Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada Gesammelte Werke bei Null Papier

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blei­chen Mäd­chen: »Sie sa­gen nein. Aber warum ei­gent­lich? Es ist eine fast be­frie­di­gen­de Lö­sung der Auf­ga­be und eine Lö­sung, die, so­viel ich ver­stan­den habe, von Ih­rer Nach­ba­rin selbst vor­ge­schla­gen wur­de.«

      »Die Lö­sung ist un­be­frie­di­gend«, sag­te der Dunkle lang­sam. »Es wird schon zu viel ge­stor­ben. Wir sind nicht da­für da, dass die Zahl der To­ten sich er­höht.«

      »Ich hof­fe«, sag­te der Hochstir­ni­ge, »Sie den­ken an die­sen Satz, wenn der Volks­ge­richts­hof Sie und mich und die­se da …«

      »Still!«, sag­te der Säug­ling. »Ge­hen Sie doch einen Au­gen­blick tan­zen. Das scheint ein sehr net­ter Tanz. Sie kön­nen sich un­ter­des be­spre­chen, und wir bei­de be­spre­chen uns hier …«

      Wi­der­stre­bend war der jun­ge Dunkle auf­ge­stan­den und hat­te sei­ner Dame eine leich­te Ver­beu­gung ge­macht. Wi­der­stre­bend hat­te sie die Hand auf sei­nen Arm ge­legt, bleich gin­gen sie bei­de im Strom der an­de­ren zur Tanz­flä­che. Sie tanz­ten ernst, schwei­gend, ihm war es, als tan­ze er mit ei­ner To­ten. Ihn schau­der­te es. Die Uni­for­men um ihn, die Ha­ken­kreuz­bin­den, die blut­ro­ten Fah­nen an den Wän­den mit dem ver­hass­ten Zei­chen, das mit Grün ge­schmück­te Führ­er­bild, die rhyth­mi­schen Geräusche des Swings: »Du wirst es nicht tun, Tru­del«, sag­te er. »Er ist wahn­sin­nig, so et­was zu ver­lan­gen. Ver­sprich mir …«

      Sie be­weg­ten sich fast auf der Stel­le in dem im­mer dich­ter wer­den­den Ge­wühl. Vi­el­leicht, weil sie in stän­di­ger Berüh­rung mit an­de­ren Paa­ren wa­ren, viel­leicht sprach sie dar­um nicht.

      »Tru­del!«, bat er noch ein­mal. »Ver­sprich es mir! Du kannst ja in einen an­de­ren Be­trieb ge­hen, dort ar­bei­ten, da­mit du de­nen aus den Au­gen bist. Ver­sprich mir …«

      Er ver­such­te sie dazu zu brin­gen, dass sie ihn an­sah, aber ihre Au­gen sa­hen hart­nä­ckig über sei­ne Schul­ter fort.

      »Du bist die Bes­te von uns«, sag­te er plötz­lich. »Du bist die Men­sch­lich­keit, er ist bloß das Dog­ma. Du musst wei­ter­le­ben, gib ihm nicht nach!«

      Sie schüt­tel­te den Kopf, moch­te es nun ein Ja oder ein Nein be­deu­ten. »Ich möch­te zu­rück«, sag­te sie. »Ich mag nicht mehr tan­zen.«

      »Tru­del«, sag­te Karl Her­ge­sell has­tig, als sie sich aus den Tan­zen­den ge­löst hat­ten, »dein Otto ist erst ges­tern ge­stor­ben, erst ges­tern hast du die Nach­richt be­kom­men. Es ist zu früh. Aber du weißt es ja auch so, ich habe dich im­mer ge­liebt. Ich habe nie et­was von dir er­war­tet, aber nun er­war­te ich, dass du we­nigs­tens lebst. Nicht für mich, nein, dass du lebst!«

      Aber wie­der be­weg­te sie nur den Kopf, wie­der blieb es un­ge­wiss, was sie zu sei­ner Lie­be, was sie zu sei­nem Wun­sche, sie am Le­ben zu se­hen, mein­te. Sie wa­ren am Tisch der an­de­ren an­ge­langt. »Nun?«, frag­te Gri­go­leit mit der ho­hen Stir­ne. »Wie tanzt es sich? Ein biss­chen voll, wie?«

      Das Mäd­chen hat­te sich nicht wie­der ge­setzt. Es sag­te: »Ich gehe dann jetzt. Macht’s gut. Ich hät­te ger­ne mit euch ge­ar­bei­tet …«

      Sie wand­te sich zum Ge­hen.

      Jetzt aber war die­ser di­cke, harm­lo­se Säug­ling der Ers­te hin­ter ihr, er fass­te sie am Hand­ge­lenk, er sag­te: »Ei­nen Au­gen­blick noch, bit­te!« Er sag­te es voll­kom­men höf­lich, aber sein Blick droh­te.

