Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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»Den kenn ich noch nicht. Der ist neu, der ist ’ne Schiebung vom Netzemeister. So ein dicker Jude, eine faule Pleite soll er gemacht haben …«
»Nee?« sagt Kufalt, und ihm fällt ein Wortfetzen ein, den er vorhin hörte, als er mit seinem Kübel an der Zellentür vorbeikam. »So ist das also. Na, den schleimigen Netzeonkel habe ich lange auf dem Strich, den will ich jetzt mal in Salz legen. – Kneiste mal, du Neuer, ob die Luft rein ist. – O Gott!« ruft er verzweifelt, »was für Säuglinge schicken die uns hier in den Bau! Reißt die Tür auf, dass der ganze Bunker zusammenfällt! Kneisten sollst du! – Ist der Rusch in seinem Glaskasten? Nicht? Na, dann will ich mal die Netzeonkels besuchen. Morgen.«
Er nimmt seinen Kübel und tritt den Rückweg zur Zelle an.
3
Auf seinem Rückmarsch hat Kufalt einen Blick zum Glaskasten geworfen: Dort ist die Lage unverändert, Oberwachtmeister Suhr studiert den »Stadt- und Landboten«.
Vor der Zelle des Netzekalfaktors tritt Kufalt einen Schritt seitlich, drückt sich fest in die flache Türnische und lauscht.
Da steht er nun, in blauer Beiderwandhose1 und gestreiftem Anstaltshemd, die Füße in Schlappen, mit spitzer, gelblicher Nase, blass, magere Glieder, aber ein Bauch. Etwa achtundzwanzig Jahre. Eigentlich hat er freundliche braune Augen, nur spuken sie, irrlichterieren, verweilen nirgends. Sein Haar ist auch braun. Er steht so da, horcht, versucht zu verstehen, was sie da reden. Den Kübel hält er noch immer mit beiden Händen vor dem Bauch.
Einer sagt drinnen erregt: »Und Sie werden mir die zehn Mark geben! Wozu schickt Ihnen meine Frau ständig Geld?«
Und die ölige, sachte Stimme des Netzemeisters: »Ich tu ja für Sie, was ich kann. Dass ich Sie beim Arbeitsinspektor zum Netzekalfaktor durchgedrückt habe, das können Sie mir nicht genug danken!«
»Ach was, danken!« sagt der andere böse. »Viel lieber wäre ich zu den Tüten gekommen. Hier an dem Bindfaden reißt man sich die ganzen Hände blutig.«
»Das ist nur die ersten Wochen«, tröstet der Netzemeister. »Das werden Sie gewöhnt. Bei den Tüten ist es viel schlechter. Die wollen alle zu mir, die Tüten kleben.«
»Eine Hautschere müssen Sie mir auch besorgen, überall kriege ich Reißnägel …«
»Da müssen Sie sich am Mittwoch zum Hausvater vormelden. Der hat eine Hautschere. Da werden Sie vorgeführt und können sich die Reißnägel abschneiden.«
»Wann werde ich denn da vorgeführt?«
»Wie der Hausvater Zeit hat. Sonnabend oder Montag, vielleicht auch schon Freitag.«
»Meschugge sind Sie!« schreit der andere. »Nächsten Montag, und meine Hände bluten schon jetzt! Das ganze Netz ist blutig, sehen Sie!«
Er schreit immer lauter.
Kufalt vor der Tür grinst. Er kennt das, wie es ist, wenn die Hände von dem scharfen Sisalgarn zu bluten anfangen, und morgens ziehen sich die feinen, harten Fäserchen durch die Risse. Freilich, ihm hat niemand gesagt, dass der Hausvater eine Hautschere hat, er hat sich die Reißnägel mit zwei Scherben abgeklemmt.
Ärgere dich nur, Freundchen, denkt er. Hoffentlich schiebst du einen langen Knast, dass du alles auch richtig lernst. – Mein Kübel stinkt aber wieder mal gemein. Muss ich noch mit Salzsäure reinmachen. Wenn ich heute vor den Arzt komme, muss mir der Lazarettkalfaktor welche ausspucken …
»Und nun geben Sie mir endlich die zehn Mark. Ich lasse mich nicht dumm reden von Ihnen. Mein eigen Geld werde ich doch noch kriegen können.«
»Machen Sie sich und mich nicht unglücklich, Herr Rosenthal«, sagt der Meister bittend. »Was wollen Sie mit Geld im Bau? Ich besorge Ihnen doch alles, was Sie wollen. Ich kauf Ihnen auch ’ne Hautschere, aber Bargeld im Bau – das kann ja Kopp und Kragen kosten.«
»Stellen Sie sich nur nicht so an«, sagt der Gefangene Rosenthal. »Sie sind ja gar kein Beamter, Sie sind doch nicht vereidigt. Sie sind hier bloß von der Netzefirma, um die Arbeit auszugeben. Gar nichts kann Ihnen passieren.«
»Was wollen Sie bloß mit Bargeld? Das müssen Sie mir wenigstens sagen!«
»Tabak will ich mir kaufen.«
»Das ist bestimmt nicht wahr, Herr Rosenthal. Tabak können Sie doch von mir kriegen. Wozu wollen Sie das Geld?«
Der andere schweigt.
»Wenn Sie es mir sagen, so sollen Sie es kriegen. Aber ich will wissen, wer es kriegt und wofür. Manche sind, die sind stiekum, da kann man es machen.«
»Stiekum?«
»Die machen keine Lampen, Herr Rosenthal, die hauen uns nicht in die Pfanne, die scheißen uns nicht an, die verpfeifen uns nicht – die verraten uns nicht. So heißt das hier.«
»Ich will Ihnen sagen«, flüstert der andere – und Kufalt muss sein Ohr ganz dicht an den Türspalt legen, um zu verstehen –, »aber Sie dürfen nichts verraten. Da ist ein großer Schwarzer, ein Gewalttätiger, sage ich Ihnen, der schlägt mich tot, wenn ich ihn verrate, hat er mir gesagt. In der Heizung ist er, er hat sich an mich herangemacht, in der Freistunde …«
»Der Batzke«, sagt der Meister. »Da haben Sie den richtigen Ganoven gefasst.«
»Er hat mir versprochen, wenn ich ihm zehn Mark gebe – Meister, Sie verraten uns nicht, nein? Gerade gegenüber von meinem Fenster, auf der anderen Seite von der Straße, jenseits der Mauer, steht ein Haus.« Der Rosenthal schluckt, holt tief Atem. Dann: »Ich kann gerade in die Fenster reinsehen. Und zweimal habe ich dort ’ne Frau gesehen. Und der Schwarze hat mir geschworen, wenn ich ihm die zehn Mark gebe, so steht sie morgen früh um fünf am Fenster, ganz nackt, und ich darf sie sehen. Ach, Meister, geben Sie die zehn Mark! Ich komme hier um, ich bin schon halb verrückt! Meister, Sie müssen!«
»Diese Jungen«, sagt der Netzemeister bewundernd und stolz, »was die für Dinger drehen! Aber wenn der Batzke es Ihnen sagt, der macht es! Und der verpfeift uns auch nicht. Hier haben Sie …«
Kufalt zwängt