Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada Gesammelte Werke bei Null Papier

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      »Kei­ne lan­gen Ge­schich­ten, Meis­ter, oder ich ver­pfeif dich, dass du sel­ber Knast schiebst. Hier von we­gen dem al­ten Net­ze­kal­fak­tor Ar­rest be­sor­gen und den Speck­jä­ger ins Fett set­zen. – Hab doch kei­ne Angst, du dum­mes Schwein, es kos­tet ja bloß dein Geld! Ich bin mor­gen früh um fünf sel­ber am Fens­ter. Also raus, Meis­ter, mit der Ma­rie! Kip­pe? Tei­len kön­nen wir nicht, ich weiß ja nicht, wie viel du ge­kriegt hast. Ich bin bil­lig: hun­dert Mark!«

      »Da ist nichts zu ma­chen, Ro­sen­thal«, sagt der Meis­ter gott­er­ge­ben. »Das Geld müs­sen wir aus­spu­cken, wenn Sie nicht min­des­tens acht Wo­chen Ar­rest schie­ben wol­len. Der Ku­falt ist so.«

      »Kalt ist es da, Jung­chen«, grinst Ku­falt. »Lieg du mal erst drei Tage auf der Stein­prit­sche, da wird dir das Mark in den Kno­chen zu Eis. Also, wie wird’s?«

      »Sa­gen Sie ja, Herr Ro­sen­thal«, drängt der Meis­ter.

      Zwei Glo­cken­schlä­ge hal­len durchs Haus. Auf der gan­zen Sta­ti­on rührt es sich, Rie­gel knal­len …

      »Nu aber fix – oder ich bin in ei­ner Mi­nu­te beim Haupt­wacht­meis­ter!«

      »Sa­gen Sie doch ja, Herr Ro­sen­thal!«

      »Ich het­ze den Batz­ke auf dich, du dickes Schwein, der ist mein Kum­pel. Der beißt dir die Nase ab.«

      »Bit­te, sa­gen Sie ja, Herr Ro­sen­thal!«

      »Also ge­ben Sie ihm … aber ich tra­ge den Scha­den nicht al­lein, Meis­ter!«

      »Hand­geld«, sagt Ku­falt und spuckt auf den Hun­der­ter. »Über­mor­gen bin ich drau­ßen, Di­cker, da den­ke ich bei den klei­nen Mäd­chen an dich. – Du, Meis­ter, stell mir den Kü­bel auf die Zel­le wäh­rend der Frei­stun­de. Und Salz­säu­re stellst du da­ne­ben, sonst don­ner­t’s! Mor­gen!«

      Ku­falt huscht über den Gang in sei­ne Zel­le.

      1 gro­be Ar­beits­ho­se <<<

      4

      Lär­mend, klap­pernd, schwat­zend sind acht­zig Ge­fan­ge­ne die vier Ei­sen­trep­pen hin­un­ter­ge­schus­selt zum Erd­ge­schoss. Nun, am Tor zum Freihof, ste­hen zwei Wacht­meis­ter und wie­der­ho­len wie die Au­to­ma­ten: »Ab­stand neh­men! Es wird nicht ge­spro­chen. Neh­men Sie Ab­stand! Wer spricht, kriegt eine An­zei­ge.«

      Die Ge­fan­ge­nen schwat­zen doch. Nur in nächs­ter Nähe der Wacht­meis­ter wer­den sie stumm, aber kaum vor­bei, un­ter­hal­ten sie sich schon wie­der in je­nem lau­ten Flüs­ter­ton, der ge­ra­de über fünf Schrit­te Ab­stand reicht und bei dem nur der Mund nicht be­wegt wer­den darf, denn das ist Grund zu ei­ner An­zei­ge.

      Ku­falt ist hoch in Form. Er un­ter­hält sich gleich­zei­tig mit Vor­der- und Hin­ter­mann, die von ihm, dem Dritt­stuf­ler, Neu­es hö­ren wol­len.

