Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada Gesammelte Werke bei Null Papier

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und da hat er heu­te sei­nen Brief ge­schrie­ben.

      Die Luft­klap­pe ist auch nicht schlecht. Nur zu be­kannt, viel zu be­kannt. In dem einen Bett­brett ist ein Riss – aber wenn ei­ner zu­fäl­lig hin­sieht, sieht er so­fort den Schim­mer vom Pa­pier. Er könn­te den Sche­mel auf den Tisch stel­len und das Dings auf den Schirm der De­cken­lam­pe le­gen, aber das ma­chen alle, und au­ßer­dem kann ge­ra­de ei­ner durch den Spi­on lin­sen, wenn er auf dem Tisch steht.

      Ku­falt dreht sich rasch um und sieht nach dem Spi­on. Rich­tig, er hat’s ge­fühlt, da ist ein Glotz­au­ge, das ist dem sei­nes, das Fisch­au­ge!

      Und in ge­spiel­ter Wut springt er ge­gen die Tür, bal­lert dar­an und brüllt: »Willst du weg vom Spi­on, Kal­fak­tor, ver­damm­ter!«

      Es geht knall­bums, die Tür fliegt auf, und in ihr steht der Haupt­wacht­meis­ter Rusch.

      Nun heißt es thea­tern, denn Rusch liebt nur die ei­ge­nen Spä­ße. Bei Haupt­wacht­meis­ter Rusch muss man de­mü­tig sein, und so ist Ku­falt ganz hübsch be­tre­ten, als er stot­tert: »O Ver­zei­hung, Herr Haupt­wacht­meis­ter! Herr Haupt­wacht­meis­ter ver­zei­hen, ich dach­te, es wäre das Biest von Kal­fak­tor, der kneis­tet im­mer, wo ich mei­nen Ta­bak las­se.«

      »Wat denn? Wat denn? Krach gib­t’s nicht. Der Lack geht von der Türe.«

      Ku­falt schmei­chelt: »Herr Haupt­wacht­meis­ter wis­sen doch, bei mir ist im­mer al­les in But­ter, kein Krat­zer im Lack.«

      Der Haupt­wacht­meis­ter, ein et­was stopp­li­ger Na­po­le­on, der wah­re Herr­scher über das Ge­fäng­nis, wort­karg, stets vol­ler Über­ra­schun­gen, er­bit­ter­ter Feind je­der Neue­rung, des Stu­fen­straf­voll­zugs, des Di­rek­tors, der Be­am­ten, je­des Ge­fan­ge­nen – der Haupt­wacht­meis­ter Rusch ant­wor­tet nicht, son­dern geht zum Schränk­chen, an dem die Per­so­na­li­en- und Ver­güns­ti­gungs­ta­fel hängt.

      »Was ist mit Vö­geln?« fragt er.

      »Mit Vö­geln?« fragt Ku­falt, halb ver­wirrt, halb grin­send.

      »Vö­geln! Vö­geln!« knarrt der De­spot är­ger­lich und tippt mit dem Fin­ger auf die Ver­güns­ti­gungs­ta­fel. »Hier steht: zwei Ka­na­ri­en­vö­gel. Wo sind die? Ver­scho­ben, was?«

      »Aber, Herr Haupt­wacht­meis­ter«, sagt Ku­falt vor­wurfs­voll und denkt da­bei voll Angst an den Hun­der­ter, der im­mer noch in sei­nem Hals­tuch steckt. »Die gel­ben Spat­zen sind doch drauf­ge­gan­gen, als im Win­ter die Zen­tral­hei­zung ka­putt war. Ich hab’s Ihren doch noch ge­sagt!«

      »Ge­lo­gen. Ge­lo­gen. Er­stun­ken. Ge­lo­gen. Der Schus­ter, der Maaß, hat zweie zu viel. Das sind dei­ne. Ver­scho­ben!«

      »Aber, Herr Haupt­wacht­meis­ter, ich habe es Ih­nen doch ge­sagt, dass sie kre­piert sind! Ich bin im Glas­kas­ten bei Ih­nen ge­we­sen und habe es Ih­nen ge­mel­det.«

      Der Haupt­wacht­meis­ter steht un­term Fens­ter. Er dreht dem Ge­fan­ge­nen den Rücken, der sieht nur die di­cken wei­ßen Hän­de, die mit den Schlüs­seln spie­len.

