Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada Gesammelte Werke bei Null Papier

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sie sieht aus sei­ner Ant­wort, so böse sie auch klingt, dass er von dem Gel­de wirk­lich nichts weiß. Sie fühlt sich die­sem doofen Kerl von ei­nem Man­ne weit über­le­gen, sie hat ihn aus­ge­nom­men, und der Affe merkt es nicht mal!

      »Halt die Schnau­ze!«, grunzt Bark­hau­sen nur, ohne den Kopf zu er­he­ben. »Und mach, dass du aus der Stu­be kommst, oder ich schla­ge dir alle Kno­chen im Lei­be ent­zwei!«

      Sie ruft von der Kü­chen­tür her, ein­fach, weil sie im­mer das letz­te Wort ha­ben muss und weil sie sich ihm so über­le­gen fühlt (ob­wohl sie jetzt Angst vor ihm hat): »Sieh du lie­ber selbst, dass dir die SS dei­ne Kno­chen nicht ganz zer­schlägt! Weit bis­te nicht mehr da­von ab!«

      Da­mit geht sie in die Kü­che und lässt ih­ren Är­ger über die­se Ver­ban­nung an den Gö­ren aus.

      Der Mann aber sitzt im­mer wei­ter in der Stu­be und grü­belt. Er weiß nur we­nig von dem, was in der Nacht ge­sch­ah, aber das We­ni­ge, das er weiß, das reicht ihm. Und er denkt dar­an, dass da oben die Woh­nung der Ro­sen­thal liegt, die jetzt wohl von den Per­sickes aus­ge­räumt ist, und er hät­te sich neh­men kön­nen, noch und noch! Durch sei­ne ei­ge­ne Duss­lig­keit hat er das ver­bockt!

      Nein, der Enno ist dar­an schuld ge­we­sen, der Enno hat mit dem Schnaps an­ge­fan­gen, der Enno ist von al­lem An­fang an be­sof­fen ge­we­sen. Ohne den Enno hät­te er jetzt einen Hau­fen Zeugs, Wä­sche und Klei­der; dun­kel er­in­nert er sich auch an einen Ra­dio­ap­pa­rat. Wenn er den Enno jetzt hier hät­te, wür­de er ihm alle Kno­chen im Lei­be zer­schla­gen, die­sem fei­gen Schwäch­ling, der ihm die gan­ze Sa­che ver­mas­selt hat!

      Aber einen Au­gen­blick spä­ter zuckt Bark­hau­sen schon wie­der die Ach­seln. Wer ist denn schließ­lich die­ser Enno? ’ne fei­ge Wan­ze, die da­von lebt, dass sie den Wei­bern Blut ab­zapft! Nein, wer rich­tig schuld ist, das ist die­ser Bal­dur Per­si­cke! Die­ser Ben­gel, die­ser Schul­jun­ge von ei­nem HJ-Füh­rer hat von An­fang an vor­ge­habt, ihn rein­zu­le­gen! Das war al­les vor­be­rei­tet, um einen Schul­di­gen zu ha­ben und sich selbst die Beu­te un­ge­straft an­eig­nen zu kön­nen! Das hat sich die­se Gift­schlan­ge mit den fun­keln­den Bril­lenglä­sern fein aus­ge­dacht! Ihn so rein­zu­le­gen, die­ser ver­damm­te Rotz­jun­ge!

      Bark­hau­sen ver­steht es nicht so ganz, warum er nun ei­gent­lich doch nicht in ei­ner Zel­le auf dem Alex, son­dern in sei­ner Stu­be sitzt. Da muss de­nen was da­zwi­schen­ge­kom­men sein. Ganz dun­kel er­in­nert er sich an zwei Ge­stal­ten, aber wer das war und wie­so, das hat er da­mals schon in sei­ner hal­b­en Be­täu­bung nicht er­fasst, und jetzt weiß er es erst recht nicht.

      Aber das eine weiß er: dies ver­zeiht er dem Bal­dur Per­si­cke nie. Der mag noch so sehr hoch­krie­chen auf der Lei­ter der Par­tei­gunst, der Bark­hau­sen passt auf. Der Bark­hau­sen kann war­ten. Der Bark­hau­sen ver­gisst nichts. So ’n Ben­gel – ei­nes Ta­ges wird er ihn doch ran­krie­gen, und dann liegt der im Dreck! Aber er soll schlim­mer drin­lie­gen als der Bark­hau­sen, und er soll nie wie­der dar­aus auf­ste­hen. Ei­nen Kum­pel ver­ra­ten? Nein, das wird nie ver­zie­hen und ver­ges­sen! Die schö­nen Sa­chen in der Ro­sent­hal’­schen Woh­nung, Kof­fer und Kis­ten und Ra­dio, das hät­te er al­les ha­ben kön­nen!

      Und wei­ter grü­belt Bark­hau­sen, im­mer das­sel­be, und da­zwi­schen holt er sich heim­lich den sil­ber­nen Hand­spie­gel der Otti, letz­te Erin­ne­rung an einen groß­zü­gi­gen Frei­er aus ih­rer Nut­ten­zeit, und be­trach­tet und be­fühlt sein Ge­sicht.

