Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada Gesammelte Werke bei Null Papier

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ver­lo­ren das Zit­tern und Be­ben des blau­en Gas­flämm­chens be­ob­ach­tet hat, fährt zu­sam­men. Sie hat vor­hin einen schwe­ren Feh­ler be­gan­gen, sie hat­te ja Ge­le­gen­heit, den Enno für ein paar Wo­chen zu ver­ste­cken. Sie brauch­te ihm nur für ein paar Wo­chen Geld zu ge­ben und die Wei­sung, sich bei ei­ner sei­ner Freun­din­nen zu ver­ste­cken.

      Sie klin­gelt bei der Gesch. »Hö­ren Sie, Frau Gesch, ich habe es mir noch mal über­legt, ich möch­te we­nigs­tens ein paar Wor­te mit mei­nem Man­ne spre­chen!«

      Jetzt, wo die an­de­re ihr den Wil­len tut, wird die Gesch böse. »Das hät­ten Sie sich eher über­le­gen müs­sen. Jetzt ist Ihr Mann fort, schon gute zwan­zig Mi­nu­ten. Nun kom­men Sie zu spät!«

      »Wo ist er denn hin, Frau Gesch?«

      »Wie soll ich das denn wis­sen? Wo Sie ihn raus­ge­schmis­sen ha­ben! Bei eine von sei­nen Wei­bern wohl!«

      »Wis­sen Sie nicht, zu wel­cher? Bit­te, sa­gen Sie es doch, Frau Gesch! Es ist wirk­lich sehr wich­tig …«

      »Auf ein­mal!« Und wi­der­wil­lig setzt die Gesch hin­zu: »Er hat was von ’ner Tut­ti ge­sagt …«

      »Tut­ti?«, fragt sie. »Das soll doch Tru­de, Ger­trud be­deu­ten … Wis­sen Sie den an­de­ren Na­men nicht, Frau Gesch?«

      »Er hat ihn ja sel­ber nicht ge­wusst! Er hat nicht mal ge­nau ge­wusst, wo sie wohnt, er hat bloß ge­dacht, er fin­d’t sie. Aber bei dem Zu­stand, in dem der Mann ist …«

      »Vi­el­leicht kommt er noch mal wie­der«, sagt Frau Eva Klu­ge nach­denk­lich. »Dann schi­cken Sie ihn zu mir. Je­den­falls dan­ke ich Ih­nen schön, Frau Gesch. Gu­ten Abend!«

      Aber die Gesch grüßt nicht zu­rück, sie knallt bei sich die Tür zu. Sie hat noch nicht ver­ges­sen, wie die an­de­re ihr vor­hin die Tür vor der Nase zu­ge­macht hat. Das ist noch lan­ge nicht raus, dass sie den Mann schickt, wenn er wirk­lich noch mal hier auf­taucht. So ’ne Frau soll sich zur rech­ten Zeit be­sin­nen, nach­her ist es manch­mal zu spät.

      Frau Klu­ge ist in ihre Kü­che zu­rück­ge­kehrt. Es ist selt­sam: ob­wohl doch das Ge­spräch eben mit der Gesch ohne Er­geb­nis ge­blie­ben ist, hat es sie er­leich­tert. Die Din­ge müs­sen eben ih­ren Lauf neh­men. Sie hat ge­tan, was sie tun konn­te, sich sau­ber zu hal­ten. Sie hat sich vom Va­ter wie vom Soh­ne los­ge­sagt, sie wird sie au­s­til­gen aus ih­rem Her­zen. Sie hat ih­ren Austritt aus der Par­tei er­klärt. Nun ge­schieht, was ge­sche­hen muss. Sie kann das nicht än­dern, auch das Schlimms­te kann sie nicht mehr sehr schre­cken, nach dem, was sie durch­ge­macht hat.

      Es hat sie auch nicht sehr er­schre­cken kön­nen, als die bei­den ver­neh­men­den Zi­vi­lis­ten vom nutz­lo­sen Fra­gen zum Dro­hen über­ge­gan­gen sind. Sie wis­se doch wohl, dass solch ein Austritt aus der Par­tei sie ihre Stel­lung bei der Post kos­ten kön­ne? Und noch viel mehr: wenn sie jetzt, un­ter Ver­wei­ge­rung von Grün­den, aus der Par­tei aus­tre­ten wol­le, so sei sie po­li­tisch un­zu­ver­läs­sig, und für sol­che gebe es so et­was wie ein KZ! Sie habe doch wohl schon da­von ge­hört? Da kön­ne man po­li­tisch Un­zu­ver­läs­si­ge sehr rasch zu­ver­läs­sig ma­chen, fürs gan­ze Le­ben sei­en die zu­ver­läs­sig. Sie ver­ste­he doch!

