Mami Staffel 3 – Familienroman. Gisela Reutling
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Ach, du Schreck! War er zu weit gegangen?
»Detlef wird nicht kommen«, sagte sie eisig.
»Auch gut«, murmelte er. Und witsch! war er aus der Tür, polterte die Treppen hinunter und schlug die Haustür unten lautstark hinter sich zu.
Nachdem sie sich von dieser letzten Frechheit erholt hatte, trat Beate ans Fenster.
Tatsächlich! Da unten stand Klaudias Cabriolet vor dem Haus. Wie immer, pünktlich auf die Minute. Sie konnte beobachten, wie ihre Schwägerin aus dem Auto sprang, stürmisch von Sandro umarmt wurde und sich dann lachend hinters Steuer setzte.
In Beate brauste ein Sturm aus Zorn und Eifersucht auf. Wie gut Klaudia aussah! Natürlich, sie war erst dreiunddreißig und eine Frau, die sich jeden Wunsch erfüllen konnte. Richtig unbelastet und unbekümmert wirkte sie. Nichts an ihr deutete auf das Leid einer alleinstehenden Witwe hin. Sie hatte zwar längere Haare, die sie zu einem kleinen Nackenknoten gebunden trug, aber heute, einfach so in einer hellen Hose und einem karierten Hemd darüber sah sie wie eine Mittzwanzigerin aus. Klaudia hatte wirklich alles, was eine Frau sich nur wünschen konnte. Und jetzt sogar noch eine unbeschwerte Woche mit Sandro vor sich. Und sie? Ihr blieb nur die Angst, Sandro in einigen Jahren an die Rivalin zu verlieren.
Beate wußte, daß sie sich dieser Angst stellen mußte. Wenn sie ihre Verantwortung ernstnahm, dann mußte sie im Sinn ihres verstorbenen Bruders handeln und Sandro wohl oder übel in zwei Jahren auf ein feines Internat in Schleswig-Holstein schicken. Dort hatte Reinhard die schönsten Jahre seiner Jugend verbracht. Wie oft hatte er erwähnt, er wünsche sich diese Erfahrung einer erstklassigen Erziehung auch für seinen einzigen Sohn! Nur niedergeschrieben hatte er es nicht. Das war ihre einzige Chance. Sie mußte sich also nicht danach richten.
Aber was war, wenn Klaudia davon wußte und sie eines Tages daran erinnerte? Der war alles zuzutrauen, wenn sie Sandro nur von ihr wegholen konnte. Beate ballte die Fäuste. Wer konnte ihr nur helfen? Minuten später eilte sie in wilder Entschlossenheit nach unten ans Telefon, sagte Termine bei einigen Patienten ab und stieg dann nach oben in ihr Schlafzimmer, um ebenfalls einige Kleidungsstücke in die Reisetasche zu stopfen.
*
Zur gleichen Zeit hopste Sandro fröhlich hinter Klaudia auf dem Sitz herum, langte dann nach seiner Jacke und hielt sie ihr vor die Nase.
Klaudia schob seine Hand aus ihrem Blickfeld. Sie hatte gerade die Autobahn erreicht. »Spinnst du?« lachte sie.
»Ich will nur wissen, ob die Jacke geht.«
»Ob die Jacke geht? Seit wann haben Jacken Beine?« neckte sie ihn.
Sandro spielte den Empörten. »Mensch, Klaudia. Ich will nur wissen, ob die Jacke paßt, wenn wir in Travemünde sind. Du hast versprochen, mal mit mir ins Spielcasino zu gehen.«
»Huch!« regte sie sich im Scherz auf. »Da war ich wohl nicht ganz bei Sinnen, wie? Du bist doch noch ein Knirps. Knirpse dürfen nicht ins Casino. Und dein Vater würde sich im Grab herumdrehen.«
»Uff!« ächzte er und warf sich nach hinten zurück. »Tante Bea und du! Immer, wenn ihr nicht weiterwißt, bringt ihr Papi ins Spiel. Ist doch echt mies!«
»Mag sein, aber du hast deinen Vater sehr geliebt. Es macht nichts, wenn wir dich an ihn erinnern.«
»Aber doch nicht so, Klaudia.«
Damit hatte er recht. Klaudia überholte zwei Wagen, dann fuhr sie langsamer. »Also gut. Wir fahren sowieso nicht nach Travemünde.«
»Wohin denn? Nach Sylt? Du wolltest da doch ein Haus kaufen.«
Das hatte sie noch vor Monaten vorgehabt, den Plan aber wieder verworfen. Sie ging gar nicht auf seine Frage ein.