      Auch der klei­ne Enno Klu­ge hat un­ter­des in dem Spie­gel ei­nes Mo­de­wa­ren­ge­schäf­tes ent­deckt, wie sein Ge­sicht aus­sieht. Das hat ihn nur noch mehr ver­ängs­tigt und ganz kopf­los ge­macht. Er wagt kei­nen Men­schen an­zu­se­hen, aber er hat das Ge­fühl, alle se­hen ihn an. Er drückt sich in den Ne­ben­stra­ßen her­um, sei­ne Su­che nach Tut­ti wird im­mer hirn­ver­brann­ter, er weiß nicht mehr, wo sie etwa ge­wohnt hat, er weiß aber auch nicht mehr, wo er jetzt gra­de ist. Aber er geht in je­den dunklen Tor­gang und sieht in den Hinter­hö­fen an den Fens­tern hoch. Tut­ti … Tut­ti …

      Es wird jetzt rasch im­mer dunk­ler, vor der Nacht muss er noch rasch Quar­tier ge­fun­den ha­ben, sonst nimmt ihn die Po­li­zei fest, und wenn die se­hen, in wel­chem Zu­stand er ist, dann ma­chen sie Hack­fleisch aus ihm, bis er al­les ein­ge­stan­den hat. Und wenn er das von den Per­sickes ge­steht, und er quatscht es ja doch aus in sei­ner Angst, dann schla­gen ihn die Per­sickes tot.

      Er läuft ziel­los im­mer wei­ter, im­mer wei­ter …

      Schließ­lich kann er nicht mehr. Er setzt sich auf eine Bank und hockt da nun, ein­fach nicht im­stan­de, wei­ter­zu­ge­hen und sich et­was aus­zu­den­ken. Schließ­lich fängt er ganz me­cha­nisch an, sei­ne Ta­schen nach et­was Rauch­ba­rem ab­zu­su­chen – eine Zi­ga­ret­te wür­de ihn wie­der ein biss­chen in Gang brin­gen.

      Er fin­det in sei­nen Ta­schen kei­ne Zi­ga­ret­te, aber er fin­det et­was, das er be­stimmt nicht er­war­tet hat, näm­lich Geld. Sechs­und­vier­zig Mark fin­det er. Die Frau Gesch hät­te es ihm schon vor Stun­den sa­gen kön­nen, dass er Geld in der Ta­sche hat, sie hät­te den klei­nen, ver­ängs­tig­ten Mann auf sei­ner Su­che nach ei­ner Blei­be ein we­nig si­che­rer ge­macht. Aber die Gesch hat na­tür­lich nicht ver­ra­ten wol­len, dass sie sei­ne Ta­schen, wäh­rend er schlief, durch­sucht hat. Die Gesch ist eine an­stän­di­ge Frau, sie hat das Geld – wenn auch erst nach kur­z­em Kampf – wie­der zu­rück­ge­steckt. Hät­te sie es bei ih­rem Gu­stav ge­fun­den – sie hät­te es ohne Wei­te­res an sich ge­nom­men, aber bei ei­nem frem­den Mann, nein, so eine war sie nun doch nicht! Na­tür­lich hat sich die Gesch von den neun­und­vier­zig Mark, die sie ge­fun­den hat, drei Mark ab­ge­nom­men. Aber das war nicht ge­klaut, das war ihr gu­tes Recht, für das Es­sen, das sie dem Klu­ge ge­ge­ben hat. Sie hät­te ihm das Es­sen auch ohne Geld ge­ge­ben, aber wie kommt sie dazu, ei­nem frem­den Mann, der Geld hat, um­sonst Es­sen zu ge­ben? So ist sie nun auch wie­der nicht.

      Je­den­falls stär­ken die sechs­und­vier­zig Mark den ver­schüch­ter­ten Enno Klu­ge un­ge­mein, er weiß doch nun, er kann sich im­mer ein Lo­gis für die Nacht neh­men. Auch sein Ge­dächt­nis fängt wie­der an zu funk­tio­nie­ren. Zwar an die Woh­nung der Tut­ti er­in­nert er sich noch im­mer nicht, aber ihm ist plötz­lich ein­ge­fal­len, dass er sie in ei­nem klei­nen Café ken­nen­ge­lernt hat, wo sie oft ver­kehrt. Vi­el­leicht wis­sen die dort ihre Woh­nung.

      Er steht auf, er läuft wie­der los. Er ori­en­tiert sich, wo er ei­gent­lich ist, und als er eine Elek­tri­sche sieht, die ihn nahe an sein Ziel brin­gen kann, wagt er sich so­gar auf die dunkle Vor­der­platt­form des ers­ten Wa­gens. Dort ist es so dun­kel und voll, dass kei­ner groß auf sein Ge­sicht ach­ten wird. Dann geht er in das Café. Nein, er will nichts ver­zeh­ren, er geht so­fort an das Bü­fett und fragt das Fräu­lein dort, ob sie wohl weiß, wo die Tut­ti ist, ob die Tut­ti hier wohl noch ver­kehrt?

      Das Fräu­lein fragt mit schar­fer, schril­ler Stim­me, die im gan­zen Lo­kal zu hö­ren ist, wel­che Tut­ti er wohl meint. Es gäb ’ne Men­ge Tut­tis in Ber­lin!

      Der schüch­ter­ne klei­ne Mann ant­wor­tet ver­le­gen: »Ach, nur die Tut­ti, die hier im­mer

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