Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 219
Man vertheidigte sie: Warum sollte dieses Weib nicht den Teufel brauchen? Alte Weiber sind dazu auf der Welt.
Und gar jetzt, wo ganz Trawies dem Teufel angehört! Warum soll Eins nicht tapfer darauf loshexen! Man kam zur Alten, um von ihr zu lernen, doch sie sagte, sie nehme ihre Kunst mit ins Grab.
Als nun aber der neue Glauben aufgekommen war und die Leute wieder einen Gott hatten, begannen sie gegen den Teufel feindselig zu werden. Die Alte bäumte sich noch dazu auf und lästerte den neuen Glauben als eine Ketzerei. Sie verfolgten die Hexe, fingen sie ein und schleppten sie nach Trawies, wo man sie verbrennen wollte. Schon versammelten sich die Leute zum Spectakel und trugen Holz herbei und eilten um die Wette, den Scheiterhaufen recht hoch zu bauen, während das Weiblein todtenblaß und geknebelt an einem Baumstamm kauerte und mit stieren Augen den fleißigen Leuten zuschaute. Da kam Wahnfred herbei. Er meinte anfangs, sie bauten ein Haus und freute sich der Emsigkeit seiner Trawieser. Als er aber sah, was hier geschehen sollte, gerieth er in Zorn und rief: »Ist Euer Hirn dahin? Ist die Kofelarztin eine hexe, was wollt Ihr sie in die Arme Gottes schleudern! Wollt Ihr das Feuer verunreinigen? Laßt die Alte laufen, ist sie des Teufels, so entkommt sie ihm nicht.«
Sie sahen es ein, ließen das Weib frei und leisteten dem Feuer Abbitte. –
Wahnfred hatte lange schon auf Mittel gesonnen, die Leute zu beschäftigen, ihnen eine Art von Frohndienst aufzulegen, der sie im Zaume hielt. Ihr Wahn sollte dabei sein Bundesgenosse und Zuchtmeister sein. Nun er sie beim Schichten des Scheiterhaufens gesehen hatte, kam ihm der Gedanke: Ein Tempelbau.
Die Leute von Trawies müssen ihrem Feuergott einen Tempel bauen. Das soll ein Bau werden, wie diese Berge noch keinen gesehen haben, ein festes gewaltiges Haus, aus Urwaldstämmen gezimmert, eine Burg für den Priester und Herrn, ein Hort der Gemeinde, der Kern des neuen Trawies. Aber nicht im Thale soll dieser Bau stehen, wo die Wässer graben, und wo er von der nächsten Höhe aus beherrscht werden könnte. Das alte Trawies mit seiner Kirche soll verfallen, um die Dreiwand soll eine Wildniß wuchern. Das neue Haus wird auf hohem Berge stehen und in der Sonne leuchten wie eine flammende Gesetzestafel.
Eine flammende Gesetzestafel! Sollte in dem Haupte des düsteren Wahnfred schon jetzt, da er den Tempel plante, die Ahnung gedämmert haben von dem, was da oben auf dem Berge des Johannes später geschehen ist?
Voll des Geistes, Trawies seinem Elende zu entreißen, es zu erheben, zu stärken und wieder der menschlichen Gesellschaft gerecht zu machen, stieg Wahnfred auf den Berg. Der Scheitel desselben war eine kleine felsige Fläche, die nach drei Seiten schroff abfiel. Auf dieser Fläche zeichnete er mit seinem Stabe in Sand und Erde den Grund des Baues.
Ihr blickt den Erzähler fragend an – fragend: welche Wege wird er Euch nun führen müssen? –
Es ist tiefe Nacht und zwei Flämmlein sehen wir vor uns dahinflackern. Das sind die Spuren der Gottsucher, der Himmelsucher, diesen müssen wir folgen. Den Propheten des Feuers wissen wir auf dem Berge des Johannes. Aber es ist noch ein Anderer, der seinen Gott und seinen Himmel in einem anderen Feuer sucht – in der Gluth eines liebenden Herzens.
Der Sohn des Wahnfred, der mitten in der Öde seiner Abgeschlossenheit tief innen die Leidenschaft der jungen Lust erfaßt hatte, der lebensfreudige, liebesdurstige Erlefried – was ist aus ihm geworden?
Seit jener Abendstunde, da er, einer Stimme folgend, hinangestiegen war gegen die Wände des schründigen Torfstein, an dessen Fuße sich zur Zeit der Brand erhob, war Erlefried nicht mehr gesehen worden. Ein einziger Mensch, den er fand, mit dem er war, der sah in nicht, den der war blind.
