Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada Gesammelte Werke bei Null Papier

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ein halb Dut­zend Jun­gens für sich auf Bruch ge­hen las­sen, und sie hat die Sore … Wer ist denn jetzt Kal­fak­tor?«

      »Den kenn ich noch nicht. Der ist neu, der ist ’ne Schie­bung vom Net­ze­meis­ter. So ein di­cker Jude, eine fau­le Plei­te soll er ge­macht ha­ben …«

      »Nee?« sagt Ku­falt, und ihm fällt ein Wort­fet­zen ein, den er vor­hin hör­te, als er mit sei­nem Kü­bel an der Zel­len­tür vor­bei­kam. »So ist das also. Na, den schlei­mi­gen Net­ze­on­kel habe ich lan­ge auf dem Strich, den will ich jetzt mal in Salz le­gen. – Kneis­te mal, du Neu­er, ob die Luft rein ist. – O Gott!« ruft er ver­zwei­felt, »was für Säug­lin­ge schi­cken die uns hier in den Bau! Reißt die Tür auf, dass der gan­ze Bun­ker zu­sam­men­fällt! Kneis­ten sollst du! – Ist der Rusch in sei­nem Glas­kas­ten? Nicht? Na, dann will ich mal die Net­ze­on­kels be­su­chen. Mor­gen.«

      Er nimmt sei­nen Kü­bel und tritt den Rück­weg zur Zel­le an.

      3

      Auf sei­nem Rück­marsch hat Ku­falt einen Blick zum Glas­kas­ten ge­wor­fen: Dort ist die Lage un­ver­än­dert, Ober­wacht­meis­ter Suhr stu­diert den »Stadt- und Land­bo­ten«.

      Vor der Zel­le des Net­ze­kal­fak­tors tritt Ku­falt einen Schritt seit­lich, drückt sich fest in die fla­che Tür­ni­sche und lauscht.

      Ei­ner sagt drin­nen er­regt: »Und Sie wer­den mir die zehn Mark ge­ben! Wozu schickt Ih­nen mei­ne Frau stän­dig Geld?«

      Und die öli­ge, sach­te Stim­me des Net­ze­meis­ters: »Ich tu ja für Sie, was ich kann. Dass ich Sie beim Ar­beits­in­spek­tor zum Net­ze­kal­fak­tor durch­ge­drückt habe, das kön­nen Sie mir nicht ge­nug dan­ken!«

      »Ach was, dan­ken!« sagt der an­de­re böse. »Viel lie­ber wäre ich zu den Tü­ten ge­kom­men. Hier an dem Bind­fa­den reißt man sich die gan­zen Hän­de blu­tig.«

      »Das ist nur die ers­ten Wo­chen«, trös­tet der Net­ze­meis­ter. »Das wer­den Sie ge­wöhnt. Bei den Tü­ten ist es viel schlech­ter. Die wol­len alle zu mir, die Tü­ten kle­ben.«

      »Eine Haut­sche­re müs­sen Sie mir auch be­sor­gen, über­all krie­ge ich Reiß­nä­gel …«

      »Da müs­sen Sie sich am Mitt­woch zum Haus­va­ter vor­mel­den. Der hat eine Haut­sche­re. Da wer­den Sie vor­ge­führt und kön­nen sich die Reiß­nä­gel ab­schnei­den.«

      »Wann wer­de ich denn da vor­ge­führt?«

      »Wie der Haus­va­ter Zeit hat. Sonn­abend oder Mon­tag, viel­leicht auch schon Frei­tag.«

      »Me­schug­ge sind Sie!« schreit der an­de­re. »Nächs­ten Mon­tag, und mei­ne Hän­de blu­ten schon jetzt! Das gan­ze Netz ist blu­tig, se­hen Sie!«

      Er schreit im­mer lau­ter.

      Ku­falt vor der Tür grinst. Er kennt das, wie es ist, wenn die Hän­de von dem schar­fen Si­sal­garn zu blu­ten an­fan­gen, und mor­gens zie­hen sich die fei­nen, har­ten Fä­ser­chen durch die Ris­se. Frei­lich, ihm hat nie­mand ge­sagt, dass der Haus­va­ter eine Haut­sche­re hat, er hat sich die Reiß­nä­gel mit zwei Scher­ben ab­ge­klemmt.

