Mami Bestseller 9 – Familienroman. Karina Kaiser
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»Nein«, gestand er zerknirscht. »Ich habe nur das Vieh verkauft und dann den Laden sozusagen dicht gemacht. Ich wollte mich später damit beschäftigen. Aber natürlich war ich neulich schon mal da. Es sieht dort inzwischen aus wie bei Dornröschen.«
»Klingt sehr romantisch.« Lara unterdrückte einen Seufzer und war dann mit unterdrücktem Missmut bereit, Bernulf am nächsten Tag zu seinem Kleinkleckersdorf zu begleiten.
*
Natürlich war die Nacht mit Lara trotz allem sehr befriedigend und leidenschaftlich gewesen. Aber Bernulf sagte sich, dass erotische Spiele allein nun einmal nicht für eine gute Partnerschaft genügten. Da hieß es, fest zu dem anderen stehen und selbst auch auf Annehmlichkeiten zu verzichten. Letzteres lag Lara nicht, das sah er ihr am nächsten Morgen an. Aber sie jammerte zumindest nicht, sondern saß meist schweigend neben ihm im Auto, bis sie Barkenow erreicht hatten.
Dort angekommen, aßen sie in der kleinen Gastwirtschaft zu Mittag und fuhren anschließend zu seinem Erbhof, wo zu dieser Stunde ein älterer Mann damit beschäftigt war, etwa zwanzig Hühner und einen Hahn mit Körnern zu füttern.
Bernulf begrüßte den Alten mit Handschlag und sagte aufgeräumt: »Schönen guten Tag, Leo. Wie ich sehe, hast du das Federvieh schon besorgt. Hat das Geld gereicht?«
»Aber sicher, alles in Ordnung«, antwortete dieser grinsend, während er Lara ungeniert musterte. »Ich hab die Hennen und ihren Gockel schon in dem Stall untergebracht, in dem der Justus auch immer sein Geflügel hatte. Und diese junge Frau ist wohl die künftige Bäuerin?«
»Frau Paulsen ist meine Partnerin«, erwiderte Bernulf gelassen. »Sie wird mir helfen, diesen Hof wieder so richtig flott zu machen.«
So sieht die auch aus, dachte Leo Jürgens spöttisch. Die macht hier gar nichts flott, höchstens sich selber. Ansonsten fällt die nur von einer Ohnmacht in die andere – und bleibt mit ihren Stöckelschuhen im Hühnermist stecken.
Der Rentner war ein guter Menschenkenner und behielt seine Meinung für sich. Der Neffe vom alten Justus würde schon selbst merken, dass diese feine Tante hier völlig fehl am Platze und zu nichts nütze war. Er nickte daher nur und verschwand dann in einem Schuppen, während Bernulf und Lara gemächlich zum Haus gingen.
Er schloss auf, und sie betraten einen schmalen und ziemlich dunklen, muffig riechenden Flur.
»Elektrisches Licht gibt es hier wohl nicht«, stellte sie säuerlich fest, nachdem sie vergeblich auf einen Schalter gedrückt hatte.
»Doch, die Glühbirne wird aber kaputt sein. Ich kümmere mich nachher darum. Also, das ist hier das Wohnzimmer. Hier haben Onkel Justus und ich oft gesessen und Apfelkorn getrunken.« Der angehende Kleinbauer hatte eine schmutzige Tür geöffnet und betrat mit langen Schritten einen mäßig großen Raum, in dem nach Laras Ansicht einige vorsintflutliche Möbel standen – ein geblümtes Sofa, zwei dazu passende Sessel, ein sogenannter Nierentisch, zwei Kommoden und ein dunkler Schrank mit Nippesfiguren. Einige von diesen Ziergegenständen hatten anscheinend schon die Bekanntschaft mit dem Fußboden, auf dem ein uralter Teppich lag, gemacht. Der Rokokotänzerin fehlte zum Beispiel ein Arm und dem röhrenden Hirsch das Geweih. Tote Insekten lagen in einer Unmenge von Staub überall herum oder hingen in zahlreichen Spinnennetzen. Na, schön war anders.
Die Unternehmensberaterin verzog demzufolge angewidert den Mund, was ihrem Freund nicht entging. Nun ja, er hatte es ja geahnt. Sie war nicht die Frau, die ihm jetzt aufmunternd zulächelte und nach Staubwedel und Wischeimer verlangte.