      Sie kehr­ten an den Tisch zu­rück. Sie setz­ten sich wie­der. Der Säug­ling frag­te: »Ich ver­ste­he doch recht, Tru­del, was dein Ab­schied eben be­deu­te­te?«

      »Du hast voll­kom­men recht ver­stan­den«, sag­te das Mäd­chen und sah ihn mit har­ten Au­gen an.

      »So bit­te ich dich, dass du mir er­laubst, dich für den Rest des Abends zu be­glei­ten.«

      Sie mach­te eine Be­we­gung ent­setz­ter Ab­wehr.

      Er sag­te sehr höf­lich: »Ich will mich nicht auf­drän­gen, aber ich gebe zu be­den­ken, dass bei der Aus­füh­rung ei­nes sol­chen Vor­ha­bens wie­der­um Feh­ler be­gan­gen wer­den kön­nen.« Er flüs­ter­te dro­hend: »Es liegt mir nichts dar­an, dass ir­gend­ein Idi­ot dich wie­der aus dem Was­ser fischt oder dass du mor­gen als ge­ret­te­te Gift­selbst­mör­de­rin in ei­nem Kran­ken­haus liegst. Ich will da­bei sein!«

      »Rich­tig!«, sag­te der Hochstir­ni­ge. »Ich stim­me zu. Das gibt die ein­zi­ge Ge­währ …«

      »Ich wer­de«, sag­te nach­drück­lich der Dunkle, »heu­te und mor­gen und je­den fol­gen­den Tag an ih­rer Sei­te sein. Ich wer­de al­les tun, um die Aus­füh­rung die­ses Vor­ha­bens zu ver­ei­teln. Ich wer­de Hil­fe her­beiho­len, wenn ihr mich zwingt, selbst von der Po­li­zei!«

      Der Hochstir­ni­ge pfiff wie­der, lang, ge­dehnt, lei­se und böse.

      Der Säug­ling sag­te: »Aha, jetzt ha­ben wir schon den zwei­ten Plap­pe­rer am Tisch. Ver­liebt, was? Ich dach­te mir so was schon im­mer. Kom­men Sie, Gri­go­leit, die Zel­le ist auf­ge­löst. Es gibt kei­ne Zel­le mehr. Und das nennt ihr Dis­zi­plin, ihr Wei­ber­her­zen!«

      »Nein, nein!«, rief das Mäd­chen. »Hö­ren Sie nicht auf ihn! Es ist wahr, er liebt mich. Aber ich lie­be ihn nicht. Ich will heu­te Abend mit euch ge­hen …«

      »Nichts!«, sag­te der Säug­ling jetzt wirk­lich zor­nig. »Seht ihr denn nicht, dass ihr gar nichts mehr tun könnt, da er …« Er mach­te eine Kopf­be­we­gung zu dem Dunklen hin. »Ach was!«, sag­te er dann kurz. »Es ist aus­ge­spielt! Komm, Gri­go­leit!«

      Der Hochstir­ni­ge stand schon. Ge­mein­sam wand­ten sie sich dem Aus­gang zu. Plötz­lich aber lag eine Hand auf dem Arm des Säug­lings. Er sah in das glat­te, ein we­nig ge­dun­se­ne Ge­sicht ei­nes braun Uni­for­mier­ten.

      »Ei­nen Au­gen­blick, bit­te! Was ha­ben Sie da eben ge­sagt von der Auf­lö­sung der Zel­le? Es wür­de mich doch sehr in­ter­es­sie­ren …«

      Der Säug­ling riss bru­tal sei­nen Arm frei. »Las­sen Sie mich zu­frie­den!«, sag­te er sehr laut. »Wenn Sie wis­sen wol­len, was wir ge­re­det ha­ben, fra­gen Sie die jun­ge Dame dort! Ges­tern ist ihr Ver­lob­ter erst ge­fal­len, heu­te hat sie schon wie­der einen an­de­ren auf dem Korn! Ver­damm­ter Wei­ber­kram!«

      Er hat­te im­mer mehr dem Aus­gang zu­ge­drängt, den Gri­go­leit schon er­reicht hat­te. Jetzt ging auch er hin­aus. Der Fet­te sah ihm einen Au­gen­blick nach. Dann wand­te er sich dem Tisch zu, an dem das Mäd­chen und der Dunkle noch im­mer mit blas­sen Ge­sich­tern sa­ßen. Das be­ru­hig­te ihn. Vi­el­leicht habe ich doch kei­nen Feh­ler be­gan­gen, als ich ihn lau­fen ließ. Er hat mich über­rum­pelt. Aber …

      Er sag­te höf­lich: »Ge­stat­ten Sie, dass ich mich einen Au­gen­blick zu Ih­nen set­ze und ein paar Fra­gen stel­le?«

      Tru­del

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