Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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es ist Blut!«

      »Mach’ keine Sachen, guter Freund, stelle Dich hin und laß warmes Wasser d’rauf – beißt alles weg.« So rieth der Hirt.

      »Du hast leicht Spaß treiben,« sagte der Bursche mit traurigem Blick, »Du weißt nicht, wie mir ist.«

      »Das kann ich mir denken, wie’s übel thut, wenn Einen der Teufel holen will. Giebt aber ein gutes Mittel dagegen, wundert mich nur, daß Du darauf noch nicht verfallen bist.«

      »Blut,« murmelte der Jüngling.

      »Hast ganz Recht, ist aber ein Unterschied, wie man’s braucht,« sagte der Hirt und machte ein wichtiges Gesicht. »Solltest Du denn noch nichts gehört haben von jenem Zauberkreis, in dem der Teufel keine Macht hat? – Deine Liebste, von der Du mir vorhin hast erzählt, wo ist sie denn?«

      »Sie soll der Seuche wegen mit dem Bart in den Ritscher geflohen sein, aber wie ich gehört, leben sie Alle zurückgekehrt wieder im Haus des Bart.«

      »Hast die höchste Zeit,« meinte der Flachsgelbe, dann zog er den jungen Mann etwas beiseite und flüsterte ihm in’s Ohr: »Von der Liebsten laß Dich umfangen, das ist der Zauberkreis.«

      Im Auge des Jünglings zuckte ein Feuer auf, bald aber verlosch es wieder in der Traurigkeit und er machte eine abwehrende Geberde.

      »Ganz im Ernst, mein Freund,« betheuerte der Hirt und seine Auge war jetzt offen und hell, schalkhaft und treuherzig zugleich; »Du, ich weiß mehr, als daß der Wald finster ist. In den Armen der liebsten – aber die einzige und rechte Liebste muß es sein.«

      »Das bist Du, Sela!« Rief Erlefried aus.

      »In Ihren Armen bist sicher!«

      Erlefried soll in demselben Augenblicke ganz erstarrt gewesen sein. Welch ein Ausblick! Ja, jetzt stand’s in ihm auf, was er selbst oft vernommen in alten Geschichten: Wer ein treues Lieb hat, in seinen Armen kann ihm der Böse nicht bei. Rasch verbrüderte sich dieser erwachende Glaube mit seinen Sinnen. Er verließ den Stein und den Hirten, und noch eiliger, als er hierhergekommen, lief er davon.

      Er verschmähte die sich schlängelnden steige, er brach durch Gestrüppe, er eilte über Bößen und Heiden, thalab, bergauf, immer gerade aus und hin gegen das Haus des Bart. Es war ja möglich, daß er es noch vor Mitternacht erreichte und ihr zu Füßen liege zur Stunde, wenn die Prozession zum Opferstein in der Schlucht gelange.

      O, zu ihr, und ihr zurufen: Hilf mir, mich hat das Glück verlassen, Sela, mich hat Gott verlassen! und ihr alles sagen. Und wenn sie verzeiht, dann ist alles gut, er weiß es, dann ist er gerettet, er weiß es gewiß!

      Der nächtige Himmel war übersäet von funkelnden Sternen; dem Jüngling war, als schauten alle nur auf ihn herab, ihn anfeuernd auf seinem Wettlauf, ihm leuchtend und für ihn zitternd. Die Himmlischen! sie wissen wohl, es handelt sich hier um eine Seele. Eine Sternschnuppe glitt rasch, als wollte sie ihm Wegweiser sein, in der Richtung gegen das Haus, wo Sela war, dahin.

      Als Erlefried auf dem aschigen den Tärn hinanging, sah er draußen in den Wäldern des Dürrbachgrabens Lichterschein. Nicht lange, und er bemerkte auch die Fackeln. Der Zug war bereits auf dem Wege – die Procession hatte begonnen.

      Erlefried beschleunigte seine Schritte und seine Angst steigerte sich. Es schien ihm kaum mehr möglich, das noch ferne Haus zur rechten Zeit zu erreichen. Dort und da standen halbverkohlte Strünke; mancher schien, als bewege er sich. Einer trat aus der Gruppe hervor und ging dem Fliehenden nach. Ganz langsam ging er ihm nach und doch schien er mit dem Eilenden gleichen Schritt zu halten.

