Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada Gesammelte Werke bei Null Papier

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erst nach kur­z­er Hem­mung. »Sie sieht wirk­lich böse aus, Er­win!«

      »Ein Mit­ge­fan­ge­ner woll­te sie mir ab­bei­ßen, das war noch im Un­ter­su­chungs­ge­fäng­nis«, be­rich­te ich. »Es war je­ner Po­la­kow­ski, der dein Sil­ber­zeug stahl, Mag­da, du weißt.« Sie sieht mich nur an, mit ei­nem leich­ten Zu­cken um den Mund. Vi­el­leicht hät­te ich das wie­der nicht sa­gen sol­len, viel­leicht denkt Mag­da jetzt, dass ich es war, der zu­erst ihr Sil­ber­zeug stahl. Aber nein, so tö­richt und un­ge­recht kann Mag­da nicht den­ken, das Sil­ber war von mei­nem Gel­de ge­kauft, es war also mein Sil­ber, von Dieb­stahl kann nicht die Rede sein. »Ich habe ja ver­sucht, es dir wie­der­zu­be­schaf­fen, aber lei­der ver­geb­lich. Du hast nichts mehr da­von ge­hört, Mag­da?«

      Sie be­wegt ver­nei­nend den Kopf, als sei das al­les ganz un­we­sent­lich. »Du bist auch sonst ver­än­dert, Er­win«, be­harrt sie, »dei­ne Stim­me klingt ganz an­ders, viel lau­ter …«

      »Wir sind sechs­und­fünf­zig Män­ner auf mei­ner Sta­ti­on, Mag­da«, er­klä­re ich ihr, »über drei­ßig es­sen mit mir in ei­nem Raum, da muss man sei­ne Stim­me schon et­was an­stren­gen, wenn man ver­stan­den wer­den will.«

      »Ich ver­ste­he.« Sie lä­chelt schwach, ab­weh­rend. »Du führst ein sehr ver­än­der­tes Le­ben, du, der im­mer so für Zu­rück­hal­tung und Iso­lie­rung war.« Aber wie­der, mit ei­ner stö­ren­den Hart­nä­ckig­keit, kommt sie auf mein Aus­se­hen zu­rück, sie kann sich gar nicht dar­an ge­wöh­nen. »Du siehst aber auch sonst schlecht aus, Er­win. Fehlt dir was?«

      »Nichts«, ant­wor­te ich über­le­gen. »Fast nichts. Ein paar Fu­run­kel, sieh hier, im Na­cken habe ich auch wel­che, und auf dem Rücken … Aber dar­an ge­wöhnt man sich, alle in die­sem Bau ha­ben sie …«

      (Der Ober­wacht­meis­ter Fritsch räus­pert sich mah­nend. Das ist wohl schon un­ziem­li­che Kri­tik an der An­stalt. Aber ich den­ke nicht dar­an, dar­auf zu ach­ten.)

      Ich fah­re fort: »Und wenn ich ma­ger ge­wor­den bin und et­was grau aus­se­he, nun, Mag­da, wir be­kom­men hier nicht alle Tage ge­ra­de Gän­se­bra­ten mit Rot­kohl, in der Haupt­sa­che wer­den wir mit gu­tem, heißem Was­ser er­nährt …«

      Nun ist mei­ne Wut doch mit mir durch­ge­gan­gen. Die­se Wut über die Zu­rück­wei­sung mei­ner Lie­be, über das Ent­set­zen Mag­das vor mir: Mit ei­ner vor Hohn zit­tern­den Stim­me habe ich ge­spro­chen, ich will ihr Herz ver­let­zen, da ich es nicht rüh­ren kann.

      Ober­wacht­meis­ter Fritsch sagt dro­hend: »Noch eine sol­che Be­mer­kung, Som­mer, und ich bre­che die Sprech­stun­de ab und mel­de Sie!«

      Mag­da wen­det sich an ihn: »Ach, bit­te, neh­men Sie es ihm doch nicht übel! Sie ah­nen nicht, wie er sich ver­än­dert hat, er muss Schreck­li­ches durch­ge­macht ha­ben!« Ihre Stim­me zit­tert, ich lau­sche die­ser schwach­wer­den­den weib­li­chen Stim­me mit gie­ri­gem Ent­zücken. »Er war doch vor Kur­zem noch ein blü­hen­der, gut aus­se­hen­der Mann – und jetzt, ich hät­te ihn auf der Stra­ße nicht ge­kannt!« Ein paar Trä­nen tau­chen aus der Tie­fe ih­rer Au­gen auf und rin­nen lang­sam über ihre Wan­gen.

      Auch die­se Trä­nen be­ob­ach­te ich mit gie­ri­gem Ent­zücken. Nein, sie rüh­ren mich nicht. Nichts kann mein Herz mehr weich­ma­chen, zu schwer hat sie mich be­lei­digt! Aber ich ge­nie­ße es, dass nun auch sie lei­det; sie soll es auch füh­len, end­lich fühlt sie es, was sie mit mir an­ge­rich­tet hat, wie schwer sie sich durch ihre Spio­na­ge, ihre un­be­dach­te Re­de­rei ge­gen mich ver­gan­gen hat, wel­ches Ver­häng­nis sie auf mein Haupt her­ab­ge­zo­gen hat.

