Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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ich zu der Miesenbachhütte komme, vor der ich des Morgens eine Weile gesessen bin, veranstaltet der schalkhafte Zufall eine Begebenheit.

      Ich denke, da ich so vorübergehen will, just darüber nach, wie freundlich und heimatlich ein bewohntes Menschenhaus dem Wanderer entgegengrüßt, hingegen aber, wo so eine leere verlassene Stätte gespensterhaft dasteht, schier ein hochragender Sarg.

      Da höre ich von der Hütte her plötzlich ein Gestöhne.

      Meine Füße, sonst recht müde schon, sind auf einmal federleicht geworden, haben davonlaufen wollen, aber der Kopf hat sie nicht fortgelassen, und die Ohren haben angestrengt gelauscht, und die Augen haben gelugt. Unter einem Winkel des Dachvorsprunges ist ein Pfauchen und Schnaufen, und da sehe ich gar was recht Sonderbares. Aus der braunen Holzwand ist ein Menschenhaupt mit Brust, zwei Achseln und einer Hand herausgewachsen, und allsamt ist es lebendig und zappelt, und von innen höre ich, wie die Füße poltern.

      Aha, denke ich, ein Dieb, der sich da drin vielleicht die Taschen ein wenig zu voll angestopft hat und beim Herauskriechen unselig steckengeblieben ist. Es ist ein junger Kopf mit krausem Haar, aufgestrichenem Schnurrbärtl, weißem Hemdkragen und rotseidenem Halstuche, wie man das sonst in den Wäldern selten findet.

      Wie er mich gewahr wird, schreit er hell: »Du heiliges Kreuz, aber das ist ein Glück, daß da einer kommt. Erweiset mir die Guttat und helfet mir ein wenig nach, es braucht ja nur ein klein Ruckel. Das ist schon ein verflixt Fenster das!«

      »Ja, Freund«, sage ich, »da muß ich dich früher wohl ein wenig ausfragen. Wissen tät' ich's, wer dich am leichtesten könnt' herauskriegen; der Gevattersmann mit der roten Pfaid, der tät' dir schön sachte das Stricklein an den Hals legen, ein wenig anziehen – gleich wärst in der freien Luft.«

      »Dummheiten«, entgegnete er, »als ob der ehrlich Christenmensch nicht kunnt steckenbleiben, ist das Loch zu eng. Ich bin der Holzmeistersohn von den Lautergräben und geh' heut' über die Alm in den Winkelegger Wald hinab. Wie ich da an der Hütten vorbeigeh', seh' ich die Tür angelweit offen, daß sie der Wind allfort hin und her schlägt, 's ist nichts drin, denk' ich bei mir selber, gar nichts drin, was der Müh' wert wäre, daß sie's forttrügen, aber eine offene Tür in einem stockleeren Haus mag eins nicht leiden; über den ganzen Winter hindurch der Schnee hereinfliegen, das ist keine gute Sach'. Die Sennin muß es eilig gehabt haben, wie sie ab ins Tal getrieben hat – das ist schon die Rechte, die alles offen läßt. – Nu, ich geh' darauf hinein, mach' die Tür zu, und weil gar kein Schloß ist, rammle ich von innen ein paar Holzstücke vor, steig' nachher auf die Bank, will durchs Rauchfenster hinaus und verklemm' mich da, daß es schon des Teufels ist.«

      Ich hab' dem Burschen aber noch nicht getraut und guck' ihm eine Weile zu, wie er zappelt.

      »Und steckenbleiben, meinst, wolltest nicht da unter dem Dach, bis morgen ein paar Leut' kommen und dich kennen täten?«

      Da knirscht er mit seinen Zähnen und macht die heftigsten Anstrengungen, aus seiner bösen Lage zu entkommen.

      »Muß morgen in aller Früh zu Holdenschlag sein«, murmelt er.

      »Was willst denn zu Holdenschlag?« sage ich.

      »Nu, mein Gott, weil eine Hochzeit ist!« brummt er unwirsch.

      »Und mußt 'leicht wohl dabei sein?«

      Er will nicht mehr antworten. »Jessas und Anna, weil ich dazugehör'!« stößt er endlich heraus.

