Die Chroniken von Narnia - Der König von Narnia (Bd. 2). C. S. Lewis

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Die Chroniken von Narnia - Der König von Narnia (Bd. 2) - C. S.  Lewis Die Chroniken von Narnia

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in anderen Schränken im Haus irgendwelche neuen Länder entdeckt habe. Was die Sache noch schlimmer machte, war, dass es eigentlich eine herrliche Zeit hätte sein können. Das Wetter war schön und sie waren von morgens bis abends draußen, gingen zum Baden und Fischen, kletterten auf Bäume und sonnten sich in der Heide. Aber das alles konnte Lucy nicht richtig genießen. Und so ging es bis zum nächsten Regentag.

      Als es an jenem Tag Nachmittag wurde und immer noch kein Wetterumschwung in Sicht war, beschlossen sie Verstecken zu spielen. Susan musste suchen, und sobald die anderen ausschwärmten um sich zu verstecken, ging Lucy in das Zimmer, wo der Kleiderschrank stand. Verstecken wollte sie sich nicht in dem Schrank, denn sie wusste, dass dann die anderen nur wieder anfangen würden, über die ganze elende Sache herzuziehen. Aber sie wollte wenigstens noch einmal hineinschauen; denn inzwischen begann sie selbst, sich zu fragen, ob Narnia und der Faun vielleicht nur ein Traum gewesen seien. Das Haus war so groß und verwinkelt und voller Verstecke, dass sie dachte, sie hätte reichlich Zeit, einen Blick in den Schrank zu werfen und sich dann woanders zu verstecken. Doch kaum hatte sie ihn erreicht, da hörte sie Schritte draußen auf dem Gang, und so blieb ihr nichts anderes übrig, als in den Schrank zu springen und die Tür von innen zuzuhalten. Richtig zumachen wollte sie sie nicht, denn sie wusste, es ist eine große Dummheit, sich in einem Kleiderschrank einzuschließen, selbst wenn er nicht verzaubert ist.

      Nun, die Schritte, die sie gehört hatte, waren die von Edmund, der gerade noch rechtzeitig ins Zimmer kam, um Lucy im Kleiderschrank verschwinden zu sehen. Sofort beschloss er, selbst auch hineinzusteigen – nicht weil er ihn für ein besonders gutes Versteck hielt, sondern weil er Lucy noch ein wenig mit ihrem eingebildeten Land aufziehen wollte. Er öffnete die Tür. Drinnen hingen wie immer die Mäntel; es roch nach Mottenkugeln und es war dunkel und still – nur von Lucy war keine Spur zu sehen. »Sie denkt bestimmt, ich wäre Susan, die sie fangen will«, sagte sich Edmund, »und deshalb hockt sie mucksmäuschenstill in der hintersten Ecke.« Er sprang hinein und zog die Tür zu, ohne daran zu denken, was für eine große Dummheit das ist. Dann begann er in der Dunkelheit nach Lucy zu tasten. Zu seiner großen Überraschung fand er sie nicht sofort, wie er erwartet hatte. Da beschloss er die Tür wieder aufzumachen um etwas Licht hereinzulassen. Doch die Tür konnte er auch nicht finden. Das gefiel ihm überhaupt nicht, und er fing an, wild in alle Richtungen zu tasten, und rief sogar laut: »Lucy! Lu! Wo bist du? Ich weiß, dass du hier bist.«

      Doch es kam keine Antwort, und Edmund bemerkte, dass seine Stimme sich ganz komisch anhörte – nicht so, wie man es in einem Schrank erwarten würde, sondern eher so wie im Freien. Als Nächstes fiel ihm auf, dass ihm ungewöhnlich kalt wurde; und dann sah er ein Licht.

      »Ein Glück«, sagte Edmund, »die Tür muss von alleine aufgegangen sein.« Ohne noch einen Gedanken an Lucy zu verschwenden, ging er auf das Licht zu, das er für die offene Schranktür hielt. Doch kurz darauf trat er nicht in das leere Zimmer, sondern aus dem Schatten einiger dichter, dunkler Fichten hinaus auf eine Lichtung inmitten eines Waldes.

      Unter seinen Füßen lag knirschender, trockener Schnee, der auch die Äste der Bäume bedeckte. Über ihm spannte sich ein blassblauer Himmel, wie man ihn am frühen Morgen eines schönen Wintertages sehen kann. Geradeaus vor sich sah er zwischen den Baumstämmen die Sonne aufgehen, ganz rot und klar. Alles war vollkommen still, als wäre er das einzige lebendige Wesen in diesem Land. Nicht einmal ein Rotkehlchen oder Eichhörnchen war zwischen den Bäumen zu entdecken, und der Wald erstreckte sich in alle Richtungen, so weit er sehen konnte. Ihn schauderte.