In den anderen Räumen sah es nicht besser aus – im Schlafzimmer fanden sie in einem Bett sogar ein verlassenes Mäusenest sowie einen Nachttopf – zum Glück ohne Inhalt.
Am besten sah noch die Küche aus. Sie war zumindest einigermaßen aufgeräumt, und vor dem Bild einer Frau in mittleren Jahren stand ein vertrockneter Blumenstrauß.
»Hier hat Onkel Justus immer gesessen, den Blick auf Tante Metas Bild gerichtet. Hier hat er seine Pfeife geraucht und mit seiner Katze geschmust.« Bernulf wies auf den großen Ohrensessel, der in der Nähe des Fensters stand. »Und hier in diesem Sessel haben die Nachbarn ihn auch gefunden. Er war tot, und seine Katze ebenfalls.«
»Wie rührend«, entfuhr es Lara ironisch, worauf er scharf erwiderte: »Ja, sehr berührend. Das finde ich auch. Er hat nach dem frühen Tod seiner Frau nie mehr geheiratet, und in seiner Erinnerung war sie immer bei ihm. Er hat ihre Rosen gehegt und gepflegt und sich lieber eine Katze gehalten, um ein bisschen Wärme zu haben.«
»Und wenn ihm doch zu kalt war, dann hat er Apfelschnaps getrunken«, ergänzte Lara, während sie ihre rot lackierten Fingernägel betrachtete.
Er überging ihre spitze Bemerkung und sagte stattdessen: »Ich denke, wir fangen mit dem Schlafzimmer an. Gutes Bettzeug habe ich im Auto …«
»Du nimmst doch nicht im Ernst an, dass ich in dieser Mäusekammer schlafe?«, rief sie schrill, beruhigte sich aber sofort wieder und sagte entschieden: »Das sieht hier wirklich katastrophal aus, viel schlimmer als ich angenommen habe. Da wirst du wohl eine Firma beauftragen müssen, die hier klar Schiff macht. Wir beide schaffen das garantiert nicht.«
»Dein Vorschlag ist natürlich ausgezeichnet, aber es geht leider nicht, ich muss mit meinem Geld haushalten«, gab er leise zurück und dachte dabei an seine Freunde, die ihn und seine bescheidenen Verhältnisse zwar wortreich beklagt, seine Bitte um Unterstützung aber vollkommen überhört hatten.
»Ach ja …« Lara, die sich seinerzeit sehr schnell daran gewöhnt hatte, dass er stets und ständig alles bezahlte, wusste vorerst nicht weiter, stand unschlüssig in der Küche und meinte schließlich: »Wir können ja hier mit dem Aufräumen beginnen und dann in Heinstedt in einem Hotel übernachten.«
»Wenn du bezahlst, dann gern.«
Da Frau Paulsen noch nicht vollständig begriffen hatte, dass ihr Freund nicht mehr zahlungskräftig war, starrte sie ihn zuerst entgeistert an und brachte dann nach reiflicher Überlegung nur noch ein schwaches: »Selbstverständlich« heraus.
»Gut, dann machen wir es so«, entschied er und unterdrückte ein amüsiertes Lächeln. »Wir werden sehen, was wir schaffen, und morgen Abend bringe ich dich wieder nach Hause.«
In den nun folgenden Stunden reinigten sie Küche und Bad, wobei Lara eigentlich nur im Weg herumstand und nörgelte. Bernulf verkniff sich sämtliche Bemerkungen, er putzte und wischte, fütterte zwischendurch die Schweine und scheuchte am Abend die Hühner in ihren Stall. Gegen neunzehn Uhr fuhren sie nach Heinstedt und übernachteten in einem zweitklassigen Hotel. Mehr konnte sich die Unternehmensberaterin nicht leisten.
Am nächsten Morgen fühlte sich seine Partnerin so krank, dass sie dringend nach Hause gebracht werden musste, was er dann auch sehr gern tat. Nur gut, dass sich Leo Jürgens unterdessen um die Tiere kümmerte.
Bernulf fuhr mit Lara sofort zum Bereitschaftsdienst, sobald sie bei ihr zu Hause angekommen waren, harrte dort aus, bis sie das Sprechzimmer verlassen hatte und von ihm gestützt zum Auto gehen konnte.
»Was hat der Arzt denn nun festgestellt?«, erkundigte er sich unterwegs, während er sie mit einem prüfenden Seitenblick bedachte.
»Noch nichts Genaues, wahrscheinlich eine allergische Reaktion, die