      Frau Klu­ge hat­te kei­ne Angst be­kom­men. Sie ist da­bei ge­blie­ben, dass pri­vat pri­vat bleibt, und über Pri­va­tes re­det sie nicht. Schließ­lich hat man sie ge­hen las­sen. Nein, ihr Austritt aus der Par­tei ist vor­läu­fig nicht an­ge­nom­men, sie wird noch dar­über hö­ren. Aber vom Post­dienst ist sie vor­läu­fig sus­pen­diert. Sie hat sich aber in ih­rer Woh­nung zur Ver­fü­gung zu hal­ten …

      Wäh­rend Eva Klu­ge den so lan­ge ver­ges­se­nen Sup­pentopf end­lich auf die Gas­flam­me rückt, be­schließt sie plötz­lich, auch in die­sem Punk­te nicht zu ge­hor­chen. Sie wird nicht ewig ta­ten­los in der Woh­nung sit­zen und auf die Quä­le­rei­en der Her­ren war­ten. Nein, sie wird mor­gen früh mit dem Sechs-Uhr-Zug zu ih­rer Schwes­ter bei Rup­pin fah­ren. Da kann sie zwei, drei Wo­chen un­an­ge­mel­det le­ben, die füt­tern sie schon so durch. Die ha­ben da Kuh und Schwei­ne und Kar­tof­fel­land. Sie wird ar­bei­ten, im Stall und auf dem Fel­de ar­bei­ten. Das wird ihr gut­tun, bes­ser als die­se Brief­trä­ge­rei für ewig: trab­trab!

      Ihre Be­we­gun­gen sind, seit dem Be­schluss, aufs Land zu ge­hen, fri­scher ge­wor­den. Sie holt einen Hand­kof­fer her­vor und fängt an zu pa­cken. Ei­nen Au­gen­blick über­legt sie, ob sie Frau Gesch we­nigs­tens sa­gen soll, dass sie ver­reist, das Wo­hin braucht sie ihr ja nicht zu sa­gen. Aber sie be­schließt: nein, sie will lie­ber nichts sa­gen. Al­les, was sie nun tut, tut sie ganz für sich al­lein. Sie will kei­nen Men­schen da rein­zie­hen. Sie wird auch der Schwes­ter und dem Schwa­ger nichts sa­gen. Sie wird jetzt so al­lein le­ben wie noch nie. Im­mer war bis­her je­mand da, für den sie zu sor­gen hat­te: die El­tern, der Mann, die Kin­der. Nun ist sie al­lein. Es scheint ihr im Au­gen­blick sehr mög­lich, dass ihr die­ses Al­lein­sein gut ge­fal­len wird. Vi­el­leicht wird, wenn sie ganz al­lein mit sich ist, noch et­was aus ihr, jetzt, wo sie end­lich Zeit für sich sel­ber hat, das ei­ge­ne Ich nicht im­mer über all den an­de­ren ver­ges­sen muss.

      1 eine der äl­tes­ten Kul­tur­pflan­zen und wird oder wur­de als Ge­mü­se, Salat-, Heil-, Fär­ber- so­wie Zier­pflan­ze ver­wen­det. <<<

      12. Enno und Emil nach dem Schock

      Der klei­ne Enno Klu­ge hat es viel schlech­ter ge­trof­fen als sein »Kum­pel« Emil Bark­hau­sen, den nach den Er­leb­nis­sen die­ser Nacht eine Frau, sie moch­te sein, wie sie woll­te, doch im­mer­hin in ein Bett ge­packt hat­te, wenn sie ihn auch so­fort da­nach be­stahl. Der schwäch­li­che Renn­wet­ter hat auch viel mehr Schlä­ge be­kom­men als der lan­ge, kno­chi­ge Ge­le­gen­heits­s­pit­zel. Nein, dem Enno ist be­son­ders übel mit­ge­spielt wor­den.

      Und wäh­rend er durch die Stra­ßen läuft und angst­voll nach sei­ner Tut­ti sucht, ist der Bark­hau­sen aus sei­nem Bett auf­ge­stan­den, hat sich in der Kü­che was zu es­sen ge­sucht und isst sich fins­ter und nach­denk­lich satt. Dann fin­det Bark­hau­sen im Klei­der­spind eine Schach­tel Zi­ga­ret­ten, er brennt sich eine an, steckt die Schach­tel in sei­ne Ta­sche und sitzt wie­der fins­ter grü­belnd am Tisch, den Kopf in der Hand.

      So fin­det ihn sei­ne Otti, als sie von ih­ren Be­sor­gun­gen wie­der zu­rück­kommt. Na­tür­lich sieht sie gleich, dass er sich Es­sen ge­nom­men hat, sie weiß auch, er hat nichts zu rau­chen in der Ta­sche ge­habt, als sie ging, und sie ent­deckt so­fort den Dieb­stahl

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