      Erst jetzt fiel ihm wieder ein, dass er eigentlich auf der Suche nach Lucy war; und ebenso, wie ekelhaft er zu ihr gewesen war wegen ihres »eingebildeten Landes«, das, wie sich jetzt herausstellte, überhaupt nicht eingebildet war. Sie musste irgendwo ganz in der Nähe sein, dachte er, und so fing er an zu rufen: »Lucy! Lucy! Ich bin’s, Edmund! Ich bin auch hier!«

      Doch es kam keine Antwort.

      »Sie ist bestimmt sauer, weil ich so gemeine Sachen zu ihr gesagt habe«, dachte Edmund. Und obwohl es ihm nicht gefiel, zuzugeben, dass er sich geirrt hatte, gefiel es ihm noch weniger, ganz allein an diesem seltsamen, kalten, stillen Ort zu sein; also fing er von neuem an zu rufen.

      »Hör zu, Lu! Es tut mir Leid, dass ich dir nicht geglaubt habe. Jetzt sehe ich, dass du die ganze Zeit Recht hattest. Komm doch heraus. Vertragen wir uns wieder.«

      Noch immer kam keine Antwort.

      »Typisch Mädchen«, sagte sich Edmund, »sitzt irgendwo und schmollt und will keine Entschuldigung annehmen.« Wieder sah er sich um und kam zu dem Schluss, dass es ihm hier nicht besonders gut gefiel. Er war schon drauf und dran, wieder nach Hause zu gehen, als er aus dem Wald, ganz weit entfernt, das Klingeln von Glocken hörte. Er lauschte, und das Geräusch kam immer näher, bis schließlich ein von zwei Rentieren gezogener Schlitten in Sicht kam.

      Die Rentiere hatten etwa die Größe von Shetlandponys, und ihr Fell war so weiß, dass selbst der Schnee verglichen mit ihnen gar nicht richtig weiß aussah. Ihre verzweigten Geweihe waren vergoldet und leuchteten im Licht des Sonnenaufgangs wie Feuerflammen. Auf dem Kutschbock des Schlittens saß ein dicker Zwerg, der im Stehen vielleicht drei Fuß groß gewesen wäre. Gekleidet war er in das Fell eines Eisbären, und auf dem Kopf trug er eine rote Mütze, an deren Spitze eine lange goldene Quaste hing. Sein gewaltiger Bart bedeckte seine Knie und diente ihm als Decke. Doch hinter ihm, auf einem viel höheren Sitz in der Mitte des Schlittens, saß eine völlig andere Gestalt – eine vornehme Dame, größer als alle Frauen, die Edmund je gesehen hatte. Auch sie war bis zum Hals in weißes Fell gehüllt. In der rechten Hand hielt sie einen langen goldenen Stab und auf dem Kopf trug sie eine goldene Krone. Ihr Gesicht war weiß – nicht nur blass, sondern weiß wie Schnee oder Papier oder Puderzucker, bis auf den leuchtend roten Mund. Es war ein schönes Gesicht, aber es wirkte stolz und kalt und streng.

      Es war ein herrlicher Anblick, als der Schlitten mit klingelnden Glocken auf Edmund zuglitt, während der Zwerg mit seiner Peitsche knallte und auf beiden Seiten der Schnee hochspritzte.

      »Halt!«, rief die Dame, und der Zwerg zügelte die Rentiere so scharf, dass sie sich beinahe hingesetzt hätten. Dann fingen sie sich wieder, standen da und kauten auf ihrem Zaumzeug und schnaubten. In der frostigen Luft sah der Atem, der aus ihren Nüstern kam, wie Rauch aus.

      »Und was, wenn ich fragen darf, bist du?«, fragte die Dame und sah Edmund eindringlich an.

      »Ich bin – ich bin – ich heiße Edmund«, sagte Edmund ziemlich verlegen. Es gefiel ihm gar nicht, wie sie ihn ansah.

      Die Dame zog die Augenbrauen zusammen. »Sprichst du so mit einer Königin?«, fragte sie und blickte noch strenger als zuvor.

      »Ich bitte um Verzeihung, Eure Majestät, das wusste ich nicht«, sagte Edmund.

      »Du weißt nicht, wer die Königin von Narnia ist?«, rief sie. »Ha! Du wirst Uns schon noch kennen lernen. Aber noch einmal – was bist du?«

      »Bitte, Eure Majestät«, erwiderte Edmund, »ich verstehe nicht, was Ihr meint. Ich gehe zur Schule – das heißt – jetzt sind ja Ferien.«

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