      Är­ge­re dich nur, Freund­chen, denkt er. Hof­fent­lich schiebst du einen lan­gen Knast, dass du al­les auch rich­tig lernst. – Mein Kü­bel stinkt aber wie­der mal ge­mein. Muss ich noch mit Salz­säu­re rein­ma­chen. Wenn ich heu­te vor den Arzt kom­me, muss mir der La­za­rett­kal­fak­tor wel­che aus­spu­cken …

      »Und nun ge­ben Sie mir end­lich die zehn Mark. Ich las­se mich nicht dumm re­den von Ih­nen. Mein ei­gen Geld wer­de ich doch noch krie­gen kön­nen.«

      »Ma­chen Sie sich und mich nicht un­glück­lich, Herr Ro­sen­thal«, sagt der Meis­ter bit­tend. »Was wol­len Sie mit Geld im Bau? Ich be­sor­ge Ih­nen doch al­les, was Sie wol­len. Ich kauf Ih­nen auch ’ne Haut­sche­re, aber Bar­geld im Bau – das kann ja Kopp und Kra­gen kos­ten.«

      »Stel­len Sie sich nur nicht so an«, sagt der Ge­fan­ge­ne Ro­sen­thal. »Sie sind ja gar kein Be­am­ter, Sie sind doch nicht ver­ei­digt. Sie sind hier bloß von der Net­ze­fir­ma, um die Ar­beit aus­zu­ge­ben. Gar nichts kann Ih­nen pas­sie­ren.«

      »Was wol­len Sie bloß mit Bar­geld? Das müs­sen Sie mir we­nigs­tens sa­gen!«

      »Ta­bak will ich mir kau­fen.«

      »Das ist be­stimmt nicht wahr, Herr Ro­sen­thal. Ta­bak kön­nen Sie doch von mir krie­gen. Wozu wol­len Sie das Geld?«

      Der an­de­re schweigt.

      »Wenn Sie es mir sa­gen, so sol­len Sie es krie­gen. Aber ich will wis­sen, wer es kriegt und wo­für. Man­che sind, die sind stie­kum, da kann man es ma­chen.«

      »Stie­kum?«

      »Die ma­chen kei­ne Lam­pen, Herr Ro­sen­thal, die hau­en uns nicht in die Pfan­ne, die schei­ßen uns nicht an, die ver­pfei­fen uns nicht – die ver­ra­ten uns nicht. So heißt das hier.«

      »Ich will Ih­nen sa­gen«, flüs­tert der an­de­re – und Ku­falt muss sein Ohr ganz dicht an den Tür­spalt le­gen, um zu ver­ste­hen –, »aber Sie dür­fen nichts ver­ra­ten. Da ist ein großer Schwar­zer, ein Ge­walt­tä­ti­ger, sage ich Ih­nen, der schlägt mich tot, wenn ich ihn ver­ra­te, hat er mir ge­sagt. In der Hei­zung ist er, er hat sich an mich her­an­ge­macht, in der Frei­stun­de …«

      »Der Batz­ke«, sagt der Meis­ter. »Da ha­ben Sie den rich­ti­gen Ga­no­ven ge­fasst.«

      »Er hat mir ver­spro­chen, wenn ich ihm zehn Mark gebe – Meis­ter, Sie ver­ra­ten uns nicht, nein? Gera­de ge­gen­über von mei­nem Fens­ter, auf der an­de­ren Sei­te von der Stra­ße, jen­seits der Mau­er, steht ein Haus.« Der Ro­sen­thal schluckt, holt tief Atem. Dann: »Ich kann ge­ra­de in die Fens­ter rein­se­hen. Und zwei­mal habe ich dort ’ne Frau ge­se­hen. Und der Schwar­ze hat mir ge­schwo­ren, wenn ich ihm die zehn Mark gebe, so steht sie mor­gen früh um fünf am Fens­ter, ganz nackt, und ich darf sie se­hen. Ach, Meis­ter, ge­ben Sie die zehn Mark! Ich kom­me hier um, ich bin schon halb ver­rückt! Meis­ter, Sie müs­sen!«

      »Die­se Jun­gen«, sagt der Net­ze­meis­ter be­wun­dernd und stolz, »was die für Din­ger dre­hen! Aber wenn der Batz­ke es Ih­nen sagt, der macht es! Und der ver­pfeift uns auch nicht. Hier ha­ben Sie …«

      Ku­falt zwängt

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