      Wenn er doch gin­ge! fleht Ku­falt. Je­den Au­gen­blick kommt die Vor­füh­rung zum Arzt und ich mit dem Schein im Hals­tuch! Ich bin ja ge­platzt! Ich kom­me gleich wie­der in Un­ter­su­chungs­haft!!

      »Die drit­te Stu­fe!« knurrt das Haupt. »Im­mer die drit­te Stu­fe. Alle Un­ord­nung im Bau. Ihr Geld, Ihre Ar­beits­be­loh­nung …«

      »Ja …?« fragt Ku­falt, als nichts mehr kommt.

      »Aufs Wohl­fahrt­samt. Da kannst du dir jede Wo­che fünf Mark ho­len.«

      »Herr Haupt­wacht­meis­ter«, fleht Ku­falt, »das wer­den Sie doch nicht tun, wo ich mei­ne Zel­le im­mer so fein ge­wie­nert habe!«

      »Wat denn! Tu ich. Mach ich. Mir ganz egal. Wie­nern …? Ord­nung mit Vö­geln – ha­ha­ha!«

      »Haha«, lä­chelt auch Ku­falt ge­hor­sam.

      »Was ist«, fragt der Haupt­wacht­meis­ter und kann plötz­lich Deutsch, »mit dem Net­ze­meis­ter und dem neu­en Net­ze­kal­fak­tor?«

      »Neu­er Net­ze­kal­fak­tor?« fragt Ku­falt. »Ist denn ein neu­er da? Den hab ich noch gar nicht ge­se­hen.«

      »Fio­le! Scheiß die an­de­ren an! Zehn Mi­nu­ten warst du bei de­nen in der Zel­le!«

      »Aber nein, Herr Haupt­wacht­meis­ter, ich war heu­te über­haupt nur zur Frei­stun­de aus mei­ner Zel­le!«

      Der Haupt­wacht­meis­ter streicht mit dem Fin­ger nach­denk­lich über das Schrank­dach. Er be­sieht den Fin­ger, nicht un­be­frie­digt, dann be­riecht er ihn. Nein: Es hat auch nicht eine Spur von Staub auf dem Schrank ge­le­gen. Er be­sinnt sich und geht ge­gen die Tür. »Also Ar­beits­be­loh­nung durch Wohl­fahrt.«

      Ku­falt über­legt fie­ber­haft: Sag ich jetzt nichts, so geht er und ich kann den Hun­der­ter ver­ste­cken, aber hän­ge ewig bei der Wohl­fahrt. Hau ich die aber in die Pfan­ne, bin ich zwar den Hun­der­ter los, krie­ge aber über­mor­gen mei­ne Ar­beits­be­loh­nung hier bar aus­be­zahlt. Aber auch nur viel­leicht.

      »Herr Haupt­wacht­meis­ter …«

      »He …?«

      »Ich war in der Zel­le – bei de­nen.«

      Der war­tet. Schließ­lich: »Was ist …?«

      »Der kriegt für den di­cken Ju­den Brie­fe. Da müs­sen Sie mal fil­zen ge­hen.«

      »Nur Brie­fe?«

      »Er wird’s ja nicht tun für die schö­ne Nase von dem.«

      »Weißt du was?«

      »Fil­zen müs­sen Sie, Herr Haupt­wacht­meis­ter. Heu­te noch, gleich – da fin­den Sie was.«

      Die Tür geht auf. »Ku­falt zum Arzt!«

      Ku­falt sieht auf den Haupt­wacht­meis­ter.

      »Los!« sagt der gnä­dig. »Vö­gel kre­pie­ren hier alle im Bau.«

      Dem Aas, dem Net­ze­meis­ter, habe ich das fein be­sorgt, denkt Ku­falt, als er die Trep­pe hin­un­ter­schlurrt. Nun hat er kei­ne Zeit, in mei­ner Zel­le zu su­chen. Ach Gott, das wäre ja jetzt auch egal! Nun habe ich den Schein doch noch bei mir, ver­dammt!

      6

      Der Wacht­meis­ter sieht Ku­falt über das Ge­län­der weg nach. »Ein biss­chen dal­li, Ku­falt! Tut, als wüss­te er nicht Be­scheid. Bist doch wahr­haf­tig ge­nug zum Arzt ge­lau­fen!«

      Ist ja gar

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