Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
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»Laß Dein Besinnen, Dich geht’s weiter nichts an.«
»Daß Du nicht bei Laune bißt, junger Mann, das kann ich mir denken, nur mußt ein Freundeswort nicht gleich in den Wind schlagen. Und seit ich weiß, daß Dich der Teufel holen will, bin ich Dein Freund. Wir zwei, wie wir da liegen im Haselbusch, wir sollten dem schwarzen Schelm doch eine Nase drehen. Bei Deiner Jugend müßt’s ein Wunder sein, wenn Du nicht etliche Tropfen überflüssiges Blut hättest.«
»Was willst sagen?« fragte Erlefried seelenlos.
»Weil ich ein Mittel weiß. Mit Deinem Blut, sagst, hättest Du Dich am Teufelsstein unterschrieben? Ich frag’ nicht, warum, das möchte Dich jetzt leicht verdrießen, ich sag’ nur: soll die Unterschrift null und nichtig sein, so muß sie wieder mit Blut abgewaschen werden.«
»Wäre das wahr?« fragte Erlefried gespannt.
»Ich hab’s hundertmal gehört und in der Geschichte vom Räuberhauptmann ist’s auch so. Der hat eine ganze Truhen voll Messer gehabt. Und mit jedem von diesen Messern hat er einen Menschen umgebracht. Und wie der Tag kommt, daß ihn der Teufel sollt holen, nimmt er ein Messer ums andere und schneidet sich mit jedem ein Stück vom eigenen Leib, und so lang, bis er todt zusammengefallen ist. In demselben Augenblick ist aus seinem Herzen eine weiße Taube gen Himmel geflogen und der Teufel hat das leer Nachschauen gehabt. Du mein junger Herr, wie Du dastehst, schaust mir nicht aus, als ob du so viele Leut’ aus der Welt gesetzt hättest, das umgekehrte Theil schon eher, so wirst auch nicht viel Stück Fleisch von Deinem Leib schuldig sein worden. Nimm Dir einen Finger ab, wirst damit löschen genug.«
»Ich weiß, was ich thue,« sagte Erlefried, stand auf und ging davon.
Die Gedanken gewannen bei seiner phantastischen Natur rasch Gestalt. Die Rettung seiner Seele ging ihm über alles. War die Erde auch verloren, so wird er doch in einer anderen Welt seiner Sela wieder begegnen. Hienieden darf er ihr nicht mehr vor Augen treten. Selbsterlösung aus sündigen Banden! Das ist jetzt sein Gottbekenntniß, sein Weg zum Himmel. Er eilt durch den Wald, er eilt über die Steppe, er eilt dem grauen stein zu, wo sein Name steht.
Er will den Namen löschen mit Blut.
Auf dem grünen Waldanger liegt der Stein noch heute. Er ragt wie ein kleines Haus und hat stumpfe Ecken und verwitterte Flächen. Er konnte nicht aus der Erde herausgewachsen sein, wie sonst die Leute sagen, wenn durch allmähliches Wegschwemmen des Erdreiches Steine immer mehr bloßgelegt werden. Dieser scheint im Gegentheile immer mehr in den Grund zu wachsen, als müsse er nach dem Volksworte »vor Schand’ neun Klafter tief in die Erde sinken«.
Ursache mag er haben, sein Leumund ist darnach. Häufig begegnet man in den Alpen der Sage, daß der Teufel, dem für den Flug in den Himmel die Flügel zu sehr gestutzt worden waren, von der Erde bis ins Reich Gottes eine Stiege bauen wollte, um es wieder zu erobern. Diese Mär ging auch hier. Auf die Spitze des Trasank soll der Teufel von weit und breit das Baumaterial zusammengeschleppt haben. Als der dann baute und mit seinem Bau ins Firmament hinauf kam, war’s dort so fest gewölbt und die Sonne und die Sterne blendeten den Schwarzen derart, daß er sein Unternehmen aufgeben mußte. Darüber arg erbost, schlug er mit seiner Faust so heftig inden Bau hinein, daß die Trümmer in alle Enden flogen. Einer dieser Steine fiel dann in den Wäldern von Trawies zu Boden und wurde der Teufelsstein genannt, und trägt diesen Namen bis auf den heutigen Tag. Für Trawies hat dieser Stein aber noch obendrein grauenhafte Bedeutung gewonnen, da der Wahn herrschte, daß Jeder, der mit eigenem Blute seinen Namen auf den Stein schreibe, die Erfüllung seiner Wünsche erlangen könne, nach einer bestimmten Zeit jedoch dem Teufel verfallen sei.