      Der Fackelzug kam immer weiter die Bergschlucht herauf; voran auf hoher Bahre loderte eine mächtige Flamme, die von zahllosen anderen umtanzt und umzingelt wurde. Dann folgte die lange Schaar von Menschen und Fackeln, theils hell schimmernd, theils vom Rauchqualm verschleiert. Weithin im Walde tönte der vielstimmige Gesang; sie sangen phantastische Worte nach alten Weisen. So wallten sie heran und immer näher kamen sie der Schlucht, in welcher der Altar stand. In der vor bösem Glauben und vor Angst aufgeregten Phantasie Erlefried’s hielt dieser sich für verloren. Er wagte es nicht mehr, umzuschauen, aber er glaubte hinter sich das Traben und Schnauben des höllischen Verfolgers zu vernehmen: Er prallte an Stock und Stein, aber er achtete es nicht, er fiel zu Boden, daß die Asche um ihn stob, er raffte sich wieder auf und oft schien es, als berühre sein Fuß den Boden kaum. Die Flächen dehnten sich weit und weiter, die Gegend, der er zustrebte, lag immer gleichmäßig in einem dunklen Streifen da.

      Die Feuerprocession hatte ihr Ziel noch nicht erreicht, aber sie hielt Rast und die Fackeln kreisten in einem weiten Ring um die große Flamme, der man in harzigen Holzspänen neue Nahrung gab. Erlefried sah einen Strahl von Hoffnung. Wenn sie längere Zeit stillstanden, wenn sie noch mehrmals auf ihrem Wege anhielten – wie ja auch die kirchliche Gottsleichnams-Procession viermal Station hält – so konnte er vielleicht sein Ziel erreichen. Des Menschen Wahn ist des Menschen Schicksal, und Erlefried, keines vernünftigen Gedankens mehr fähig, nur von Phantomen umgaukelt, bildete sich ein, daß mit jenem Augenblicke, als die Schaar zum Opfertisch in der obersten Engschlucht gelange, er seinem Schicksal verfallen sei.

      Er lief mit erneuter Kraft. Nur zu bald bewegte sich unten wieder der Zug und dehnte sich, und das Haus des Bart, wie weit war es noch entfernt! Dem Flüchtling graute, als er gewahr wurde, daß er erst auf jener Höhung des Tärn war, wo das Kreuz gestanden. Er mußte über eine Mulde setzen, da kam ihm der Zug unten in der Schlucht aus den Augen, und als er ihn wieder sah, war er nahe dort, wo die jähe Felswand den Enggraben abschließt. Dort stand der steinerne Tisch, er widerleuchtete schon im Scheine der nahen Fackeln.

      Im lauten Pochen seines eigenen Herzens glaubte Erlefried die Schritte des Verfolgers zu vernehmen; sie kamen immer näher, seine Füße zitterten, sein Athem wollte ihm versagen. Schon war er daran, hinzustürzen, sich aufzugeben für alle Ewigkeit, da kam ihm noch der Gedanke: das Kreuz! Es ist in der Nähe, fliehe zum Kreuz.

      Er lief die Kuppe vollends hinan. Dort lag der morsche Holzpfahl hingestreckt auf dem Boden. Erlefried that einen Angstschrei zum Himmel: »Wenn ich schon sie nicht kann erreichen, o Herrgott Jesu! rette mich an Deinem Kreuzesstamm!« dann fiel er hin aufs Holz, und dort blieb er mit ausgestreckten Armen bewußtlos liegen.

      Ja, bei der nächtlichen Procession, da war alles dabei, was sich rühren konnte in den Waldthälern von Trawies.

      Die begeisterte Lehre des zum Seher und Propheten gewordenen Mannes auf dem Johannesberge hatte Alle hingerissen. Das Feuer ist der Weltschöpfer, der Weltreiniger und der Welterlöser! das leuchtete Allen ein. Das stimmte auch mit dem alten Glauben und ist doch ein neuer, befriedigt das religiöse Bedürfnis so gut wie ein anderer, giebt Anlaß zu Festgepränge und ist nicht abhängig von dem Pfaffenthume.

      Den Wahnfred hatten sie herabgeholt von seinem Berge, hatten ihm einen langen rothen Paltrock umgeworfen, und er mußte hinter der Lade, in welcher die heilige Flamme loderte, einhergehen als der hohe Priester. Vor dem Zuge gingen einige Kinder und streuten grüne Blätter und junge Blumen auf den Weg. Darüber hatte sich zu Beginn der Procession ein Streit erhoben. Der Sandhock und der Waldhüter und Andere behaupteten, diesem Zuge streue man nicht Blumen, sondern Asche. Vom Feuer komme Asche.

      Aber die Gegner sagten: die Sonne sei auch ein Feuer, und von der kämen die Blumen; diese behielten Recht.

      Die Anderen murrten grimmig und meinten, man müsse erst sehen, es würde noch Asche genug geben.

      Sie hatten – ach wie ahnungslos – ein Prophetenwort gesprochen. Unter den mannsleiten

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