Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte. Wilhelm Hauff
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Der alte Mensch hatte mir aufmerksam zugehört, sein Gesicht war immer heiterer geworden, und er lachte jetzt aus vollem Herzen: »Du bist, wie ich sehe, immer noch der alte«, sagte er, und schüttelte mir die Hand, »weißt jedem etwas aufzuhängen, und wenn er gerade aus Abrahams Schoß käme!«>
»Warum«, fuhr ich fort, »warum hältst du dich nicht länger und öfter hier in dem guten ehrlichen Deutschland auf? Kann man etwas Possierlicheres sehen, als diese Duodezländer? Das ist alles so – doch stille, da geht einer von der geheimen Polizei umher; man könnte leicht etwas aufschnappen, und den Ewigen Juden und den Teufel als unruhige Köpfe nach Spandau schicken; aber um auf etwas anderes zu kommen, warum bist du denn hier in Berlin?«>
»Das hat seine eigene Bewandtnis«, antwortete der Jude; »ich bin hier, um einen Dichter zu besuchen.«>
»Du einen Dichter?!« rief ich verwundert; »wie kömmst du auf diesen Einfall?«>
»Ich habe vor einiger Zeit ein Ding gelesen, man heißt es Novelle, worin ich die Hauptrolle spielte; es führte zwar den dummen Titel »> Der Ewige Jude>«, im übrigen ist es aber eine schöne Dichtung, die mir wunderbaren Trost brachte! Nun möchte ich den Mann sehen und sprechen, der das wunderliche Ding gemacht hat.«>
»Und der soll hier wohnen, in Berlin?« fragte ich neugierig, »und wie heißt er denn?«>
»Er soll hier wohnen, und heißt F. H. Man hat mir auch die Straße genannt, aber mein Gedächtnis ist wie ein Sieb, durch das man Mondschein gießt!«>
Ich war nicht wenig begierig, wie sich der Ewige Jude bei einem Dichter produzieren würde, und beschloß, ihn zu begleiten. »Höre Alter«, sagte ich zu ihm, »wir sind von jeher auf gutem Fuß miteinander gestanden, und ich hoffe nicht, daß du deine Gesinnungen gegen mich ändern wirst; sonst –«>
»Zu drohen ist gerade nicht nötig, Herr Satan«, antwortete er, »denn du weißt, ich mache mir wenig aus dir, und kenne deine Schliche hinlänglich, aber deswegen bist du mir doch als alter Bekannter ganz angenehm und recht; warum fragst du denn?«>
»Nun, du könntest mir die Gefälligkeit erweisen, mich zu dem Dichter, der dich in einer Novelle abkonterfeite, mitzunehmen; willst du nicht?«>
»Ich sehe zwar nicht ein, was für Interesse du dabei haben kannst«, antwortete der Alte, und sah mich mißtrauisch an; »du könntest irgendeinen Spuk im Sinne haben, und dir vielleicht gar mit bösen Absichten auf des braven Mannes Seele schmeicheln; dies schlage dir übrigens nur aus dem Sinn; denn der schreibt so fromme Novellen, daß der Teufel selbst ihm nichts anhaben kann; – doch meinetwegen kannst du mitgehen.«>
»Das denke ich auch; was diese Seele betrifft, so kümmere ich mich wenig um Dichter und dergleichen, das ist leichte Ware, welcher der Teufel wenig nachfragt. Es ist bei mir nur Interesse an dem Manne selbst, was mich zu ihm zieht. Übrigens in diesem Kostüm kannst du hier in Berlin keine Visiten machen, Alter!«>
Der Ewige Jude beschaute mit Wohlgefallen sein abgeschabtes braunes Röcklein mit großen Perlmutterknöpfen, seine lange Weste mit breiten Schößen, seine kurzen, zeisiggrünen Beinkleider, die auf den Knien ins Bräunliche spielten; er setzte das schwarzrote dreieckige Hütchen aufs Ohr, nahm den langen Wanderstab kräftiger in die Hand, stellte sich vor mich hin und fragte:>
»Bin ich nicht angekleidet stattlich wie König Salomo und zierlich wie der Sohn Isais? Was hast du nur an mir auszusetzen? Freilich trage ich keinen falschen Bart wie du, keine Brille sitzt mir auf der Nase, meine Haare stehen nicht in die Höhe à la Wahnsinn; ich habe meinen Leib in keinen wattierten Rock gepreßt, und um meine Beine schlottern keine ellenweite Beinkleider, wozu freilich Herr Bocksfuß Ursache haben mag –.«>