      »Das ist eine Scheiß­hauspa­ro­le, dass die zwei­te Stu­fe jetzt auch zum Ra­dio darf. Glaub doch so was nicht, Mensch!«

      »Ja, über­mor­gen komm ich raus. – Weiß ich noch nicht. Vi­el­leicht dreh ich ein Ding, viel­leicht geh ich auch zu mei­nem Schwa­ger aufs Büro.«

      »Wie sol­len die denn hun­dert­fünf­und­zwan­zig Mann aus der zwei­ten Stu­fe in dem Schul­zim­mer un­ter­brin­gen?! Da ha­ben doch höchs­tens fünf­zig Platz! Du bist ja doof, Mensch. Je­den Dreck glaubst du!«

      »Mein Schwa­ger? Möchs­te wis­sen, glaub ich. – Der hat ein Filz­lat­schen­berg­werk, wenn du’s wis­sen willst. Da kannst du auch ’nen Pos­ten krie­gen.«

      »Hal­ten Sie den Mund, Ku­falt«, sagt der Wacht­meis­ter. »Im­mer die Her­ren von der drit­ten Stu­fe, die auf­fal­len.«

      »Ich hab nicht ge­re­det, Herr Wacht­meis­ter, ich hab nur tief ge­at­met.«

      »Den Mund sol­len Sie hal­ten, sonst ist ’ne An­zei­ge fäl­lig.«

      »Mei­ne Sa­chen hab ich beim Haus­va­ter. Al­les tipp­topp, Frack auf Sei­de, Lackstie­fel – Mensch, wird das ei­nem vor­kom­men nach den fünf Jah­ren!«

      »Ach, lass doch den Af­fen von Wacht­meis­ter quat­schen! Wenn der was will, ver­pfeif ich ihn. Der hat sich heim­lich von mir ein Ein­hol­netz und eine Hän­ge­mat­te stri­cken las­sen.«

      »Ich hab ja nur eine Angst … Wie lan­ge bist du drin? Drei Mo­na­te? Sag mal, tra­gen die Wei­ber noch so kur­ze Rö­cke? Mir ist er­zählt, sie tra­gen jetzt wie­der lan­ge Rö­cke …«

      »Das kann ich ihm nicht be­wei­sen? Das kann ich ihm doch be­wei­sen! Ich sag ein­fach zum Di­rek­tor: In der vier­ten Rei­he vom Ein­hol­netz ist eine Ma­sche dop­pelt ge­strickt, und schon ist er drin!«

      »Na, Gott sei Dank! Ist das so, kann man die gan­zen Schin­ken se­hen, wenn sie sich set­zen? Und beim Ra­deln das blo­ße Fleisch?«

      »Tre­ten Sie raus, Ku­falt, Sie sind ja heu­te rein ver­rückt! Wol­len Sie die letz­ten Tage noch Ar­rest schie­ben? Ge­hen Sie hier an der Mau­er, Son­der­lo­ge für die Her­ren von der drit­ten Stu­fe.«

      Ku­falt geht solo. Die im Kreis ver­spot­ten ihn: »Na­tür­lich die drit­te Grup­pe! – Die Speck­jä­ger! Die Ra­dio­her­ren! Bis­te stolz auf dei­ne drei Strei­fen, Ar­schle­cker?«

      »Ihr könnt mir alle …« Und er denkt: Hun­dert Mark. Fein! Nun habe ich schon min­des­tens vier­hun­dert Mark, und wenn Wer­ner Pau­se heu­te schreibt und Geld schickt … »Sie, Herr Wacht­meis­ter Stei­nitz, was kos­tet ei­gent­lich die Fahrt Drit­ter bis Ham­burg?«

      »Wol­len Sie sich jetzt mit mir un­ter­hal­ten? Sei­en Sie ru­hig, oder ich las­se Sie auf die Zel­le ab­füh­ren.«

      »Herr Wacht­meis­ter, Herr Wacht­meis­ter! Ich hät­te heu­te so schön Zeit, Ih­nen noch ’ne Ein­hol­ta­sche zu stri­cken.«

      »Frech willst du wer­den?! War­te, Jung­chen, ich schla­ge dir die Schlüs­sel über den Schä­del! Machst du, dass du …«

      »Ich hät­te heu­te wirk­lich Zeit, Herr Wacht­meis­ter! Und das Pfund Mar­ga­ri­ne, das Sie mir für die Hän­ge­mat­te ver­spro­chen ha­ben, ist auch noch nicht über­ge­kom­men.«

      »Schwei­ne­kerl! Er­pres­ser! Jetzt willst du Lam­pen ma­chen, was? Letz­ten Tag? Fei­ges Aas! – Ach was, tritt da rein. Werd ich mich noch mit dir är­gern! – Fünf Schrit­te Ab­stand – und dass Sie den Mund hal­ten, Ku­falt!«

      »Ich bin stie­kum, Herr Wacht­meis­ter, ich rede kei­nen Ton!«

      Es ist Mai, der Him­mel ist blau, jen­seits der Mau­er, über sie hin, blü­hen

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