Die Vampirschwestern 4 - Herzgeflatter im Duett. Franziska Gehm
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„Ich will mich aber nicht anpassen“, sagte Daka.
„Dann wirst du über längere Zeit ausgerottet werden. Das ist wie bei der Evolution. Die Lebewesen, die sich am besten an die sich ändernden Umweltbedingungen anpassen konnten, leben noch. Alle anderen sind hinüber.“
„Totaler Gumox!“ Daka verschränkte die Arme. „Schon mal was von Artenreichtum gehört? Außerdem könnten die Menschen ja auch etwas von uns lernen.“
„Ja!“, rief Helene. „Fliegen!“
„Oder Flopsen“, meinte Ludo.
Daka nickte. „Genau. Die Menschen machen das ja nur nicht, weil sie es nicht können.“
„Aber deswegen kannst du dich trotzdem nicht benehmen, als wärest du in Transsilvanien“, erwiderte Silvania.
Daka zuckte mit den Schultern. „In Transsilvanien hat das auch keinen Menschen gestört.“
„Da wussten ja auch alle, dass wir Halbvampire sind. In Deutschland sind wir doch sozusagen … inkognito.“
„In Kack was?“ Daka sah ihre Schwester mit großen Augen an.
„Inkognito. Heimlich“, flüsterte Silvania. „Niemand darf wissen, dass wir Halbvampire sind.“
„Und wieso?“
Silvania holte tief Luft. Ihre Schwester wusste genau, wieso. „Weil wir sonst in die Irrenanstalt gesteckt werden.“
„Kann man da flopsen und fliegen?“, fragte Daka.
„NEIN!“
„Ruhig Blut, Schwester!“, sagte Daka.
Silvania hatte eine ungesunde rote Gesichtsfarbe. Sie schnaufte aus den Nasenlöchern wie ein Stier.
Ludo und Helene hatten während des Wortwechsels zwischen den Zwillingen hin und her gesehen. Ihnen wurde langsam schwindlig. Vom Zusehen und vom Zuhören.
Silvania atmete tief durch. „Mit MEINEM Blut ist alles in Ordnung. ICH habe mich unter Kontrolle. Im Gegensatz zu DIR!“
Daka reichte es langsam. Eigentlich mochte sie ihre Schwester. Manchmal sogar sehr. Aber manchmal auch weniger. Daka holte gerade für eine lautstarke Antwort Luft, als Helene ihr zuvorkam.
„Guckt mal da drüben: Orakulum Spektakulum. Weissagungen und Wünsche“, rief sie und schob sich zwischen die Schwestern. Sie hakte sich mit dem linken Arm bei Silvania ein und mit dem rechten bei Daka. „Das ist genau das Richtige für euch. Da gehen wir jetzt hin. Ihr könnt euch weissagen lassen, was die Evolution so bringt.“
Während Helene bereits mit den überrumpelten Zwillingen im Schlepptau auf das Orakulum Spektakulum zulief, zögerte Ludo. Er hatte ein merkwürdiges Gefühl. Er konnte das Gefühl förmlich schmecken. Es schmeckte wie scharfer Senf mit Himbeermarmelade.
Wunderliche Weissagung
Das Orakulum Spektakulum war eines der ältesten Attraktionen des Jahrmarktes. Von außen sah es aus wie ein orientalischer Palast. Unter drei gold glänzenden Kuppeln befand sich eine Art Vorbau aus drei sandsteinfarbenen Bögen. Der mittlere Bogen bildete den Eingang des Orakulum Spektakulum. Ein paar Schritte, nachdem der Besucher durch den Bogen getreten war, stieß er auf einen orangegelben Vorhang. In den Vorhang waren Glitzersteine eingearbeitet, die ihn wie Sonnenstrahlen leuchten ließen. Schob der Besucher den Vorhang zur Seite und trat in den anschließenden Raum, war er sofort von einem schweren, süßlichen Geruch und leiser, fremdländischer Musik umgeben. Die Wände des Raums waren mit feinen, wallenden Tüchern geschmückt. Den Boden bedeckte ein weicher Teppich mit orientalischem Muster. Auf dem Teppich lagen viele Kissen. Große, kleine, runde, eckige, weiche und prall gepolsterte. Am hinteren Ende des Raums hing ein weißer Vorhang, dessen Rand von lauter kleinen Glöckchen gesäumt war. Zwei Schritte vor dem Vorhang stand ein ausgestopfter Tiger. Er stand parallel zum Vorhang. Den Kopf aber hatte er dem Besucher zugewandt und sah ihn mit seinen grünen, starren Augen bedrohlich an. Neben dem Tiger standen mehrere Schüsselchen, Fläschchen und Schachteln auf dem Boden. Durch den weißen Vorhang schien ein seltsames, milchiges Licht. Es wurde von den zahlreichen Mobiles reflektiert, die von der tiefen Decke hingen und leise klimperten.
