Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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das Gehölze manches Streiflicht vor die Füße. Aber als der Wald finsterer wurde und ringsum die stille Nacht war, da ließ der junge Mann seine Last auf das Moos gleiten.

      Regungslos, athemlos lag sie da. War sie ohnmächtig? War sie todt? – Nun kniete er neben ihr und das heißersehnte Weib lag vor ihm. Wo aber war seine glühende Begierde nach einem Kuß! Eiskalt wehte es ihn an, eiskalt bis ans Herz. Eine andere Wärme jedoch begann da drinnen, wo Gluth und Kälte gekämpft hatte, zu thauen, und der Thau schimmerte in des Jünglings Auge. Er beugte sich über das Wesen und am Frauenmunde suchte er nun nicht den Kuß, sondern die Spur des Lebens, den Athemzug.

      Sie athmete. In den Erl- und Haselnußgebüschen brach er Zweige und hüllte damit die Schlummernde ein. Zwei Schritte von ihr legte auch er sich hin und wachte, und sann nach, bei wem er wohl wache, wie das war und wie das werden sollte. Endlich kam er mit sich überein: Das ist das Spiel des Bösen; der Teufel hält Wort; aber er ist falsch, nun höhnt er mich. Für solchen Lohn, als da jammervoll und im Bettelgewand liegt, wär’ mir meine arme Seele nicht feil gewesen. Gieb mir sie zurück, Höllenhund, meine Seele will ich wieder haben!

      Das Mädchen stöhnte und schlief. Erlefried wollte beten und konnte nicht. Wohl stammelte er die Worte seines Abendsegens, wo aber waren seine Gedanken? Beim Teufel. Das Gebet war todt wie ein Gerippe, seelenlos – die Seele war einem Anderen verschrieben. – Auf seiner Stirne stand der Schweiß, ein Frosthauch ging durch seinen Leib.

      Dann wendete sich Erlefried auf die andere Seite und dachte, aber recht für sich und im innersten Winkel des Herzens, daß es der lauernde Satan ja nicht sollte vernehmen können: Du betrügst mich und ich betrüge Dich wieder. Ich bin noch nicht Dein, das bin ich erst zum Trawieser Gottleichnamstag, wenn Neumond ist. – Na gute Nacht und laß mich in Ruh. –

      Was böses Gewissen! Das junge Blut hatte nichts Böses gethan, es sank bald in einen gesunden Schlaf.

      Stundenlang war Frieden, da weckte ihn ein seltsames Krachen und Brausen auf. Erlefried sprang empor, hörte es, sah es: rother, wogender Schein ringsum – das Feuer war da. Es war kaum noch Zeit, das Mädchen aus seinem Schlafe zu reißen; sich zu besinnen aber, ob es nicht besser wäre, dieses Teufelsspiel hier liegen zu lassen und allein zu fliehen, dazu war gar nicht mehr Zeit. Weder an Gott noch Teufel denkend, zog er die Taumelnde mit sich fort, da über ihren Häuptern die Funken flogen.

      Sie entkamen der Gluth, aber nicht der Noth. Tagelang irrte Erlefried rast- und rathlos mit dem blinden Mädchen umher. Hunger bei Tag und Frost bei der Nacht waren ihre Genossen. Erlefried sah an dem Mädchen nun nichts Anderes mehr, als ein sieches, elendes Wesen, das er nicht verlassen konnte. Wohin aber mit ihr sich wenden? In Trawies durfte er sich nicht zeigen, er wußte auch, daß man dort alles suchen dürfe, nur nicht Hilfe. Sollte er in das Haus des Bart zurückkehren? Der Bart wird ihn fragen, woher er diese Begleiterin habe, Sela wird ihn fragen, wieso er zu diesem Geschöpfe gekommen sei? Kann er sich verantworten? Wird es nicht an seiner Stirne stehen, so wie sein Name blutig auf dem Felsklotz in der Wildniß steht, wie weit es mit ihm gekommen ist. Er kann der Geliebten nicht mehr ins Auge blicken, er kann nicht mehr zurück in das Haus seines Nährvaters. Soll er sich im Walde herumtreiben, sich und seine Genossin mit wilden Früchten nähren? Der Wald brennt und alles Lebendige, das noch in ihm ist, flieht. Kann er den Flammenring überschreiten und bettelnd durch das Land ziehen? Draußen drohen die Pfähle. Und doch, wenn er will, er kann’s, nur verlassen kann er das Mädchen nicht, das er auf so seltsame Weise gefunden hat.

