Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte. Wilhelm Hauff

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Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte - Wilhelm  Hauff

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      Früher als gewöhnlich versammelten wir uns an der Wirtstafel und belagerten die Fenster. Eine alte baufällige Chaise wurde von zwei alten Kleppern die Straße herangeschleppt, sie hielt vor dem Wirtshaus; ›Das ist der Hasentreffer, der Hasentreffer‹, tönte es von aller Mund, und eine ganz besondere Fröhlichkeit bemächtigte sich unser, als wir das Männlein, zierlich gepudert, mit einem stahlgrauen Röcklein angetan, ein mächtiges Meerrohr in der Hand, aussteigen sahen. Ein Schwanz von wenigstens zehn Kellnern schloß sich ihm an; so gelangte er ins Speisezimmer.

      Man schritt sogleich zur Tafel; ich habe selten so viel gelacht, als damals, denn mit der größten Kaltblütigkeit behauptete der Alte, geraden Weges aus Kassel zu kommen, und vor sechs Tagen in Frankfurt im ›Schwanen‹ recht gut logiert zu haben. Schon vor dem Dessert mußte Barighi verschwunden sein, denn als der Oberjustizrat aufstand, und sich auch die übrigen Gäste erwartungsvoll erhoben, war er nirgends mehr zu sehen.

      Der Oberjustizrat stellte sich ans Fenster, wir alle folgten seinem Beispiele und beobachteten ihn. Das Haus gegenüber schien öde und unbewohnt; auf der Türschwelle sproßte Gras, die Jalousien waren geschlossen, zwischen einigen schienen sich Vögel eingebaut zu haben.

      ›Ein hübsches Haus da drüben‹, begann der Alte zu dem Wirt, der immer in der dritten Stellung hinter ihm stand. ›Wem gehört es?‹ ›Dem Oberjustizrat Hasentreffer, Eurer Exzellenz aufzuwarten.‹

      ›Ei, das ist wohl der nämliche, der mit mir studiert hat?‹ rief er aus; ›der würde mir es nie verzeihen, wenn ich ihm nicht meine Anwesenheit kundtäte.‹ Er riß das Fenster auf, ›Hasentreffer – Hasentreffer‹, schrie er mit heiserer Stimme hinaus – Aber wer beschreibt unseren Schrecken, als gegenüber in dem öden Haus, das wir wohl verschlossen und verriegelt wußten, ein Fensterladen langsam sich öffnete; ein Fenster tat sich auf, und heraus schaute der Oberjustizrat Hasentreffer im zitzenen Schlafrock und der weißen Mütze, unter welcher wenige graue Löckchen hervorquollen; so, gerade so pflegte er sich zu Haus zu tragen. Bis auf das kleinste Fältchen des bleichen Gesichtes, war der gegenüber der nämliche wie der, der bei uns stand. Aber Entsetzen ergriff uns, als der im Schlafrock mit derselben heiseren Stimme über die Straße herüberrief: ›Was will man, wem ruft man? he!‹

      ›Sind Sie der Herr Oberjustizrat Hasentreffer?‹ rief der auf unserer Seite, bleich wie der Tod, mit zitternder Stimme, indem er sich bebend am Fenster hielt.

      ›Der bin ich‹, kreischte jener, und nickte freundlich grinsend mit dem Kopfe; ›steht etwas zu Befehl?‹

      ›Ich bin er ja auch‹, rief der auf unserer Seite wehmütig, ›wie ist denn dies möglich?‹

      ›Sie irren sich, Wertester‹, schrie jener herüber, ›Sie sind der dreizehnte; kommen Sie nur ein wenig herüber in meine Behausung, daß ich Ihnen den Hals umdrehe; es tut nicht weh.‹

      ›Kellner, Stock und Hut!‹ rief der Oberjustizrat, matt bis zum Tod, und die Stimme schlich ihm in kläglichen Tönen aus der hohlen Brust herauf. ›In meinem Haus ist der Satan, und will meine Seele; – vergnügten Abend meine Herrn‹; setzte er hinzu, indem er sich mit einem freundlichen Bückling zu uns wandte, und dann den Saal verließ.

      ›Was war das?‹ fragten wir uns, ›sind wir alle wahnsinnig?‹ –

      Der im Schlafrock schaute noch immer ganz ruhig zum Fenster hinaus, während unser gutes altes Närrchen in steifen Schritten über die Straße stieg. An der Haustüre zog er einen großen Schlüsselbund aus der Tasche, riegelte – der im Schlafrock sah ihm ganz gleichgültig zu –, riegelte die schwere, knarrende Haustüre auf, und trat ein.

      Jetzt zog sich auch der andere vom Fenster zurück, man sah wie er dem unsrigen an die Zimmertüre entgegenging.