»Nein, wir fahren nach Brädrum. So heißt das Dorf, in dem ein alter Freund von mir wohnt. Er hat mich eingeladen, aber ich habe nur unter der Bedingung zugesagt, daß ich dich mitbringen darf.«
Sofort richtete Sandro sich wieder auf. »Alter Freund? Ist ja noch mieser. So einer wie Onkel Detlef, wie? Den kann ich nicht leiden. Also dann ist die Woche mit dir ja wohl nichts wie Krampf. Hätte ich ja gleich bei Tante Bea bleiben können. Die läßt Onkel Detlef nur noch ins Haus, wenn ich nicht da bin.« Weil Klaudia nichts sagte, fügte er trotzig stöhnend hinzu: »Ich hätt’ mir den Zoff mit ihr auch ersparen können.«
»Zoff? Du hast mit ihr Zoff gehabt?«
»Klar. Sie sagt, du darfst keine ganze Woche mit mir zusammen sein.«
Der Ausdruck von überschäumender Ferienlaune auf Klaudias Gesicht war im Bruchteil einer Sekunde restlos dahin.
»Das stimmt«, gab sie kurz darauf zu. »Sie ist dein Vormund und hat das Sorgerecht.«
»Warum eigentlich? Warum du nicht?«
»Weil dein Vater seinem Testament nach dem Tod deiner Mutter eine Bestimmung hinzufügte. Damals im Schock über Ruths Tod befaßte er sich ein einziges Mal mit seinem eigenen Ende. Er wußte, wie Tante Bea dich liebt und hat sie im Fall seines Ablebens als deinen Vormund eingesetzt. Als er mich dann heiratete, hat er sich nie mehr mit dem Gedanken an sein eigenes Ende befaßt. Er war leichtsinnig. Oder einfach zu glücklich, um sich mit dem Tod zu befassen.«
»Klar war er glücklich. Weil du alles für ihn getan und nur für ihn gelebt hast.«
Das war nicht auf Sandros Mist gewachsen. »Wer sagt das?« fragte sie irritiert.
»Tante Bea. Sie sagt, mein Vater war der glücklichste Mann auf der Welt, weil du alles für ihn getan hast. Darum hattest du auch nie Zeit für mich. Und darum hat Papi sein Testament nicht geändert, weil er wußte, sie ist für einen Jungen wie mich besser als jede Stiefmutter.«
Ein Frösteln überlief Klaudia. »Ja, so war es wohl«, preßte sie mühsam heraus.
Beate hatte eiskalt gelogen. Aber nie würde sie ein Wort der Kritik für die Schwägerin finden. Sie wußte, wie Beate an Sandro hing und daß dem Jungen nichts bei seiner Tante fehlte. Er besucht seit einem Jahr das Gymnasium, auf dem Reinhard seinen Sohn gern gesehen hätte. Dort brachte Beate ihn jeden Morgen durch die halbe Stadt hin. Sie nahm dafür sogar ein geringeres Einkommen in Kauf, weil sie weniger Patienten betreuen konnte. Und nur, weil Reinhard ihr einen nicht geringen Teil seines Vermögens vermacht hatte und außerdem hervorragend für Sandro gesorgt wurde, erlitt sie keine finanziellen Einbußen.
In wenigen Jahren würde Tante Bea den Jungen bestimmt auch auf das Internat in Schleswig-Holstein schicken, von dem Reinhard immer so begeistert erzählt hatte. Sie nahm ihre Pflichten ja sehr ernst.
Und wenn sie es nicht tat, weil der Junge ihr ein und alles war und sie nicht auf ihn verzichten wollte? Ob sie sich dann für ihn starkmachen sollte? Klaudia wußte nicht, ob sie sich dann einem Kampf und dem Haß ihrer Schwägerin stellen würde.
Trotzdem empfand sie Mitleid mit Beate. Sie wußte zu gut, wie Sandro die Zeit mit ihr, seiner jungen Stiefmutter genoß. Ging es ihr nicht auch so? Dieses Gefühl der Unabhängigkeit und Lebensfreude hatte sie in ihrer Ehe nie gehabt. Jetzt teilte sie es mit dem Jungen, und das beides verband mehr denn je.
»Es tut mir leid. Ich habe ganz vergessen, Tante Bea anzurufen und sie um ihr Einverständnis zu fragen.«