Obwohl draußen auf dem Jahrmarkt die Sonne schien, kam sich jeder Besucher des Orakulum Spektakulum wie in Tausendundeiner Nacht vor. Die Zeit schien stillzustehen. Die Luft flimmerte vor Geheimnissen.
So ging es auch Daka und Silvania Tepes. Auf Drängen von Helene hatten sie sich eine Eintrittskarte gekauft. Jetzt standen sie auf dem flauschigen Teppich dicht beieinander und sahen sich um, ohne sich von der Stelle zu rühren. Zum ausgestopften Tiger hielten sie gebührenden Abstand.
„Was machen wir jetzt?“, flüsterte Silvania.
„Klingeln“, meinte Daka.
Silvania sah sich um. „Keine Klingel da.“
Daka stieß an ein Mobile. Es klimperte. „Hallo?“, rief sie laut.
„Hallo! Ist da wer?“, rief Silvania.
„Herr Orakulum?“, rief Daka.
„Oder Frau Spektakulum?“, rief Silvania.
Bis auf die leise Musik und das Geklimper der Mobiles blieb es still im Raum.
„Vielleicht hat uns das Spektakulum Orakulum nichts zu sagen“, meinte Daka.
Silvania nickte ernst. „Wir sind ein zu schwieriger Fall.“
Plötzlich bimmelten die Glöckchen am weißen Vorhang und ein Mann trat hindurch, beziehungsweise schwebte er – so sah es zumindest aus. Er war etwas rundlich und trug eine weite cremefarbene Stoffhose, die am Bauch und an den Fußfesseln mit breiten roten Bändern zusammengebunden war. Die Füße waren nackt. Die Zehennägel rot lackiert. Den Oberkörper schmückte ein leichtes weißes Hemd, das nur am Bauch mit einem Knoten zusammengebunden war. Auf der Brust baumelte eine Kette aus bunten Steinen. Die Kette reichte bis zum Bauch, der sich wie bei einer Schwangeren wölbte. Auf der Brust war eine Narbe zu erkennen. Seine Haare waren von einem turbanähnlichen roten Knäuel bedeckt. Der Mann trug eine Nickelbrille, hatte eine kleine runde Nase und einen schönen Mund mit vollen Lippen. Die kleinen Augen hinter der Nickelbrille funkelten neugierig, als er die Zwillinge erblickte.
„Tretet näher, tretet näher, verehrte Lebenshungrige und Sinnsuchende“, sagte der Mann und machte dabei drei kleine Balletthopser.
Silvania und Daka musterten den Mann.
Silvania musste bei dem Anblick an den großen Gymnastikball denken, auf dem Tante Karpa immer durchs Wohnzimmer rollte.
Daka erinnerte der Mann an ein Wildschwein. Vielleicht lag es an den Brusthaaren.
Die Schwestern warfen sich einen fragenden Blick zu. Schließlich zuckte Daka mit den Schultern. Gemeinsam traten sie vor.
„Mein Name ist Ali Bin Schick.“ Der Mann verbeugte sich. Dabei hielt er mit einer Hand den Turban fest und beschrieb mit der anderen einen weiten Bogen.
„Daka