Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
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Ih lauf eahm noch im Boch,
Tulli ho!
Er is scha weit, viel z'weit,
Tulli ho!
Hon gor ka Freud!«
Dann spitzte er die Lippen und pfiff, und bald darauf – der Junge mußte sich in einer recht humoristischen Stimmung befinden – sang er ein anderes Liedl, wovon ihm besonders der letzte Teil anzuklingen schien:
»Vormittag buß' ih –
Wos buß' ih?
Mei Dirndl in da Ghoam (im Geheimen),
Nochmittog bin ih –
Wo bin ih?
Auf'n Tonzbod'n dahoam.
Aft, wann mih mei Voder
Z'an Koder
In d' Schupfn einspirt,
Tulli, do flick ih –
Wos flick ih?
Mei Hosn ban Knia.
Und daß ma,
Jo, daß ma
Die Zeit nit long wird.«
Darauf hub er an zu jodeln, bis er heiser war und sann auf neuen Zeitvertreib. Flink sprang er auf, kletterte an der Wand empor und hüpfte wieder auf das Moos herab; dann stellte er sich auf den Kopf und spreizte die Beine in die Luft. Dann begann er mit Händen und Füßen das Moos aufzumischen, daß die Fetzen nach allen Richtungen an die Wand und bis zur Decke flogen. Dann fiel er ins Gestreu, reckte alle Viere von sich und stellte sich tot.
Die Moosbarrentür blieb von außen angehängt und so lief der Jackerl aus Anhänglichkeit nicht davon.
Der Waldmeister schüttelt den Baum
In Altenmoos begann sich sachte manches zu ändern. Früher hatten die Bauern im Sommer ihre Herden – für die auf den eigenen Grundstücken zu wenig Futter wuchs – gegen mäßiges Entgelt auf die Hochweiden der angrenzenden Großgrundbesitzer getrieben, besonders auf die Rabensteiner Almen. Es war altes Herkommen, das sowohl den Hochweidbesitzern, als auch deren Pächtern, den Bauern, zugute kam. Seit einiger Zeit war das abgestellt worden, der Waldkulturen wegen, wie es hieß. Der Oberförster, Oberjäger und Waldmeister Ladislaus war aber zu leidenschaftlich, um lange ein Hehl daraus zu machen, daß den Bauern die Viehweiden nicht der Waldkulturen, sondern der Wildhegung wegen versagt wurden. Man rechnete so: Bekommen die Bauern von uns die Almweiden nicht, so können sie nicht Viehzucht betreiben, wirtschaften ab, müssen uns gut oder übel ihre Güteln verkaufen, und Herr im Lande ist der Hase und der Hirsch, die wieder unserem Vergnügen dienen. Zur Hälfte betreibt man's, zur Hälfte geht's selber. Der Bauer war von jeher ein Feind des Wildes, der Bauer muß ausgerottet werden.
Mit solchen Gedanken und Plänen ging der Ladislaus um. Ging um in der Gegend in Sachen seines »gnädigen Herrn«, des Kampelherrn, und daß er sehe, was schon reif war zum Abfallen und was noch gesengt und gerüttelt werden mußte.
In denselben Tagen war's, daß er und der Bauer Dreisam zu Altenmoos aneinander gerieten.
Der Waldmeister war mit der Herrschaft Rabenberg käuflich an den Kampelherrn übergangen, er hörte seither nur mehr auf den Titel: Herr Oberförster.
Der Dreisam arbeitete an seinem Waldrain, wo er dran war, mit der Haue den zähen Rasen umzukehren, dem man mit dem Pfluge hier nicht beikonnte und der doch auch als Kornacker urbar gemacht werden sollte. Der Dreisam hatte eine große Glatze, dafür aber einen sehr langen flachsfalben Bart, der schier bis an den Gürtel hinabhing. Damit dieser Bart beim Rasenumgraben nicht hindern konnte, so steckte er ihn am Halse hinter den braunen Brustfleck hinab.
Da kam der Waldmeister gegangen.
»Ihr Altenmooser Bauern seid Trotteln!« mit diesem schönen Wort grüßte er den arbeitenden Mann.
»Auch so viel, Herr Waldmeister!« dankte der Dreisam. »Gescheiter wäre es freilich, alleweil im Feiertag umzugehen mit der Büchsen und sich das Futter von anderen Leuten bringen zu lassen, als selber sein Brot mit harter Müh' aus dem Boden zu graben.«
»Korn bauen, das ist dumm«, belehrte der Waldmeister, »seit durchs Land draußen die Eisenbahn geht, könnt ihr Bergbauern im Getreidebau mit den Ungarn und Kroaten nicht mehr konkurrieren.«
»Die Kroaten wollen wir auch nicht kurieren«, verdrehte der Dreisam, wir wollen unseren Magen kurieren.«
»Viehzucht!« rief der Waldmann, »Viehzucht müßt Ihr betreiben.«
»Ja, und Ihr versagt uns dafür die Hochweiden!«
»Den Pflug in Scherben schlagen. Das Korn kaufen. Brauchst keine Dienstboten. Das Gras wächst von selber auf dem Boden.«
»Schau«, meinte der Bauer so halb für sich und stützte sich breit auf seinen Haustiel, »das wissen meine Ochsen besser wie der Herr Waldmeister. Die Ochsen wollen kein Gras fressen von einer Trift, die jahraus, jahrein nicht umgebrochen wird mit dem Pflug, und nicht manchmal Hafer oder Korn darauf angebaut. Die Ochsen sagen, so ein Ödgartgras wäre sauer und voller Moos. Nun, dem Herrn schmeckt's vielleicht besser.«
»Mein lieber Bauer«, entgegnete der Waldmeister nun in sehr höflicher, aber sehr überlegener Weise, »wenn Ihr über Landwirtschaft mit mir reden wollt, da müßt Ihr ein wenig weiter in der Welt herumgekommen sein, als von Altenmoos bis Sandeben. Ein wenig weiter, mein lieber Bauer!«
»Glaub's schon«, sagte der Dreisam, »daß der Herr recht weit gelaufen ist.«
»Gott sei Dank, ja. Ich bin an einem einzigen Tag weiter gekommen, als so ein Waldbauer sein Leben lang springt!« Dachte bei sich der Dreisam: Mit dem ernsthaft zu streiten, ist mir zu dumm. Er schaukelte sich auf seinem Haustiel und warf plötzlich das Wort hin: »Weiter, als der Herr Waldmeister an einem Tag laufen kann, weiter ist mein Bart schon gewachsen.« Er riß den langen Bart aus dem Brustfleck hervor.
Wie das gemeint sei?
»Nicht schlecht. Wetten wir eins miteinander, Herr, mein Bart ist länger gewachsen, als er an einem Tag laufen kann!«
»Ist ein Unsinn!« sagte der Waldmeister.
»Gilt's?« rief der Bauer. »Abgemacht. Am Sonntag beim Steppenwirt unten messen wir. Mit Zeugenschaft, Herr Waldmeister! Zehn Maß Unterländer, wenn's dem Herrn nicht zu viel ist?«
»Zwanzig Maß!« schrie der Waldmeister, »abgezapft muß er einmal werden, Euer Übermut.«
»Vielleicht zapfen wir auf dreißig Maß«, meinte der Dreisam.
»Gut, auf dreißig! Sehrrr gut!« schnarrte der Oberförster. »Am nächsten Sonntag beim Steppenwirt. Und jetzt adieu, Bauer. Es tut mir eigentlich leid.«
»Was