      Unser Wirt, die zehn Kellner waren alle bleich von Entsetzen und zitterten: ›Meine Herren‹, sagte jener, ›Gott sei dem armen Hasentreffer gnädig, denn einer von beiden war der Leibhaftige.‹ – Wir lachten den Wirt aus, und wollten uns selbst bereden, daß es ein Scherz von Barighi sei, aber der Wirt versicherte, es habe niemand in das Haus gehen können, außer mit den überaus künstlichen Schlüsseln des Rats, Barighi sei 10 Minuten, ehe das Gräßliche geschehen, noch an der Tafel gesessen, wie hätte er denn in so kurzer Zeit die täuschende Maske anziehen können, vorausgesetzt auch, er hätte sich das fremde Haus zu öffnen gewußt. Die beiden seien aber einander so greulich ähnlich gewesen, daß er, ein zwanzigjähriger Nachbar, den echten nicht hätte unterscheiden können. ›Aber um Gottes willen, meine Herrn, hören Sie nicht das gräßliche Geschrei da drüben?‹

      Wir sprangen ans Fenster, schreckliche trauervolle Stimmen tönten aus dem öden Hause herüber, einigemal war es uns, als sähen wir unsern alten Oberjustizrat, verfolgt von seinem Ebenbild im Schlafrock am Fenster vorbeijagen. Plötzlich aber war alles still.

      Wir sahen einander an; der Beherzteste machte den Vorschlag, hinüberzugehen; alle stimmten überein. Man zog über die Straße, die große Hausglocke an des Alten Haus tönte dreimal, aber es wollte sich niemand hören lassen: da fing uns an zu grauen; wir schickten nach der Polizei und dem Schlosser, man brach die Türe auf, der ganze Strom der Neugierigen zog die breite, stille Treppe hinauf, alle Türen waren verschlossen; eine ging endlich auf, in einem prachtvollen Zimmer lag der Oberjustizrat im zerrissenen stahlfarbigen Röcklein, die zierliche Frisur schrecklich verzaust, tot, erwürgt auf dem Sofa.

      Von Barighi hat man weder in Stuttgart, noch sonst irgendwo jemals eine Spur gesehen.«

      Drittes Kapitel

      Der schauervolle Abend (Fortsetzung)

       Inhaltsverzeichnis

      Der Professor hatte seine Erzählung geendet, wir saßen eine gute Weile still und nachdenkend. Das lange Schweigen ward mir endlich peinlich, ich wollte das Gespräch wieder anfachen, aber auf eine andere Bahn bringen, als mir ein Herr von mittleren Jahren in reicher Jagduniform, wenn ich nicht irre, ein Oberforstmeister aus dem Nassauischen, zuvorkam.

      »Es ist wohl jedem von uns schon begegnet, daß er unzählige Male für einen andern gehalten wurde, oder auch Fremde für ganz Bekannte anredete, und sonderbar ist es, ich habe diese Bemerkung oft in meinem Leben bestätigt gefunden, daß die Verwechslung weniger bei jenen platten, alltäglichen, nichtssagenden Gesichtern, als bei auffallenden, eigentlich interessanten vorkommt.«

      Wir wollten ihm seine Behauptung als ganz unwahrscheinlich verwerfen, aber er berief sich auf die wirklich interessante Erscheinung unseres Natas; »Jeder von uns gesteht«, sagte er, »daß er dem Gedanken Raum gegeben, unsern Freund, nur unter anderer Gestalt, hier oder dort gesehen zu haben, und doch sind seine scharfen Formen, sein gebietender Blick, sein gewinnendes Lächeln ganz dazu gemacht, auf ewig sich ins Gedächtnis zu prägen.«

      »Sie mögen so unrecht nicht haben«, entgegnete Flaßhof, ein preußischer Hauptmann, der auf die Strafe des Arrestes hin, schon zwei Tage bei uns gezaudert hatte, nach Koblenz in seine Garnison zurückzukehren, »Sie mögen recht haben; ich erinnere mich einer Stelle aus den launigen Memoiren des italienischen Grafen Gozzi, die ganz für Ihre Behauptung spricht: ›Jedermann‹, sagt er, ›hat den Michele d’Agata gekannt und weiß, daß er einen Fuß kleiner und wenigstens um zwei dicker war, als ich, und auch sonst nicht die geringste Ähnlichkeit in Kleidung und Physiognomie mit mir gehabt hat.

      Aber lange Jahre hatte ich alle Tage den Verdruß, von Sängern, Tänzern, Geigern und Lichtputzern als Herr Michele d’Agata angeredet zu sein und lange Klagen über schlechte

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