      Mag­da fährt fast fie­ber­haft er­regt, halb zum Ober­wacht­meis­ter, halb zu mir ge­wen­det, fort: »Aber ich kann dir doch schi­cken, Er­win, was du brauchst! Hät­te ich das ge­ahnt! Darf ich ihm ein Pa­ket mit Ess­wa­ren schi­cken, Herr …?«

      »Das dür­fen Sie, Frau Som­mer«, sagt Fritsch gnä­dig. »Auch Rauch­wa­ren sind er­laubt. Hier ist über­haupt vie­les er­laubt. Aber«, fährt er fort und sieht Mag­da au­gen­zwin­kernd aus sei­nem fet­ten Ge­sicht an, »Sie müs­sen be­den­ken, vie­le von die­sen Kran­ken wis­sen wirk­lich nicht, wann sie satt sind. Sie fres­sen und fres­sen – ein gan­zes Pa­ket voll, zwei Bro­te an ei­nem Tag! Und nach­her sind sie krank, und wir ha­ben un­se­re Mühe mit ih­nen. Man darf nicht al­les glau­ben, was die­se Kran­ken er­zäh­len.«

      Und ich muss still da­bei­sit­zen und mir die­se Ge­mein­hei­ten mit an­hö­ren, der fet­te Fritsch ist mein Vor­ge­setz­ter, ich darf ihm nicht wi­der­spre­chen. Ich den­ke an die Hun­ger­ge­stal­ten drü­ben, die Kar­tof­fel­scha­len fres­sen und je­den ver­spritz­ten Trop­fen Sau­ce vom Tisch ab­le­cken, und die Wut steigt wie­der in mir hoch. Aber ich be­zwin­ge mich, ich sage rasch und lä­chelnd: »Ich dan­ke dir viel­mals für dei­ne gu­ten Ab­sich­ten, Mag­da, aber ich brau­che wirk­lich nichts. Herr Ober­wacht­meis­ter Fritsch hat ganz recht: Die Kran­ken ken­nen kein Maß. Gott sei Dank ge­hö­re ich nicht zu ih­nen, gott­lob wer­de ich wohl schon in kur­z­em von hier fort­kom­men …«

      Ver­wirrt sieht mich Mag­da an. »Aber du sprachst doch eben selbst von Was­ser, Er­win …«, sagt sie.

      »Ich sprach von Gän­se­bra­ten«, la­che ich, »und das Was­ser habe ich nur um des Kon­tras­tes wil­len da­ge­gen­ge­setzt. Nein, nein, Mag­da, mach dir nur kei­ne Ge­dan­ken, wir wer­den voll­kom­men aus­rei­chend er­nährt, wie dir eben Herr Fritsch auch ge­sagt hat. Schließ­lich tue ich ja auch kei­ne schwe­re Ar­beit, ich ma­che Bürs­ten, Mag­da, ich bin ein rich­ti­ger Bürs­ten­ma­cher ge­wor­den. Hät­test du das je von mir ge­dacht, Mag­da? Du sitzt auf mei­nem Stuhl im Kon­tor, und dein Mann macht un­ter­des Bürs­ten. Gibt es nicht ein Lied vom mun­te­ren Bürs­ten­ma­cher, ach nein, das ist ein mun­te­rer Sei­fen­sie­der. Aber auch ich bin mun­ter und ver­gnügt in mei­ner Zel­le beim Bürs­ten­ma­chen, ich pfei­fe und sin­ge den gan­zen Tag, ach nein, das tue ich na­tür­lich nicht, denn das ist in die­sem Haus der vie­len Er­laub­nis­se ver­bo­ten. Aber in­ner­lich pfei­fe und sin­ge ich …«

      Ich habe im­mer ra­scher und höh­nen­der ge­spro­chen, mein Zorn riss mich fort, aber da­bei be­herrsch­te ich mich doch, äu­ßer­lich sah al­les ganz glatt und zu­frie­den­stel­lend aus. Ich be­merk­te die stei­gen­de Ver­wir­rung in Mag­das Ge­sicht, sie hat ein paar­mal wäh­rend mei­ner Wor­te das Ta­schen­tuch be­nutzt und an ih­ren Au­gen ge­wischt. Fritsch hat sich auf sei­nem Stuhl zu­rück­ge­lehnt und be­trach­tet ge­lang­weilt die Flie­gen an der Zim­mer­de­cke. Er ist viel zu grob be­sai­tet, um den iro­ni­schen Un­ter­ton mei­ner Wor­te her­aus­zu­spü­ren.

      Üb­ri­gens hat Mag­da ein Ko­stüm an, das ich noch nicht an ihr ken­ne: ein dun­kel­grau­es, sehr schickes Ko­stüm mit ei­nem hel­len Na­del­strei­fen. Ich den­ke mit Bit­ter­keit dar­an, dass mei­ne zu mir ge­hö­ren­de Frau in ei­ner Zeit, da ich Maß­lo­ses litt, Zeit und Lust hat­te, an ein neu­es Ko­stüm zu den­ken, zur Schnei­de­rin zu ge­hen, An­pro­ben zu hal­ten … So un­ge­recht sind die Lose ver­teilt, so ge­dan­ken­los sind selbst die bes­ten Ehe­frau­en! – Üb­ri­gens sieht Mag­da gut aus, sie hat sich in der Zeit un­se­rer Tren­nung

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