Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
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Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 27
Gesungen und gejauchzt wird, daß der Sommertag zittert. Herzensfreudige Lieder habe ich da gehört: Schalkheiten werden getan, althergebrachte Spiele unterwegs gehalten, und es ist schon Mittag, als wir zur Pfarrkirche von Holdenschlag gelangen. Fünf Männer kommen uns entgegen mit Trompeten, Pfeifen und einer gewaltig großen Trommel. Mit einer wahren Festfreudenwut haut der Trommelschläger drein; und das ist ein Gehetz und mächtiges Gelächter, als der Schlägel plötzlich das so sehr gemarterte Fell durchbricht und in den Bauch hineinschießt, um seinem Takte auf dem andern Felle noch rechtzeitig nachzukommen. Ein Bursche schleicht lauernd um den Zug und will uns nach alter Sitte die Braut entführen, allein der Brauthüter wacht. Er wacht eigentlich mehr über seinen Geldbeutel als über die Braut; denn wäre ihm diese abhanden gekommen, der Entführer hätte sie in ein entlegenes Gasthaus geschleppt und der Brauthüter hätte müssen die Zeche zahlen.
Der Bräutigam geht neben der ersten Kranzjungfrau; erst nach der Trauung gesellt er sich als Ehemann zu seiner Gattin, und nun geht der frühere Brauthüter mit der Kranzjungfrau, auf daß gleich der Keim zu einer neuen Hochzeit gelegt ist. Der Brauthüter ist mir wohlbekannt, er heißt Berthold, die Kranzjungfrau heißt Aga.
In der Kirche wird Wein getrunken und der Herr Pfarrer hält eine sehr erbauliche Rede von dem Ehesakramente und den Absichten Gottes. Der gute alte Herr hat sehr schön gesprochen, aber die Leute aus dem Walde verstehen sein Hochdeutsch nicht recht. Erst im Wirtshause, als wir schon alle gegessen, getrunken und Schabernack getrieben haben, ist für die Leutchen die rechte Predigt. Da erhebt der alte, bärtige Rüpel sein Weinglas und hebt an zu reden:
»Ich bin kein gelehrter Mann, hab' keinen Doktornzipf auf und keine Kutten an. Tät' ich mein Weinglas nit haben zur Hand, bei meiner Treu', Leut' ich brächt' kein gescheit Wörtl zustand. Daß die Zung' mir wird gelöst, wie es bei Moses ist gewest, desweg' trink ich den Wein; fällt mir auch leichter ein schicksam Wörtl ein. – Ich bin als der alte Bibelreiter bekannt; wär' ich ein Rittersmann, ich ritt auf einem Schimmel durchs Land. Und in der Bibel, da hab' ich einmal ein Sprüchel erfragt, der Herrgott, das Kreuzköpfel, hat's selber gesagt: Ist der Mensch allein, sagt er, so tut er kein gut; aber sind ihre viel, so tun sie auch kein gut; so probier ich's halt justament zu zwein und zwein, und sperr' sie paarweis' in die Hütten ein. Aber schaut's, da wird gleich die Hütten zu klein. Sie brauchen ein großmächtiges Haus; zuletzt ist 's heilig Paradies zu eng, sie müssen in die weit' Welt hinaus. Müssen hinaus in den wilden Wald und auf stockfremde Heiden, müssen leiden und meiden und zuletzt wieder scheiden. Da hat der lieb' Herrgott seinen Sohn geschickt, daß er sollt die Schäflein weiden. Ich hör' auf das Kreuz wohl drei Hammerschläg' klingen, zur Rechten, zur Linken, zu Füßen – da möcht' einem das Herz zerspringen. Darauf ist geronnen das rosenfarbne Blut, das tut uns den Himmel erwerben. Dir bring' ich das Glas, o Gotteslamm, für dein heiliges Leiden und Sterben!«
Da ist es still gewesen in der ganzen, weiten Stube, und der alte Mann hat das Glas ausgetrunken.
Bald aber füllt er es zum zweitenmal und spricht: »Ihm sei die Ehr', aber es soll der Herr nun in Freuden auch bei uns sein, und darum laden wir zu diesem Ehrentag auch den Herrn Jesus ein, wie auf der Hochzeit zu Kana in Galilä, auf daß er uns mache das Wasser zu Wein, den ganzen Winkelbach, heut' und alle Tag'. Und der Wein ist hell und rein, weiß und rot zusammengegossen, wie die zwei jungen Herzen sein zusammengeschlossen in Lieb' und Ehr', und sonst keiner mehr. Der Wein wird gewachsen sein bei Sonn- und Mondenschein zwischen Himmel und Erden, so wie unsere Seel' von oben ist, und der Leib von der Erden. Und der süße, güldene Wein soll Braut und Bräutigam zur Gesundheit sein.«
Das ist jetzt eine Lust und ein Geschrei, und der Braut gießen sie Wein auf ihren grünen Kranz.
