Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
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Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 217
»Sein Geist! sein Geist!« flüsterte die Menge und Einer suchte sich hinter dem Anderen zu verbergen.
Da rief mit mächtiger Stimme Wahnfred, der von seinem Berge Niedergestiegene und hier wie aus dem Feuer Erstandene:
»Leute von Trawies, fürchtet Euch nicht und trotzet nicht. Ich komme zu Euch und bringe Euch die Gnade Gottes.«
Das Murren und Flüstern und Wimmern verstummte. Erstaunt blickten die Einen, höhnend die Anderen über das Feuer gegen den Felsen hin, auf welchem der sonderbare Mann stand. Nichts war vernehmbar, als das Knistern der Gluth und das Rauschen des Wasserfalls, bis Wahnfred jetzt wieder seine Stimme erhob und im Ernste und in der Weihe eines Propheten so zu sprechen begann:
»Trawies! ich habe Gott gefunden. Er den keines Menschen Segen geben, keines Menschen Fluch rauben kann, sendet mich. Er ist stets bei Euch gewesen, Ihr habt ihn gesehen, aber nicht erkannt. Jede Stunde Eures Lebens ist eine Gnade von ihm; unter dem himmlischen Tage ist keine That, die sein heißer Blick nicht sieht. Ich seid schlecht geworden, weil Ihr das nicht gewußt habt; die Gegenwart Gottes macht nur den selig, der an sie glaubt, und Euch hat man verdammt, da man Euch diesen Glauben nahm. – Leute zu Trawies! Ich gebe ihn Euch wieder zurück. Es ist der alte, liebende, schreckliche Gott. Er hat Euch aufgeweckt in der Morgensonne, er hat Euch geschlagen im Wetterblitz. In der Sternennacht hat er Euch zugeschaut, von den Ampeln des Altars hat er Euch angelacht. Als Euch die Mächtigen verstoßen, hat er Euch umarmt im Flammenring, und er hat seinen Tempel gebaut im Tärn. Ihr drängt Euch jetzt um ihn und wißt, daß sein warmer Athenhauch Euch beschützt. Er ist überall, auch wo sie ihn hassen, er zuckt aus den Wolken, er springt aus dem Stein, er bricht das Eis auf dem Trasank, er weckt die Blumen der Wildwiesen vom Tode auf, er ist der ewige Schöpfer, Ernährer und Zerstörer. Er ist die Kraft und das Licht. Wenn er Euer Auge nicht geblendet hat, Ihr Leute von Trawies, so seht ihn an, er steht vor Euch in seinem Glanze, das Feuer ist sein Lein! Das Feuer ist der sichtbare Gott!«
Es ging wie ein Sturm durch die Menge, ein innerer Frühlingssturm durch starre winterliche Herzen. Die Flammen loderten still und hoch und verdeckten zeitweise die schwarze Gestalt, die hinter denselben auf dem Felsen stand.
Wahnfred ließ die aufgeregten Gemüther austoben und beben, dann hob er seinen Arm und fuhr fort:
»Falsche Propheten wollen den Menschen die Liebe und Dankbarkeit für Gott entreißen und sagen, das Feuer sei höllisch, sei das Reich des Teufels, sei die Strafe des Bösen. Einen von diesen Propheten hat Trawies getödtet, so haben sie uns verdammt, haben uns fesseln wollen mit dem Ring der Hölle, haben nicht geahnt, daß sie mit den Flammen ein Reich Gottes umgrenzen, außerhalb welchem die hoffärtige, arge Welt sich herrisch breitet, innerhalb welchem die Armen und Glücklosen durch das Feuer gereinigt werden sollen. – Leute von Trawies! Ihr habt die himmlische Gnade mißkannt. Es giebt einen Weg, der durch Rosen zur Hölle führt, den wandelt die Welt, es giebt einen Weg, der durch Elend und Jammer zur Hölle führt, und den seid Ihr gegangen. Wo steht Trawies? Es steht an der Grenze zwischen Erde und Hölle, denn es hat geraubt und gemordet, Unzucht getrieben und Unheil gestiftet überall. Wer mich heute nach dem Thale der Missethaten fragt: ich zeige auf Trawies. Weinend thue ich es und mit zitternder Hand. Man möge mir die Augen blenden, wenn ihre Thränen nicht aus Herzeleid rinnen; man möge mir den Arm abhauen, wenn er sich nicht ausstreckt, um Euch zu retten! Der Gott unserer Väter, der zu uns gekommen war in den Funken unseres Ahnfeuers, der gehütet worden war mit Treue und Frömmigkeit, wo ist er? Den Feuerwart habt Ihr sterben lassen im Elend, sein Haus habt ihr geschändet, und wenn ich Euch frage: wo ist das Feuer? Was habt Ihr Antwort? Ihr habt es verfolgt und verhöhnt und verlöschen lassen, und wollt nun, daß es Euch