Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada Gesammelte Werke bei Null Papier

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sah, nick­te er und lä­chel­te. Er hol­te ein Ta­blett mit Es­sen, setz­te es auf den Tisch, und als er da­bei die Schmuck­sa­chen und das Geld bei­sei­te­schob, nick­te und lä­chel­te er wie­der. Lei­se ging er aus dem Zim­mer, drück­te den Rie­gel wie­der her­um, ließ sie schla­fen …

      So kam es, dass Frau Ro­sen­thal in den ers­ten drei Ta­gen ih­rer »Schutz­haft« kei­nen ein­zi­gen Men­schen zu se­hen be­kam. Sie ver­schlief stets die Nacht, um zu ei­nem schreck­li­chen, angst­ge­quäl­ten Tag zu er­wa­chen. Am vier­ten Tage, halb von Sin­nen, tat sie dann et­was …

      1 Um­gangs­sprach­li­che Ab­kür­zung für Schutz­po­li­zist bzw. Schutz­po­li­zei <<<

      11. Es ist immer noch Mittwoch

      Die Gesch hat­te es doch nicht über sich ge­bracht, den klei­nen Mann auf ih­rem Sofa nach ei­ner Stun­de zu we­cken. Er sah so be­mit­lei­dens­wert aus, wie er dalag in sei­nem Er­schöp­fungs­schlaf, die Fle­cke auf sei­nem Ge­sicht fin­gen jetzt an, rot­blau an­zu­lau­fen. Er hat­te die Un­ter­lip­pe vor­ge­scho­ben wie ein trau­ri­ges Kind, und manch­mal zit­ter­ten sei­ne Li­der, und sei­ne Brust hob sich in ei­nem schwe­ren Seuf­zer, als wol­le er gleich jetzt in sei­nem Schlaf los­wei­nen.

      Als sie ihr Mit­ta­ges­sen fer­tig hat­te, weck­te sie ihn und gab ihm zu es­sen. Er mur­mel­te et­was wie einen Dank. Er aß wie ein Wolf und warf da­bei Bli­cke auf sie, aber er sprach mit kei­nem Wort von dem, was ge­sche­hen war.

      Schließ­lich sag­te sie: »So, mehr kann ich Ih­nen nicht ge­ben, sonst bleibt für Gu­stav nicht ge­nug. Le­gen Sie sich nur auf das Sofa und schla­fen Sie noch ein biss­chen. Ich wer­de dann selbst mit Ih­rer Frau …«

      Er mur­mel­te wie­der et­was, un­kennt­lich, ob Zu­stim­mung oder Ab­leh­nung. Aber er ging wil­lig zum Sofa, und eine Mi­nu­te spä­ter war er wie­der fest ein­ge­schla­fen.

      Als am spä­ten Nach­mit­tag Frau Gesch die Fl­ur­tür der Nach­ba­rin ge­hen hör­te, schlich sie lei­se hin­über und klopf­te. Eva Klu­ge öff­ne­te so­fort, aber sie stell­te sich so in die Tür, dass sie den Ein­tritt ver­wehr­te. »Nun?«, frag­te sie feind­lich.

      »Ent­schul­di­gen Sie, Frau Klu­ge«, fing die Gesch an, »wenn ich Sie noch mal stö­re. Aber Ihr Mann liegt drü­ben bei mir. So ’n Bul­le von der SS hat ihn heu­te früh an­ge­schleppt, Sie kön­nen kaum weg ge­we­sen sein.«

      Eva Klu­ge ver­harr­te in ih­rem feind­li­chen Schwei­gen, und die Gesch fuhr fort: »Sie ha­ben ihn ganz schön zu­ge­rich­tet, da ist kein Fleck an ihm, der nicht was ab­ge­kriegt hat. Ihr Mann mag sein, wie er will, aber so kön­nen Sie ihn nicht vor die Tür set­zen. Se­hen Sie ihn sich bloß mal an, Frau Klu­ge!«

      Sie sag­te un­beug­sam: »Ich habe kei­nen Mann mehr, Frau Gesch. Ich hab’s Ih­nen ge­sagt, ich will nichts mehr da­von hö­ren.«

      Und sie woll­te in ihre Woh­nung zu­rück. Die Gesch sag­te eif­rig: »Sei­en Sie nicht so ei­lig, Frau Klu­ge. Schließ­lich ist es Ihr Mann. Sie ha­ben Kin­der mit ihm ge­habt …«

      »Da­rauf bin ich be­son­ders stolz, Frau Gesch, dar­auf be­son­ders!«

      »Man kann auch un­mensch­lich sein, Frau Klu­ge, und was Sie tun wol­len, das ist un­mensch­lich. So kann der Mann nicht auf die Stra­ße.«