      Es ist ihm eine harte Last, das leugnet er sich nicht.

      Mancher der das paar schwerfällig dahinwandeln sieht, oder wortlos sitzen auf einem gestürzten Strunk, denkt sich allerlei, nur nicht das Richtige. Daß sie Bruder und Schwester sein könnten, daran denkt Keiner – es wäre ein langweiliger Gedanke.

      Das Mädchen hatte den Erlefried gefragt, wer er sei.

      »Ich heiße Erlefried und bin des Schreiners Wahnfred Sohn,« antwortete der Jüngling rasch und freute sich, daß sie redete.

      »Des Schreiners vom Gestade?« lispelte sie nachdenkend, »das ist ja Der, welcher den Pfarrer umgebracht hat. Und Du bist sein Sohn Erlefried?«

      »Der bin ich.«

      »Bist Du es wirklich?« Sie befühlte seine Hand, sie betastete seinen Leib. »Bist Du es wirklich?«

      »Ich bin’s; weshalb sollte ich’s nicht sein?«

      Hierauf antwortete die Blinde: »Ich habe es ja geahnt, daß ich gestorben bin.«

      »Ich lebe, so wie Du lebst – in der anderen Welt.«

      So sprach sie, dann schwieg sie stundenlang und brütete und ließ sich willenlos von ihm leiten. Er war nun überzeugt, daß sie dem Irrsinne verfallen, und jetzt wuchs sein Mitleid.

      In einer verlassenen Hirtenklause des Birstling hatten sie sich niedergelassen und der Jüngling sammelte Brombeeren, Preiselbeeren und andere Waldfrüchte, die er zu kochen wußte.

      Als Bertha das Herdfeuer fühlte, begann sie zu weinen. Auf seine liebevolle Frage nach der Ursache antwortete sie, daß sie an ihre Mutter denke. »Wir müssen ihr ja begegnen, sie ist schon lange da. Wenn Du sie siehst, so führe mich zu ihr.«

      Und nach einer Weile fragte sie: »Weißt Du, was mit Deinem Vater geschehen ist?«

      »Der lebt auf dem Johannesberg.«

      »So!« Rief das Mädchen und richtete sich auf, »dann hat er auch meine Mutter umgebracht. Sie hat auf dem Johannesberg gewohnt. O, Ihr seid Mörderleute. Erlefried, geh und laß mich allein! Bin ich denn verdammt, daß ich mit Euch muß sein!«

      Und einmal, während sie aß, lachte sie auf und rief: »Ich will mich hell verwundern, daß hier Vieles noch so ist, wie es dort gewesen. Hast denn auch Du Hunger? Willst auch Du noch essen und trinken? Schau, und bist lang schon gestorben.«

      »Wer hat Dir gesagt, daß ich gestorben bin?«

      »Das haben die Trawieser Leut’ gesagt, und daß Dich beim Bart vom Tärn die Räuber hätten erschlagen.«

      Nun freilich war ihm wenigstens ein Theil ihrer wunderlichen Worte klar. Allmählich offenbarte aich ihm diese arme Seele ganz. Ja, sie bildete sich in ihrem Wahne nichts Anderes ein, als daß sie im Fegefeuer sei, und er vermochte es nicht, sie zu erleuchten.

      Dann athmete sie doch wieder auf und griff mit ihren Händen in die Luft hinein und murmelte: »Ja, das ist ganz wieder, wie das süße Leben. Wüßte ich nur, ob ich das Sterben noch vor mir habe!«

      Er wußte es. Nur das wußte er nicht, ob er sie erfreuen oder betrüben würde, wenn er ihr die Wahrheit sagte. Und weiß auch kein Mensch, wie es besser wäre, den Tod vor oder hinter sich zu haben.

      »Du mußt jung und schön sein,« hauchte sie ihm einmal zu, »ich möchte nur wissen ob dahier in der anderen Welt das Liebhaben auch Sünde ist.«

      »Traurig, wenn’s keine wär’,« bemerkte der Bursche und spielte mit einer Kohle, »nicht sündig – nicht lustig.«

      »Du hast auf der Welt gewiß eine Liebste gehabt?«

      »Kind, ich habe sie noch,« antwortete er, »und will sie erst recht haben.«

      Darauf schwieg sie, schwieg und weinte die ganze Nacht. Erst gegen Morgen wurde sie still und Erlefried, der auf seinem Lager aus Heidekraut eine peinvolle Beklemmung empfunden, konnte nun schlafen.

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