»Solche Anzüglichkeiten gehören nicht hieher«, antwortete ich dem alten Juden; »wisse, man muß heutzutage nach der Mode gekleidet sein, wenn man sein Glück machen will, und selbst der Teufel macht davon keine Ausnahme. Aber höre meinen Vorschlag. Ich versehe dich mit einem anständigen Anzug und du stellst dafür meinen Hofmeister vor; auf diese Art können wir leicht Zutritt in Häusern bekommen und wie wollte ich dir’s vergelten, wenn uns dein Dichter in einen ästhetischen Tee einführte.«>
»Ästhetischer Tee, was ist denn das? in China habe ich manches Maß Tee geschluckt, Blumentee, Kaisertee, Mandarinentee, sogar Kamillentee, aber ästhetischer Tee war nie dabei.«>
»O sancta simplicitas! Jude, wie weit bist du zurück in der Kultur; weißt du denn nicht, daß dies Gesellschaften sind, wo man über Teeblätter und einige schöne Ideen genugsam warmes Wasser gießt und den Leuten damit aufwartet? Zucker und Rum tut jeder nach Belieben dazu und man amüsiert sich dort trefflich.«>
»Habe ich je so etwas gehört, so will ich Hans heißen«, versicherte der Jude, »und was kostet es, wenn man’s sehen darf?«>
»Kosten? nichts kostet es, als daß man der Frau vom Haus die Hand küßt, und wenn ihre Töchter singen oder mimische Vorstellungen geben, hie und da ein ›wundervoll‹ oder ›göttlich‹ schlüpfen läßt.«>
»Das ist ein wunderliches Volk geworden in den letzten achtzig Jahren. Zu Friedrichs des Großen Zeiten wußte man noch nichts von diesen Dingen. Doch des Spaßes wegen kann man hingehen; denn ich verspüre in dieser Sandwüste gewaltig Langeweile.«>
Der Besuch war also auf den nächsten Tag festgesetzt; wir besprachen uns noch über die Rolle, die ich als Eleve von zwei-bis dreiundzwanzig Jahren, er als Hofmeister zu spielen hätte, und schieden.>
Ich versprach mir treffliche Unterhaltung von dem morgenden Tage. Der Ewige Jude hatte so alte, unbehülfliche Manieren, wußte sich so gar nicht in die heutige Welt zu schicken, daß man ihn im Gewand eines Hofmeisters zum wenigsten für einen ausgemachten Pedanten halten mußte. Ich nahm mir vor, mir selbst so viel Eleganz, als dem Teufel nur immer möglich ist, anzulegen und den Alten dadurch recht in Verlegenheit zu bringen. Zerstreuung war ihm überdies höchst nötig, denn er hatte in der letzten Zeit auf seinen einsamen Wanderungen einen solchen Ansatz zur Frömmelei bekommen, daß er ein Pietist zu werden drohte.>
Der Dichter, zu welchem mich der Ewige Jude führte, ein Mann in mittleren Jahren, nahm uns sehr artig auf. Der Jude hieß sich Doktor Mucker, und stellte in mir seinen Eleven, den jungen Baron von Stobelberg vor. Ich richtete meine äußere Aufmerksamkeit bald auf die schönen Kupferstiche an der Wand, auf die Titel der vielen Bücher, die umherstanden, um desto ungeteilter mein Ohr, und wenn es unbemerkt möglich war, auch mein Auge an der Unterhaltung teilnehmen zu lassen.>
Der alte Mensch begann mit einem Lob über die Novelle vom Ewigen Juden; der Dichter aber, viel zu fein und gebildet, als daß er seinen Gast hätte auf diesem Lob stehenlassen, wandte das Gespräch auf die Sage vom Ewigen Juden überhaupt, und daß sie in ihm auf jene Weise aufgegangen sei. Der Ewige schnitt, zur Verwunderung des Dichters, grimmige Gesichter, als dieser unter anderm behauptete: es liege in der Sage vom Ewigen Juden eine tiefe Moral, denn der Verworfenste unter den Menschen sei offenbar immer der, welcher seinen Schmerz über getäuschte Hoffnung gerade an dem auslasse, der diese Hoffnungen erregt habe; besonders verworfen erscheine er, wenn zugleich der, welcher die Hoffnung erregte, noch unglücklicher