schütze. Wenn Ihr sagt, die Welt hätte Euch Gott genommen, so lügt Ihr. Wehr als Ihr selbst hat ihn verbannt aus dem Thale der Trach? In finsterer Nach, begleitet von einem hilflosen Kind, ist er geflohen in die Wildniß, so wie nach der Schrift das Jesukind vor Herodes floh. Ein einziger Mann hat noch gelebt in der Einsamkeit, hat gebetet und die Gottessehnsucht bewahrt im Herzen; zu diesem kam das heilige Licht, das Ahnfeuer, herangezittert, und er hat es aufgenommen, es ist die Gnade gekommen und er hat es erkannt, hat es gewahrt und angebetet und kommt nun zu Euch mit der Botschaft, daß es lebt und nicht fern ist. Ja Ihr Leute von Trawies, nun sehe ich Eure Augen leuchten, als wäre Gott in Euch. Aber ich sage Euch, noch ist er es nicht. Er der Allgegenwärtige ist dort nicht, wo die Herzen kalt sind, wo keine Freude ist und keine Hoffnung und keine Liebe. Er ist dort nicht, wo das Mißtrauen wohnt und die Furcht und die Verzweiflung. Jetzt, da Ihr in den Lüften das Schrillen der Schaufel höret, womit eine unsichtbare Hand das Grab gräbt, jetzt sind Eure Begierden gedämpft. Aber ich fürchte, daß die Flamme, welche über Eurem Haupte den Pesthauch verzehrt, nicht Eure entarteten Herzen erwärmen wird. Denn Ihr seid schlecht geworden. Und so ist es tausendmal besser, o gerechter Goot, Du lassest hinsterben, was nicht leben soll.«
»Nein,« riefen jetzt Einige der Versammelten, »leben! Leben!«
»Nur leben!« Rief die ganze Menge, und Viele stöhnten und Viele knieten vor dem Feuer nieder und begannen zu beten.
»Jetzt betet Ihr,« fuhr Wahnfred fort, und seine Stimme wurde immer heller und gewaltiger, »jetzt, da in den Häusern, wo Ihr gesündigt habt, die Leiber mancher Eurer Genossen hingestreckt liegen, wo Ihr dürstend die Quelle flieht und der Waldluft nicht mehr traut, die Ihr athmet, jetzt betet Ihr!«
Sie unterbrachen ihn, sie Flehten, von der neuen Erinnerung an die drohende Gefahr zutiefst erregt und erschüttert, um Gnade und Erbarmung, sie schworen, von nun an nach Gottes Willen leben zu wollen.
Nur Einer war darunter, der hagere Wend vom Gestade, der richtete sich auf und sagte: »Ich will auch leben, aber so lang ich nicht weiß, was Gott verlangt, verspreche ich nichts.«
Dem entgegnete Wahnfred: »Gott will daß Du lebest und neben Dir auch Andere. Sei wie das Feuer ist, wenn es Dir gefallen soll – sei warm, so wirst Du Dir und Anderen zur Freude sein.«
Dir und Anderen zur Freude! das war wie ein Märchenklang aus alten Tagen.
»Nicht allein leben wollen wir,« rief aus der Menge ein Stimme, »nicht Anderer wegen ist’s uns zu thun, es soll uns auch selber gut sein. Redlich gesagt, es lüstet uns nicht gar so arg nach Gott, aber den Himmel wollen wir haben.«
»Ja,« riefen sie im Haufen, »das ist es, den Himmel wollen wir haben!«
»Suchet zuerst das Reich Gottes und die Gerechtigkeit,« sagte Wahnfred, »dann wird Euch der Himmel von selber zu Theil.«
»Sollen wir unter Krieg, Hunger und Pestilenz suchen?« versetzte der Wend mit Hohn.
»Was gehen uns Krieg, Hunger und Seuchen an!« rief Wahnfred und hatte einen Blick, daß man hätte glauben können, er sei dem Wahnsinn verfallen. »So lange wir leben, achten wir nicht darauf, und sind wir todt, wissen wir nichts davon. Was wir sind und haben, es gehört nicht uns, so können wir es nicht verlieren. Wir genießen es, aber es liegt uns nichts d’ran. Unglücklich ist, wer begehrt, was die Welt selten oder nie giebt. Unglücklich, der sich selbst nicht genug ist, denn er wird in der Jagd nach Anderem sich selbst verspielen. Selig der Genügsame und der Begierdenlose, er wird Frieden haben und schuldlos bleiben. Was kann ihm geschehen? Er ist allmächtig, und jeder seiner Wünsche wird erfüllt, denn er will, was Gott will. – Geht hin, Ihr Leute von Trawies, kehrt mit diesem himmlischen Frieden zurück ins Thal, und Ihr werdet Euch nicht mehr vor der Seuche fürchten – eher als Ihr glaubt, wird sie vergangen sein. Ihr werdet nichts mehr hassen, nichts verspotten und nichts mehr beweinen. Aber die Augen werden Euch aufgehen, Ihr habt erfahren, was die Erde nehmen kann, und Ihr werdet sehen, was sie geben kann. Ihr werdet nicht verhungern. Ihr werdet