Bertha, die junge Gefangene in der Felsenhöhle, hatte oft und oft versucht, einen Ausgang, eine Erlösung zu finden; aber sie fand sich im Labyrinth der Grotten und Schachte nicht zurecht und war immer noch froh, wenn sie das an die Wand geschmiedete Lämpchen wieder schimmern sah und sie tief erschöpft niedersinken konnte auf ihr weiches Lager. Sie hatte aufgehört zu sinnen und zu grübeln, warum es so mit ihr sei, sie glaubte nicht mehr an das, was sie sah und empfand, hielt alles für eine Täuschung der Sinne und hatte sich vertraut gemacht mit dem Gedanken: die Nacht des Wahnsinns sei über sie gekommen.
»Du närrische Bertha,« so sprach sie häufig mit sich selbst, »was peinigst du dich so, du bist nur krank. Das ist der Johannesberg, und das ist das Haus und die Stube, und das ist nicht der Schreckliche Mann, das ist die gute Mutter, die dir das Bett macht und das Haar flicht. Mußt es mir nicht für Übel halten, Mutter, daß ich so ungeberdig bin, ich bin so viel krank und es kommen mir Sachen vor, daß es ein grausen ist. Diese Höhle, wenn ich mir nur die einmal aus dem Kopf schlagen kunnt, und wenn ich den fremden Menschen nicht immer an der Seiten hätt’, er grinst so, er sagt, er ist der Teufel, ich glaub’s schon, ich glaub’s. – Im Gottesnamen, ich mach’ die Augen zu, Mutter, mußt nicht weinen.«
Da war’s aber doch an jenem Tage, als der Wald zu brennen anhub, als ihr unheimlicher Wirth nicht kommen wollte und sie zu hungern begann, daß sie neuerdings nach einem Ausweg spähte. Sie trieb sich fort in den finsteren Löchern, sie kletterte und kroch, und wo der Weg aufhörte, da riß sie lockere Steine von der Wand und grub und Grub, als wollte sie sich noch tiefer in den Berg hineingraben. So trieb sie’s eine Weile, bis mit einemmale die Wand vor ihr zusammenfiel und ein greller Blitz an ihr Auge schlug. Aber nur ein einziger kurzer Strahl; derselbe Augenblick, der ihr das Tageslicht wieder gezeigt, stieß sie in die ewige Nacht – zerstörte ihre in der langen Dunkelheit geschwächten Sehnerven, machte sie blind. Sie fühlte es alsobald, wie das jetzt anders war, sie fühlte das Licht, sie athmete die klare Luft, sie empfand es: die Freiheit war da! und sie konnte nicht sehen. Es war nicht mehr die Nacht mit dem schwarzen Schatten und dem mattrothen Scheine der Lampe, es war das Grau eines undurchdringlichen Nebels, in welchem eine Weile noch bunte Sternchen kreisten und sich der plötzliche Strahl noch nachspielte in mannigfaltigen Formen, bis allmählich alles verschwamm und alles verdämmerte und nichts mehr war als grau und grau.
Bertha schmiegte sich an den Felsen, denn sie hatte mit ihrem Fuße einen Abhang getastet, sie klammerte sich an einen Stein und rief um Hilfe.
Das war der Schrei, den Erlefried am Teufelssteine vernommen hatte.
Er glaubte, Sela, die ihn im Walde verlassen, werde ihm nun zugeführt und rufe ihn; er war sehr erstaunt, als er hoch am Felsenhang das fremde, blasse, dürftig gekleidete Mädchen sah. Als sie seine Schritte hörte, rief sie nicht mehr, kauerte bewegungslos da.
Der Abend war schon dunkel und am Himmel glühten Sterne. Erlefried sah nicht empor. Er strebte mit ausgebreiteten Armen dem Weibe zu.
Lange währte es freilich nicht, so wurde ihm klar, welch ein elendes Wesen ihm wimmernd in die Arme gesunken war. Abgezehrt bis zum Tode, blind, wahnwitzig war sie – so hatte er dieses Mädchen gefunden.
Sie weinte, als sie seine junge warme Hand empfand, sie klammerte sich an den schlanken, behendigen Leib, sie betete laut und sie redete von Dingen, die er nicht verstand.
Er geleitete sie mit Mühe den wüsten Steig hinab zu Thale. Als sie am Bette des Baches standen und er im vertrockneten Sand nach Wasser späht, um sie zu laben, sah er auf der Wand des Torfstein den rothen Schein, der nun Nächte lang auf dem-selben schimmern sollte, sah die finsteren Wirbel des Rauches himmelan fahren.