      »Und war das, was er mit mir all die Jah­re ge­tan hat, etwa mensch­lich? Er hat mich ge­quält, er hat mir mein gan­zes Le­ben ka­putt­ge­macht, schließ­lich hat er mir noch mei­nen Lieb­lings­jun­gen weg­ge­nom­men – und zu so ei­nem soll ich mensch­lich sein, bloß weil er Dre­sche von der SS be­kom­men hat? Ich den­ke gar nicht dar­an! Den än­dern auch noch so vie­le Schlä­ge nicht!«

      Nach die­sen hef­tig und böse aus­ge­sto­ße­nen Wor­ten zog Frau Klu­ge der Gesch ein­fach die Tür vor der Nase zu und schnitt ihr so je­des wei­te­re Wort ab. Sie war ein­fach nicht fä­hig, noch wei­te­res Ge­re­de aus­zu­hal­ten. Bloß um al­lem Ge­re­de zu ent­ge­hen, hät­te sie den Mann wo­mög­lich doch noch wie­der in die Woh­nung auf­ge­nom­men und es im­mer und ewig be­reut!

      Sie setz­te sich auf einen Kü­chen­stuhl, starr­te in die bläu­li­che Gas­flam­me und dach­te an die­sen Tag zu­rück. Ge­re­de, nichts wie Ge­re­de. Seit sie dem Vor­ste­her des Am­tes er­öff­net hat­te, sie wol­le aus der Par­tei aus­tre­ten und das so­fort, hat­te es nur noch Ge­re­de ge­ge­ben. Sie war von ih­rem Be­stell­gang be­freit wor­den, aber da­für war sie un­un­ter­bro­chen ver­nom­men wor­den; vor al­lem woll­ten sie durch­aus von ihr er­fah­ren, warum sie denn aus der Par­tei aus­zu­tre­ten wünsch­te. Was für Grün­de sie denn habe. Sie hat­te starr und un­ver­än­dert geant­wor­tet: »Das geht kei­nen was an. Dar­über sprech ich nicht, warum ich raus will. Und das heu­te noch!«

      Aber je mehr sie sich wei­ger­te, umso hart­nä­cki­ger wur­den die. Al­les an­de­re schi­en sie nicht zu in­ter­es­sie­ren, nur das ›Wa­rum‹ woll­ten sie er­fah­ren. Ge­gen Mit­tag wa­ren dann noch zwei Zi­vi­lis­ten mit Ak­ten­ta­schen auf­ge­taucht und hat­ten sie un­un­ter­bro­chen be­fragt. Ihr gan­zes Le­ben soll­te sie er­zäh­len, von den El­tern, den Ge­schwis­tern, ih­rer Ehe …

      Erst war sie ganz be­reit­wil­lig ge­we­sen, froh, dem end­lo­sen Ge­fra­ge über die Grün­de ih­res Austritts zu ent­ge­hen. Aber dann, schon als sie von ih­rer Ehe be­rich­ten soll­te, war sie wie­der bock­bei­nig ge­wor­den. Nach der Ehe wür­den die Kin­der dran­kom­men, und sie wür­de nicht von Kar­le­mann er­zäh­len kön­nen, ohne dass die­se ge­witz­ten Füch­se merk­ten, dass da et­was nicht stimm­te.

      Nein, auch dar­über sag­te sie nichts aus. Auch das war pri­vat. Ihre Ehe und ihre Kin­der gin­gen nie­man­den et­was an.

      Aber die­se Leu­te wa­ren zähe. Sie wuss­ten vie­le Wege. Der eine griff in sei­ne Ak­ten­ta­sche und fing an, in ei­nem Ak­ten­stück zu le­sen. Sie hät­te ger­ne ge­wusst, was er da las: Es konn­te doch über sie nicht solch ein Ak­ten­stück bei der Kri­mi­nal­po­li­zei ge­ben, denn dass die­se Zi­vi­lis­ten ir­gend­was Po­li­zei­li­ches wa­ren, das hat­te sie un­ter­des doch ge­merkt.

      Dann fin­gen sie wie­der an zu fra­gen, und nun er­wies es sich, dass in dem Ak­ten­stück et­was über Enno ste­hen muss­te. Denn nun wur­de sie über sei­ne Krank­hei­ten, sei­ne Ar­beits­scheu, sei­ne Wett­lei­den­schaft und über sei­ne Wei­ber aus­ge­fragt. Es fing wie­der ganz harm­los an, dann plötz­lich sah sie die Ge­fahr, schloss fest den Mund und sag­te nichts mehr.

      Nein, auch das war pri­vat. Es ging kei­nen was an. Was sie mit ih­rem Mann hat­te, das war ihre Sa­che al­lein. Üb­ri­gens leb­te sie ge­trennt von dem Man­ne.

      Da war sie wie­der er­wi­scht. Seit wann sie ge­trennt von ihm lebe? Wann hat­te sie ihn zum letz­ten Male ge­se­hen? Hing ihr Wunsch nach Austritt aus der Par­tei etwa mit dem Man­ne zu­sam­men?

      Sie schüt­tel­te nur den Kopf. Aber

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