Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 222
Am heiligen Ostersonntage war’s, da hörte er eine Predigt von dem todten und begrabenen Heiland. »Ihr Menschen, die Ihr ihn mit Eurer Sünde getödtet und begraben habt; Ihr verlaßt die heilige Gruft und geht den Weltfreuden nach. Aber zwischen den Schätzen und der Luft dieser Welt werdet Ihr glücklos irren, werdet hungern und dürsten und nicht gesättigt sein, werdet Euch selbst verzehren, werdet verloren und verdammt sein. Selig, der noch zu seiner Stunde umkehrt zu seines Heilandes stillem Grab. Die Thränen der Reue werden tönend auf die Felsgruft fallen und den Heiligsten erwecken. Er wird auferstehen und seine Liebe und Gnade dem Menschenkinde wieder schenken. Darum, Du armer, gottloser, gottverlorener Sünder, heute, an diesem glorreichen Tage des Sieges wende Deine Wege, kehre um, und dort suche Deinen Gott, wo Du ihn verloren hast.«
Diese Worte des Predigers schlugen tief in das Gemüth des träumerischen Jünglings und er beschloß, zurückzukehren nach Trawies. Er sagte sich, daß er Antheil habe an der Schuld seiner Heimatsgemeinde, und, daß er ein treuloser Wicht sei, wenn er sich der Sühne entziehen wolle. Stets gefesselt im Wahne, dem Bösen verfallen zu sein, war er nun entschlossen, sich demselben wieder zu entringen, jenen Namen, den er auf den stein geschrieben, auszulöschen.
Andererseits hatte ihn, das Kind der Berge, Heimweh erfaßt, Heimweh, die dämonische Macht, die schon Manchen aus besseren Gehenden in die Leiden und das Elend der Heimat zurückgezogen hat. endlich hatte ihn die Sehnsucht gepackt nach dem Hause des Bart am Tärn und seinen Bewohnern, die Sehnsucht nach Sela, der lieben Verlassenen. Sie muß ihm verzeihen, sie ist sein Engel, in ihre Arme will er sich flüchten ...
Erlefried trat vor seinen Dienstherrn hin: »Habet Dank für das Gute, das mir in Eurem Haus zu Theil geworden ist. Nun will ich wieder davongehen.«
»ich weiß es wohl,« antwortete der Bauer, »aber bis zur Hochzeit wirst Du Dir bei mir doch Zeit lassen.«
»Bis zu welcher Hochzeit?«
»So! Du gestehst es heute noch nicht ein? Wollt’ mich gefreut haben, Erlefried, wenn Du mich werth gehalten hättest, daß ich Deine Sach’ nicht erst von fremden Leuten hätt erfahren müssen. Aber so seid Ihr jungen Leut’, vermeint weiß was für ein geheimniß in Euch zu hüten, dieweilen weiß es der ganze Haus. Bigott, ‘s ist viel von Dir, daß Du alle Anderen ausgestochen hast, ‘s ist viel! Vermeine schier, das kommt, weil Du im Kloster bist aufgewachsen. Donners-Junge, wie Du dahstehst! Nun, ich wünsche Dir Glück, bist jung, bist brav, bist gut genug für sie.«
Der Bursche schaute drein. Mit Mühe wurde es ihm klar, was dahinter stak. Nachbar Erhard hatte eine Tochter, die schöne Trull genannt, des Bauers einziges Kind und heiratsmäßig. Aber stolz! Sie gehörte zu Jenen, die darauf aus sind, den Männern das Herz zu brechen. Sie wußte Manchen anzuwärmen, um dann plötzlich ihren Spott wie einen eiskalten Sturzbach über ihn zu gießen. Als ihr aber Keiner mehr anbiß, sagte sie ganz laut: In der Gegend gefiele ihr Keiner! Seit Erlefried in der Gegend war, sagte sie es nicht mehr. Sie lauerte dem Burschen nach und that es so auffällig, daß alle Leute es merkten, bis auf Einen: Erlefried merkte es nicht.
Und als es ihm nun laut und deutlich gesagt wurde, die schöne Trull habe ihn lieb, wollte ihn heiraten! Da kam eine wunderliche Freude in sein Herz, er wußte nicht, was er that, er lief allsogleich ins Haus des Erhard und fragte der Trull nach.
