Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte. Wilhelm Hauff
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Seufzend ging die hohe Türe auf, in einem Sprung war jener in der Kirche. Der Küster schloß behutsam wieder hinter sich ab und ging dann voraus mit der Laterne; stille folgten ihm die Fremden. In wunderlichen Schatten und Figuren spielte das schwache Licht der Laterne an den hohen Säulen des Doms, nur auf wenige Schritte verbreitete es Helle, verschwebte dann in matte Dämmerung, bis es sich in der tiefen Nacht des Gewölbes verlor. Manchmal schien es, als schritten hohe Gestalten in weiten schleppenden Gewändern hinter den Säulen ihnen nach; scheu blickte Emil von Martiniz nach allen Seiten und ging dann schneller hinter dem Küster her. Dumpf schallten ihre Schritte auf dem hohlen Boden, unter welchem eine alte Gruft sich befand und ein vielfaches Echo gab diese Töne aus allen Ecken zurück.
So waren sie bis an den Altar gekommen. Martiniz setzte sich dort auf die Stufen, das Gesicht, das bei dem Schein der trübe brennenden Laterne auch viel bleicher erschien, stützte er auf die Hand, daß die glänzend rabenschwarzen Ringellocken darüber herabfielen. Der Diener winkte dem Küster, zog ihn auf eine Bank an der Seite zu sich nieder, und gab ihm durch Zeichen zu verstehen, daß er schweigen und sich ganz ruhig verhalten möchte.
Tiefe Stille herrschte mehrere Minuten in den großen dunklen Hallen, tiefe Stille draußen in der Nacht; nur vom Altar her hörte man ein leises Wispern, Martiniz schien zu beten. Bald aber erhob sich lauter die Nachtluft und wehte um die Kirche, je lauter es wurde, desto unruhiger wurde Emil; er seufzte, er blickte einigemal auf und lauschte nach der Seite hin, wo der Luftzug stärker wehte.
Näher und näher heulte der Wind, die Fenster bebten, das Licht der Laterne wehte seine Schatten her und hin, die alten verblichenen Banner, die an der Mauer hingen, rollten sich auf und bewegten ihre zerfetzten Bilder an der schwachbeleuchteten Wand.
Jetzt brauste der Sturm auf in gewaltigen Stößen; krachend stürzte ein Fenster des Chors auf die breiten Quader des Bodens, daß der Schall durch die Halle tönte und – mit fürchterlichem Lachen des Wahnsinns fuhr der am Altar auf und sprang die Stufen hinan. Gellend tönten diese hohlen Töne der Verzweiflung durch die Gewölbe: »Er kann nicht herein, er kann nicht herein zu mir«, schrie er, »darum hat er die Wolken aufgezäumt, auf dem Sturmwind reitet er um die Kirche; ça ça! Holla Antonio – wie schäumt das Purpurblut deiner Wunde! rase, tobe durch die Lüfte, du kannst doch nicht herein zu meiner Freistatt!« –
Der Sturm legte sich, ferner und ferner rollte der Wind und säuselnd zog die Nachtluft durch die Kirche; der Mond schien freundlich durch die hellen Scheiben, und mit des Sturmes Toben schien auch der Sturm in Emils Brust gewichen zu sein; »Seht ihr«, sprach er wehmütig und zeigte an die vom Mond beschienenen Fenster hinauf, »seht ihr, wie er so ernst und zürnend auf mich herabsieht! Kannst du denn nicht vergeben, Antonio?«
Leiser wurde immer seine Klage, bis er weinend am Altare niedersank. Jetzt stand der alte Diener, dem während der schrecklichen Szene die Tränen in den grauen Wimpern gehangen, von seinem Sitze auf und unterstützte seinen Herrn; er wischte ihm den kalten Schweiß von der Stirne und die Tränen aus dem gebrochenen Auge und flößte ihm aus einer kristallenen Phiole mildernde Tropfen ein.
Der Ohnmächtige richtete sich wieder auf, hüllte sich tiefer in seinen Mantel und schritt durch die Kirche.
Der alte Diener aber trat zu dem Küster; »Ich danke, Alterle«, sagte er, »du hast jetzt gesehen, daß wir nichts Unrechtes in deinem Gotteshaus gemacht haben; dafür halte aber reinen Mund; und wenn du niemand ein Sterbenswörtchen hören läßt von dem was du hier gesehen und gehört hast, so kommen wir vielleicht morgen und manche Nacht wieder, und du sollst pflichtgemäß deinen Harten haben.«
»Das kann sich unsereiner schon gefallen lassen«, antwortete der Küster im Weitergehen, »soviel merke ich, daß Euer Herr entweder nicht richtig unter dem Hute ist, oder daß er mit dem Gottseibeiuns hier Versteckens spielt. Nun hier, denke ich, soll er ihn nicht holen; kommt nur morgen nacht wieder. Was das Stillschweigen betrifft, so seid außer Sorgen, von mir erfährt es kein Mensch, vor allem meine Ursel nicht, denn ich denke, was sie nicht weiß, macht ihr nicht heiß.«
Der alte Diener lobte den Entschluß des Küsters und nahm am Portal mit einem Händedruck von ihm Abschied. »Ist doch schade um ein so junges schönes Blut«, brummte dieser vor sich hin, indem er seinem Häuschen zuschritt; »so jung und hat schon Affären mit Herrn Urian. Nun, er soll ihn immer noch ein Halbjährchen reiten; um die harten Taler kann man zur Not so guten Wein kaufen, als die Freilinger Maurermeister hatten, um den Kalk zu meinem Münster festzumachen.«
Prinz Wilhelm
(Nach der Weise: Prinz Eugen etc.)
Prinz Wilhelm, der edle Ritter,
Ritt hinaus ins Schlachtgewitter,
Ritt mit aus in blut'gen Strauß;
Denn als man die Trommel rührte,
Und nach Frankreich abmarschierte,
Blieb der Kronprinz nicht zu Haus.
Durch des Rheines tiefe Wogen
Ist er schnell hindurchgezogen,
Ziehet weiter ohne Ruh.
Auf die Feinde durch die Wälder,
Durch die eisbedeckten Felder,
Auf die Feinde eilt er zu.
Bei Brienn' im dunkeln Walde
Unser Jägerhorn erschallte,
Unsre Trommeln wirbeln drein;
In den Feind durch Sumpf und Graben
Stürmt der Prinz mit seinen Schwaben,
Daß der Sieg muß unser sein.
Und bei Montereaus blut'ger Brücken,
Als der Feind wollt schier erdrücken
Unsre kleine treue Schar,
Hat er gegen Sturmsgewalten
Ritterlich den Paß gehalten,
Bis sein Volk gerettet war.
An der Aube, am Marnestrande,
An der Seine weitem Lande,
Kennt man Wilhelm und sein Schwert;
Epinal auf blut'gen Wegen,
Troyes' heißer Kugelregen
Haben seinen Stamm bewährt.
Ja, wo treue Schwaben stritten,
War auch in des Kampfes Mitten
Unser Kronprinz stets dabei;
Ja, so stritt im Schlachtgewitter
Prinz Wilhelm, der edle Ritter,
Furchtlos, wie sein Wort, und treu. Schlaget ein, ihr Kameraden!