Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Ich schwieg noch immer; also daher dieses neue Kostüm, diese frische Farbe, der warme zitternde Unterton der Stimme! Ein neuer Mann – und schon gurrt das verliebte Täubchen! Den Mann ins Kittchen gebracht – und nun kommt der andere mit der »inneren Sauberkeit«, der Hochanständige, dem sie blindlings vertraut! Ich sah aufmerksam auf ihren weißen, schon ein wenig fett werdenden Hals; der Kehlkopf bewegte sich, die Gute verschluckte, von den eigenen Worten gerührt, wie man so sagt, ihre Tränen. Ich hätte diesen Hals so gerne mit meinen Händen umspannt, und ich hätte ihn, das schwöre ich, trotz aller Fritsches nicht wieder losgelassen! Aber ich hütete mich wohl, nur wenige Tage trennten mich noch von der Freiheit. Sie wollte ich nicht allein treffen, da blieb dieser andere, der Hochanständige, der die Schamlosigkeit besaß, einem kranken Mann die Frau zu stehlen!
Sie sah mich noch immer an, und als sie nun wieder zu sprechen anfing, war der Ton ihrer Stimme kälter geworden, sie bat mich nicht mehr. Um ihren Mund lag ein Zug von Entschlossenheit, selbst Härte. »Du siehst mich immer nur an und sagst kein Wort«, begann sie wieder. »Ich sehe es wohl, in deinen Augen droht etwas Schreckliches. Aber das kann mich nicht beirren, nichts kann mich mehr beirren. Einmal in meinem Leben will ich Glücklichsein kennenlernen. Ich habe dir so viele Jahre geopfert, deiner Schwäche, deinem Eigensinn, deinem unsinnigen Dünkel und Menschenhass und dem vor allem, was du deine Liebe nennst! Das ist eine seltsame Art von Liebe, die ich nur zu spüren bekam, wenn du Forderungen hattest – aber nie durfte ich welche haben! Nein, davon habe ich genug …«
Sie hätte wohl noch weiter so geredet, aber auch ich hatte genug, von diesen Tiraden nämlich. Nachdem das Ködern durch Süße misslungen war, sollte ich nun durch den Hass zermalmt werden. Ich beugte mich weit über den Tisch und spie ihr mitten ins Gesicht. »Ehebrecherin …!«, rief ich.
Bei diesem lauten Ausruf drehte sich der Oberwachtmeister Fritsch am Fenster rasch um und starrte einen Augenblick maßlos verblüfft auf dies Bild, das sich ihm bot: ich, über den Tisch gelehnt, der Magda mit verächtlichem und drohendem Blick ansah, und meine ehemalige Frau, die keine Bewegung machte, den über die totenbleiche Wange laufenden Speichel abzuwischen, sondern die meinen Blick unverwandt erwiderte, aus der tiefsten Tiefe ihrer braunen Augen heraus. Und während wir uns so ansahen, war mir, als dränge ich mit meinem Blick tief in diese Frau ein, versänke den Bruchteil einer Sekunde in ihr, erspürte einen Menschen, den ich nie gekannt …
Dann war das vorbei, denn der Oberwachtmeister Fritsch hatte mich bei den Schultern gepackt und schüttelte mich wütend. »Sie unverschämter Flegel!«, schrie er. »Wie können Sie sich so etwas erlauben? Dem Medizinalrat werde ich Sie anzeigen! Das ist eine anständige Frau, verstehen Sie?« Und er schüttelte mich wieder mit all seinen Kräften, dass mein Kopf haltlos hin und her flog.
»Lassen Sie den Mann los, Herr Wachtmeister!«, sagte Magda mit tiefer, völlig erschöpfter Stimme. »Er hat vollkommen recht: Ich bin eine Ehebrecherin.« Einen Augenblick hielt sie ein, als überlege sie etwas. Dann wandte sie sich mir zu, ihr Auge leuchtete wieder, wieder hatte ihre Stimme Klang. »Und ich bin froh darüber, dass ich es tat!«, sagte sie mir ins Gesicht.
Dann ging sie langsam aus dem Sprechzimmer, endlich ihr Gesicht abwischend, aber nur ganz mechanisch.
63
Wie ich die Nacht nach diesem furchtbaren Wiedersehen verbrachte, kann ich nicht sagen. Dass ich in ihr nicht eine Minute lang schlief, dessen bin ich sicher. Ich wäre in dieser Nacht wohl zerbrochen und hätte allem Jammer ein Ende gemacht, wenn mich nicht der Gedanke an Rache aufrechterhalten hätte. Und ich würde diese Rache nehmen bis ins einzelnste, aber nicht nur nach meiner Entlassung; sofort, morgen schon würde ich an die Ausführung meiner Pläne gehen.
Ich würde mir einen jungen, schneidigen Anwalt bestellen und Gegenklage erheben in der Scheidungssache Sommer gegen Sommer, und ich würde beantragen, Magda als schuldigen Teil zu verurteilen. Hatte ich doch einen Zeugen, den Oberwachtmeister Fritsch, vor dem sie selbst den Ehebruch zugegeben hatte. Ach, ich würde Magda noch alle Ursache geben, dieses unbesonnene Eingeständnis zu bereuen, und ich hatte allen Grund zur Hoffnung, dass auch dieser hochanständige, erfolgreiche Geschäftsmann Herr Heinrich Heinze ihr schwere Vorwürfe deswegen nicht ersparen würde!
Darüber hinaus würde ich aber noch den Antrag stellen, dass der scheidende Richter den beiden ehebrecherischen Teilen die Ehe miteinander für ewig verbieten sollte. Oh, sie sollte diese ersehnte Art Glücklichsein schon kennenlernen, die gute Magda, unter meiner Fuchtel! Ich würde mein Geschäft verkaufen und den beiden immer auf den Fersen bleiben, ein steter Racheengel, ein ewiges Mahnmal begangener Schuld! Mir würde das schon nicht über werden; war ich ein schlechter Partner in der Liebe, wie Magda plötzlich entdeckt hatte, so war ich ein umso besserer im Hassen!
Und ich malte mir aus, wie ich auf meinen Reisen im Hotelzimmer neben dem ihren schlafen und durch geheimnisvolle Klopfzeichen ihren Schlaf stören würde. Ich sah mich, unerkennbar verkleidet, in das gleiche Zugabteil wie sie steigen und hinter einer dunklen Brille hervor ihr Tun beobachten; ich fuhr mit einem Auto hinter ihnen drein und bremste erst im allerletzten Augenblick, mich an ihrer Todesangst weidend, und ich sah sie – herrlichstes Bild meiner Rache – sterben, hingemordet von mir, aber unentdeckbar, und ihn an ihrer Seite knien, völliger Verzweiflung hingegeben, und ich stand neben ihm und flüsterte ihm meine Tat ins Ohr, gewiss, sie war unentdeckbar.
Ich raste, die Bilder jagten sich in meinem Hirn, ich hatte Fieber. Meine Gefährten schliefen schon längst, und noch immer stand ich am Zellenfenster, spann das Gewebe meiner Rache immer dichter und verworrener, zum kalten Gefunkel der Sterne aufblickend.
Der Morgen kam und fand mich leer und in fast völliger Apathie. Ich werde mein Frühstück ja wohl mit den anderen gegessen haben, erinnern kann ich mich nicht daran. Noch vor dem Antreten zur Arbeit benutzte ich einen unbewachten Augenblick und schlüpfte in meine Arbeitszelle hinüber – der Anblick meiner Leidensgenossen ekelte mich. Ich nahm ein paar Borsten zwischen die Finger und versuchte, sie in das Bürstenloch einzuführen;