheid an der Nase vorbei heimgeführt, und eine Bravere hätt' ich nimmer finden mögen.«

      Wieder schweigt er und überläßt sich dem Halbschlummer.

      »Fürchterliche Schläg' hat er oftmals bekommen«, sagt das Weib, »aber auf den Füßen ist er geblieben, und da hat ihn einer herumschleudern mögen, wie der Will'. Zu jedem Samstagabend hat er sein Messer geschärft für das Erlholzschneiden; aber oftmalen hab' ich gebeten: lieber Mann, um Christi willen, laß das Messerschärfen sein! – Allerweg hat's mir geschwant, einmal werden sie ihn bringen auf der Tragbahr. – Und sonst, wenn er nüchtern gewesen, da hat's gar keinen besseren, fleißigeren und hilfreicheren Menschen gegeben im ganzen Waldland als den Mathes. Da hat er lustig sein und wie ein Kind lachen können. Freilich ist ihm, weil er Soldatenflüchtling, sein Heimatsgut draußen im Land verfallen gewesen; aber mit bluteigenen Händen hat er die Kinder ernährt, und gar für andere Leut', die sich nichts mehr erwerben mögen, hat's noch gelangt. Wegen seiner Redlichkeit und Verläßlichkeit haben sie ihn im Holzschlag zum Meisterknecht gemacht. Und dennoch hat zum Sonntag der Wirt die Hand' über dem Kopf zusammengeschlagen, ist das Hieselein gekommen, das sie nun schon allfort das schwarze Hieselein geheißen haben. Ist es auch voll Gemütlichkeit zur Tür hereingegangen, so ist doch darauf zu schwören gewesen, daß es ohne Raufen nicht abgeht. Er hat's nicht lassen mögen. Dasselb' ist aber wahr, nüchtern geworden, hat er jedem alles wieder abgebeten. – Zuletzt aber, du meine heilige Mutter Gottes, da ist das Abbitten nicht mehr angegangen. – Die Holzschläger sind all' zusamm' gekommen, daß sie dem Raufer, gleichwohl er ihr Meisterknecht, im Wirtshaus den Herrn einmal zeigen. Erstlich, wie sie sehen, daß er Branntwein trinkt, ein Glas ums andere, haben sie angefangen, ihn zu necken und zu höhnen, bis er wild wird und drein fährt. Sie sind all' über ihn her. Und zur selbigen Stund' hat ihn der Schutzengel verlassen; eine Hand frei, fährt er nach dem Messer, stößt es dem Köhler Bastian in die Brust. – Jetzt haben sie den Mathes geschlagen, daß er liegengeblieben auf der Erden. Zwei Wurzner haben ihn heimgetragen.«

      Drauf spricht er: »Das aber sag' ich, daß ich so nicht versterben mag. Aufsteh' ich und geh' zum Gericht und klag' andere an, daß ich den Bastian hab' erstochen. Von den hinterlistigen Werbern an, die mich aus meinem Jugendfrieden in die blutige Welt geliefert haben, wo ich geschändet worden – – bis auf den Köhler Bastian, der mir mit Hohn und Spott selber noch das Messer aus der Scheiden hat gelockt – – alle ruf ich vor den Richterstuhl, alle müssen dabei sein, wenn mir der Henker den Hals bricht.«

      Das Weib kreischt auf; der Mann sinkt röchelnd auf das Moos zurück.

      Da hüpfen und jauchzen die Kinder zur Tür herein. Sie zerren ein weißes Kaninchen bei den Ohren mit sich, lassen es in der Stube frei, und der Knabe verfolgt es. Das bedrängte Tier hüpft zum Mooslager und dem Kranken über die Beine. Im Winkel bleibt es sitzen und schnuppert und sieht mit seinen großen Augen angstvoll hervor. Der Knabe schleicht ihm bei und erwischt es bei den Beinen. Da winselt es und beißt den Verfolger in den Finger. – »Wart du! wart du, Rabenvieh!« wütet der Knabe und wird glührot im Gesicht, und seine Finger graben sich krampfig in den Hals des Tieres – und ehe noch Mutter und Schwester dazwischenkommen, ist es tot.

      Der Mathes schlägt sich die Hände in das Gesicht und ruft: »Jetzt lebt der Zornteufel auch in meinen Kindern fort, das muß ich noch erfahren!«

      Wenige Minuten hernach bricht der Mann in Tobsucht aus. Noch an demselben Abend ist er gestorben.

      Den schwarzen Mathes haben sie im Wald eingescharrt. Das Weib hat unsäglich geweint auf dem Hügel, und als sie endlich von dannen geführt ist worden, da ist der Einspanig gekommen und hat auf das Grab ein Tannenbäumlein gepflanzt.

      Am Tage der Geburt Mariens 1814

      Und so bin ich in den Winkelwäldern herumgegangen. Ich bin im Hinterwinkel gewesen und in den Miesenbachschluchten, und in den Karwäldern und in den Lautergräben und in der Wolfsgrube und im Felsentale und auf den Triften der Almen, und drüben in der Senke, wo der schöne See liegt. Ich habe diese wundersame Alpengegend kennengelernt und zum großen Teile auch die Menschen, die in ihr wohnen. Ich habe mich bei den Alten eingeführt und mit den Jungen bekannt gemacht. Es kostet Mühe und es gibt Mißverständnisse. Die besten dieser Leute sind nicht so gut und die schlechtesten nicht so schlecht, als ich mir vorzeiten gedacht habe. Ein paar Ausnahmen aber – deucht mir schier – gibt es doch.

      Ich muß sogar ein wenig unredlich sein; sie dürfen es nicht wissen, weshalb ich da bin. Viele halten mich für einen Flüchtling und sind mir deshalb gewogen. Ein Mensch, den diese Wäldler gern haben mögen, muß von der Welt verachtet und verbannt sein, muß schier so wild und glück- und sorglos sein wie sie selbst. Ich habe mich denn auch um eine Arbeit umsehen müssen. Ich flechte Körbe aus Rispenstroh und Weiden, ich sammle und bereite Zunder, ich schnitze aus Buchenholz Spielsachen für Kinder. Ich habe mich schon so sehr in dem Zutrauen der Leute befestigt, daß sie mich das Schärfen der Arbeitswerkzeuge lehren, so daß ich den Holzschlägern die Beile und Sägen scharf zu machen verstehe. Das bringt mir manchen Groschen ein und ich nehme ihn an – muß ja angewiesen sein, auf meiner Hände Arbeit wie alle hier. In meiner Stube sieht es bunt aus. Und da sitze ich, wenn draußen schlecht Wetter oder der lange Herbstabend ist, zwischen den Weidenbüscheln und Holzstücken und den verschiedenen Werkzeugen und

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