      »Nachher freilich, nachher müssen wir schon trachten, daß wir dich loskriegen«, sage ich, klettere an der Wand ein wenig empor und heb' an dem Burschen zu zerren an, bis wir die zweite Hand heraus haben; dann geht's schon leichter. Nicht lange darauf, so steht er auf dem Boden, sucht seinen davongerollten Spitzhut auf, schlingt sich die steif gewordenen Arme und Beine ein, blickt mit hochrotem Gesicht nochmals empor zu dem Rauchfensterlein und ruft: »Du Höllsaggra, da hat's mich derwirscht gehabt!«

      Dann sind wir in der Dämmerung zusammen hinabgestiegen gegen den Winkelegger Wald. Der Bursche hat nicht recht mit mir reden wollen. Ich habe versucht, meine Bosheit gutzumachen, habe ihm versichert, daß ich's ja gleich erkannt, er sei kein Dieb.

      »Und morgen wirst also zu Holdenschlag bei der Hochzeit sein? Bist zuletzt gar der Brautführer, he?«

      »Der Brautführer, nein, derselb' bin ich nicht.«

      »'leicht hätten sie's zu Holdenschlag auch allein gemacht, wärst da oben steckengeblieben.«

      Er zieht den Hut über die Augen und blickt auf die Baumwurzeln, über die wir nun hinabsteigen.

      »Allein«, meint er endlich, »nein, dasselb' glaub' ich nicht. Wisset, die Sach' geht halt so zu, allein machen sie es schon deswegen nicht, weil – weil's völlig so ausschaut, wie wenn ich der Bräutigam wär'.«

      Dieses Wort gehört, bin ich still gestanden, hab' den Burschen eine Weile angestarrt und gedacht, wie das böse wäre, wenn unten die Braut und die ganze Hochzeit harren und harren täten und der Bräutigam steckt oben im Rauchfenster der Sennhütte. Der junge Mann hat mich hierauf höflich zu seinem Ehrentag eingeladen. Er hat mich geführt; wir sind hinabgestiegen durch finstern Wald bis zum engen Tal des Winkelegg.

      Ein Berg von ausgeschälten Holzblöcken liegt da; das ist der Winkelegger Wald, der auf einer langen Riese Stamm an Stamm herangerutscht gekommen ist. Neben dem Holzhaufen stehen die drei schwarzen, großmächtigen Betten der Meiler, über denen langsam und still milchweißer Rauch emporqualmt zu den Kronen der Schirmtannen.

      Der Holzmeistersohn von den Lautergräben hat mich genötigt, mit ihm in die Klause zu treten, die unter den Schirmtannen steht.

      In der Klause sind drei Menschen, zwei Hühner, eine Katze und die Herdflamme. Sonst habe ich kein lebendiges Wesen gesehen.

      Ein junges Weib steht am Herd und legt Lärchengeäste kreuzweise über das Feuer. Mein Begleiter sagt mir, dieses junge Weib sei seine Braut.

      Hinter dem breiten Kachelofen, der schier bis zur rußigen Decke der Stube emporgeht und der mich, den fremden Eindringling, mit sehr großen, grünen Augen anglotzt, sitzt ein Mütterlein und zieht mit unsicheren Fingern die Buntriemen durch ein neues Paar Schuhe, wobei es sich allfort die Augen wischt, die schon recht abgestanden sein mögen, wie Fensterglas, das lang im Rauche der Köhlerhütte gestanden. Mein Begleiter sagt, dieses Weib sei die Mutter seiner Braut, welche von den Leuten allerwege die Rußkathel geheißen wird.

      Weiter hin, im dunkelsten Winkel, sehe ich eine derbe, männliche Gestalt mit entblößtem Oberkörper, die sich aus einem breiten Holzbecken mit solcher Gewalt wäscht und abreibt, daß sie schnauft wie ein Lasttier.

      »Das ist meiner Braut der Bruder«, erklärt mir mein Begleiter, »er ist der Köhler dahier, und sie heißen ihn den Rußbartelmei.«

      Dann tritt der Holzmeistersohn zu seiner Braut und sagt ihr, daß er da sei und daß er an mir jenen Menschen mitgebracht habe, der allweg in den Wäldern herumgehe und die hohe Gelehrsamkeit habe und der ihnen zum Hochzeitstag die Ehre erweisen werde.

      Das junge Weib wendet sich ein wenig gegen mich und sagt: »Schauet, daß Ihr wo niedersitzen mögt, 's geht halt so viel zerrissen zu bei uns; wir haben nicht einmal einen ordentlichen Sitzstuhl.«

      Hierauf spricht der junge Mann eine Weile leise mit seiner Braut. Ich halte, er hat ihr die Geschichte von der Sennhütte erzählt, weil sie auf

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