Der Erhard war nicht mehr jung, empfing den Burschen gar freundlich und konnte nicht genug sagen, wie es ihn freue, daß der junge Knecht des Nachbars, von dem er schon so viel Braves gehört habe, sich endlich einmal in seinem Hause sehen lasse. Ja so, die Trull suche er, na, die würde sich erst recht freuen, sie sei in ihrer Kammer, er möge nur eintreten. – Die Trull war nicht mehr in den Jahren, in welchem das Mädchen unwillkürlich erröthet, wenn ein junger Mann eintritt, sie erröthete daher etwas willkürlich, aber deshalb nicht minder reizend. Auch schlug sie die Augen nieder – und schön war sie wirklich. Erlefried müßte nicht vom Teufel besessen gewesen sein, hätte er den guten und braven Gedanken, mit dem er eingetreten war, ganz rein bewahren können. Aber noch rechtzeitig dachte er daran, was er sich vorgenommen hatte, und so sagte er: »Es geht, meine liebe Jungfrau Trull, ein Reden um bei den Leuten. Sie wird gewiß auch schon davon gehört haben, und wenn es wahr sollt’ sein, daß mich die Jungfrau leiden mag, so müßt’ ich mich überaus freuen. Und müßt’ mich, meine schätzbare und schöne Jungfrau, bedanken für die gute Meinung, und daß ein Mensch wie Unsereiner, dem nichts Gutes anliegt, auf dieser lieben Welt noch Anwerth hätt’. Iust einem Menschen, wie ich bin, möchte das zu tausendmal gefreuen, daß er gar nicht wüßt’, wie er den Dank sollt’ abstatten. Ich kunnt nichts Besseres dagegenstellen, Als Aufrichtigkeit. Ich wollt’ gewiß der Rechte sein und meine Pflicht und Schuldigkeit abstatten – aber ich hab’ halt mein Herz schon verschrieben.«
Die letzten worte sagte er gar wehmüthig, man weiß nicht, hat er dabei an Sela gedacht, oder an den grauen Stein im Tärn.
Die schöne Trull war rasch aufgestanden und hatte gesagt: »Was geht mich das an? Ich kenn’ Ihn nicht. Ich werde meinen Vater rufen, wenn Er sich nicht allsogleich davontrollt!«
Der alte Erhard wußte nicht, wie ihm geschah, als Erlefried still wieder abzog; und die schöne Trull, die arme Trull! Der Chronist hat unterlassen, zu beschreiben, was sie hat leiden müssen. –
Und Erlefried wanderte. Eine Weile plagte ihn das Bewußtsein, daß er hier auf dem flachen, sonnigen fruchtbaren Lande ein Glück und eine Zukunft verscherzt habe, und daß er, weiß Gott, unendlichem Jammer entgegengehe. Aber er ging doch, es zog ihn dahin, rascher und rascher stürzte er der unseligen Heimat zu. Nun fragte er Niemanden mehr, wie man ihm wohl rathe. innerlich erbebend vernahm er Kunde von dem Grassiren des schwarzen Todes in Trawies, aber er ging unaufhaltsam vorwärts. trübe und zornig flutheten ihm vom Gebirge her die Frühlingsbäche entgegen, die Bergeshöhen blinkten noch im Schnee, aber darüber lag das unendliche Blau, mit leichten Wolkenschäumen durchzogen, und über dem Haupte des Wanderers zogen die Schwalben gleich ihm den waldigen Bergen zu.
Wohl dehnte sich dort über weite Höhungen hin eine graue, todte Fläche, auf welcher kein Baum stand, sondern hie und da gar gespenstig ein schwarzer Strunk aufragte. Das war der Tärn. Selbst das Kreuz, welches nach dem Sterben des Waldes noch lange auf der einsamen Höhe gestanden war, hatten die Stürme des letzten Winters geknickt, hingeworfen das letzte Zeichen von der christlichen Gemeinde, die einst im Frieden der Berge hier gelebt. Erlefried war manchen Tag und manche Nacht gewandert; die Tage waren lieblich, es war in den Maien; die Nächte waren finster, es war zur Neumondzeit.
Endlich hatte er die Grenze erreicht. Er stand still und schaute noch einmal in die weite Welt hinaus, noch gehörte er ihr, noch war er frei. Es war ihm zu Muthe, wie dem Selbstmörder, der am Rande des Abgrundes steht: noch einmal schaut er ins Sonnenlicht, noch einmal schreit er auf: Ich kann nicht anders! Und stürzt sich in die Tiefe.
Als Erlefried die Markung von Trawies übersprungen hatte, stieß er einen schrei aus, der war wie ein Jauchzen. Mit dem Fuß stampfte er auf die Erde, das war wieder Boden! Heißer rollte in seinen Adern das Blut. Das bange Gefühl des Verlorenseins war weg; hier wird ihn der Böse nicht mehr tückisch umlauern, im Schlaf überfallen, hier wo der Teufel daheim, mag er ihm ganz offen entgegentreten und das ist besser. Er soll ihn in Ruhe lassen, noch ist in Trawies nicht Gottsleichnam!