Jeder hebt nun sein Glas und bringt seinen Hochzeitsspruch, sein Brautlied aus dem Stegreif dar. Zuletzt torkelt die alte Rußkath empor und mit unglaublich heller Stimme singt sie:
»Schneid Bimbam,
Schneid Buxbam,
Schneid birn-buxbam'ni Ladn,
Mei Schatz will a buxbamas Bettstadl habn!«
Das ist ihr Trinklied und Hochzeitsspruch gewesen. Wie's jetzt angegangen, da hab' ich gemeint, der Hall und Schall drücke alle vier Wände hinaus in den ruhsamen Abend.
Nach und nach ist es wohl wieder stiller geworden, und die Leute haben ihre Augen auf mich gelenkt, ob ich, der gelehrte Mann, denn keinen Brautspruch wisse.
So bin ich denn aufgestanden: »Glück und Segen dem Brautpaar! Und wenn nach fünfundzwanzig Jahren seine Nachkommen in den Ehestand treten, so wird es in der Pfarrkirche am Stege der Winkel sein. Das möge kommen! Ich leere den Becher!«
So hat mein Brautspruch gelautet.
Darauf ist ein Gemurmel und Geflüster gewesen und einer der Ältesten ist an meinen Platz getreten und hat mich höflich gefragt, wie die Rede gemeint. –
Die ganze Nacht hin hat in dem Wirtshaus zu Holdenschlag die Musik geklungen, haben die Hochzeiter getanzt und gesungen.
Am anderen Morgen haben wir das Ehepaar aus seiner Kammer hervorgeholt. Dann ist eine lange Weile der Brauthüter gesucht und nicht gefunden worden. Wir hätten den Berthold zu einem uralten Hochzeitsspiele, dem Wiegenholzführen, benötigt.
Wer hätte gedacht, daß der wildlustige Bursche in des Pfarrers Stube steht, eine ganze Alpenglut auf seinen Wangen trägt und mit beiden Händen die Krempen seines Hutes zerpreßt.
Der Pfarrer zu Holdenschlag – das muß ein scharfer Mann sein – geht würdigen Schrittes in der Stube auf und ab und sagt mit väterlicher Stimme die Worte: »Zähme dich, mein Sohn, und bete, verlängere dein Abendgebet dreimal oder siebenmal, wenn es nötig ist. Die Versuchung wird weichen. – Heiraten! Ein Habenichts, wozu denn? Hast du Haus und Hof, hast du Gesinde, Kinder, daß du ein Weib brauchst? – Nun also! – Auf den Bettelstab heiraten, die Narrheit geht nicht an. Wie alt bist du denn?«
Auf diese Frage errötet der Bursche noch mehr. Es ist eine schauderhafte Blödheit, wenn einer sein Alter nicht weiß. Und er weiß es nicht. Um zehn Jahre wird er nicht fehlen, wenn er aufs Geratewohl zwanzig sagt.
»Werde dreißig, erwirb dir Haus und Hof, und dann komme wieder!« ist des Pfarrers Bescheid. Darauf geht er in die Nebenstube, und der Berthold bleibt stehen und ihm ist, als müsse er noch was sagen – ein gewichtig Wort, das alle Einwände zu Boden wirft und der Herr beigeben muß: ei, das ist ganz anders, dann heiratet in Gottesnamen.
Aber der Bursche weiß kein Wort, das es vermöchte zu deuten und hell zu künden, warum er eins – ewig eins sein will mit Aga, dem armen Almmädchen.
Da der Pfarrer nicht mehr zurückkehrt aus der Nebenstube, sondern in derselben sein Frühstück verzehrt, wendet sich der Bursche endlich traurig der Tür zu und steigt die Treppe nieder, auf der er vorher wie auf einer Himmelsleiter mit voller Zuversicht emporgestiegen war.
Aber auf der grünen Erd' angelangt, ist er ein anderer. Und es ist ein Arg' gewesen, wie der Bursche sich an diesem zweiten Hochzeitstage übermütig toll gebärdet hat.
Am Nachmittage haben sich gepaart Mann und Weib, Bursch und Magd; der Andreas Erdmann hat sich zum alten, bärtigen Rüpel gesellt, und so sind wir alle zurückgegangen in die Wälder der Winkel.
Zweiter Teil