Jahrhunderte lang mochte auf dem Felsblocke nichts als Moos zu sehen gewesen sein. Aber zur Zeit der Verbannung schabte man die Flechten los, grub die in den Spalten keimenden Pflanzen aus und legte die Flächen bloß. Bald waren sie bekritzelt von oben bis unten, seltsame Worte und Zeichen prangten in rostiger Farbe. Heute ist bis auf wenige dunkelrothe Spuren, die mancher Waldgänger noch für Menschenblut hält, alles weggespült.
Diesem Steine nun war unser Erlefried zugeeilt, jetzt wie vor einem Jahre.
Die Waldgegend war schon abendlich. Am Himmel zogen sich leichte Nebelbänke; es war nicht sonnig und es waren auch keine scharfen Schatten. Es war eine stille ernste Stimmung und die Baumzweige und die Farrenkräuter waren wie versteinert.
Erlefried hatte sich an einen gewaltigen Strunk gelehnt und starrte hinaus in die Welt. Er sah die Spitze des Johannisberges, zu dessen Fuß das liebe gestade lag. Er sah die Hänge des Trasank, an welchen er als Knabe flink und lustig wie eine Gemse herumgeklettert war. In jenem engen Thalkessel kiegt das kleine Trawies, wo er einst heilige Worte von Gott vernommen, und den Glockenklang und den Orgelton. Alles verklungen. Dort sag er die Höhe, hinter welcher das Haus des Bart lag und im Vordergrund ragte die kahle Kuppe, auf welcher das Kreuz gestanden, zu dem er mit Sela im vorigen Herbste gezogen war.
»O, könnte ich es noch einmal haben, mein liebes Leben,« so schluchzte der junge Mann und verhüllte sein Angesicht. »Alles leiden vom Gestade an, wo ich Kind gewesen bis zum Kreuz im Tärn, ich wollte es gern noch einmal tragen, ich bin so glücklich gewesen. O Du mein ewiger Herrgott, laß mich noch einmal anfangen, das zweitemal will ich den rechten Weg finden. Da unten kommen sie jetzt zusammen, um Dich im Fuer anzubeten. Bist Du jenes Feuer, das den zu Tode gehetzten Reiher verzehrt und aus der Asche den jungen Phönix erweckt, so bete ich mit ihnen! Ich will noch nicht Erde werden, o heiliger Gott, ich will noch nicht ins unbekannte Land, ich möchte so gern leben.«
Es war keine Antwort und allmählich ging der Tag in die Dämmerung über.
Erlefried raffte sich auf: »Es giebt keine Umkehr und keine Wahl, es muß sein.«
Mit einigen Schritten stand er vor dem Felsblock.
Er stutzte. Auf dem Steine eine Menschengestalt. Ein Mann war’s, der hatte flachsgelbe, aus einer weißen Wollenhaube an beiden Seiten des Gesichtes lang herabhängende Haare, gelbe Augenbrauen und wasserlichte Äuglein, eine lange Spitze Nase und ein spitziges Kinn. Den Mund hatte er zusammengekniffen und schmunzelte so in sich hinein. Dabei ließ er die nackten Füße – das leinerne Beinkleid war bis zu den Knien aufgewunden – über den Stein hinabgängeln. Ein Hirte mochte es sein. Er saß auf dem Fels, wo Erlefried’s Name war. Der Jüngling stand hinter einem Baum und wollte warten, bis sich der flachsgelbe Mensch entfernen würde. Aber dieser blieb sitzen und trillerte ein Liedchen ums andere und ließ die Beine hin und her baumeln.
Die verhängnisvolle Nacht zog immer höher herauf und alles dunkelte. Da war keine Zeit zu verlieren, und, wie oft genug erzählt worden, der Böse findet sich genau zur Stunde ein. Wenn er aber schon dort säße und wartete? In Jäger und Hirten verkleidet er sich gern. – Der auf dem steine trillerte:
»Lieber Freund, ich frage Dich,
– Lieber Freund, was fragst Du mich?
Sag mir, was ist Eins?
– Eins und Eins ist Gott allein,
Der da webt und der da schwebt
Im Himmel und auf Erden.«
Erlefried athmete auf. Der Teufel ist es nicht. Er trat hin und fragte den Hirten: »Was machst Du da?«
»Ich singe mein Abendgebet,« atwortete Jener gleichmüthig und trillerte weiter:
»Lieber Freund, ich frage Dich.