Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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In diesem Freund hatte mir das Schicksal einen Ausgleich für die Verluste und Enttäuschungen meines Lebens von lange her aufgespart. Aber ich konnte es noch nicht verstehen. Mein Inneres war für Leid und Freude tot, ich spürte nichts mehr als eine ungeheuere Leere. Ich glitt wie ein Schatten über den Erdboden hin, den meine Füße nicht mehr erreichten, weil ich mit der Wurzel herausgezogen war. Der Freund umsorgte mich aus zartgefühltem Abstand und wartete, wann er mir um ein Kleines mehr sein dürfte. Ein freundlicher Zufall hatte es gefügt, dass gerade bei seiner Ankunft aus Russland eine angenehme sonnige Wohnung im gleichen Hause, ein Stockwerk tiefer als die meinige, frei wurde. Diese bezog er und richtete sie ein mit dem Sinn für das Traulich-Häusliche, den er aus seinem heimischen Pfarrhaus mitgebracht und auch inmitten der sogenannten »Breiten Natur« des damaligen Russentums sich bewahrt hatte, – ein lieber Freundschaftswinkel für die kommenden Weltstürme. Aber damals glitt ich achtlos an allem vorüber. So sehe ich mich schattenhaft unbeteiligt neben teuren Freunden durch die Brunnenanlagen und Parkwege von Karlsbad wandeln, wohin sie mich vom Sterbehaus weggeholt hatten, sehe mich mit Erwin und seiner Familie die Felsenstufen von Stubbenkammer erklettern und auf der Spitze von Arkona dem Swantewit in seinem Tempel einen Besuch abstatten und wenige Wochen später mit einer Freizügigkeit, wie sie nur der genießt, der nirgends hingehört, über den Rollepass in dem Dolomitendorf San Martino di Castrozza einfahren. Dort wartete der italienische Freund auf mich, um gemeinsam ein paar Besteigungen auszuführen, wie sie mir früher schon einmal heilsam gewesen und von denen er annahm, dass sie mich wieder aus der Erstarrung erwecken müssten. Es kam auch so, dass in der ungeheuren Größe der Bergwelt, bei den kristallenen Wundergärten des Eises unter der herbstlich gemilderten Südsonne und im kalten Glanz der Sternennächte die in sieben schweren Notjahren tiefhinabgedrückten inneren Sprungfedern sich wieder aufrichteten und mich an der Umwelt teilnehmen ließen. Ich machte landschaftliche Aufzeichnungen für den vorlängst geplanten, aber nicht begonnenen Dolomitenroman »Der Caliban«, der danach noch lange Zeit im Limbo der Ungeborenen wohnen sollte. Und endlich sehe ich mich wieder in Forte in einer noch warmen Novembernacht damit beschäftigt, im Vorgarten meines Hauses einen Holzstoß aus harzduftenden Scheitern und prasselnden Lorbeerzweigen zu entzünden, damit der letzte unerfüllbare Herzenswunsch der Geschiedenen, dem geliebtesten ihrer Söhne in dem Land ihrer Liebe in die Flammen zu folgen, doch im Symbol noch erfüllt würde. Eine stille unvergessliche Feier, mit Vanzettis und des halbblinden Armando Hilfe aus dem Tiefsten ihrer eigenen Seele heraus für sie im Angesicht des rauschenden Meeres vollzogen und später mitten unter dem Schrecken des Weltkriegs zum bleibenden Gedächtnis in die fügsame Masse des Wortes geprägt.
Die starre Pania, Hochsitz der Gewitter,
Stand geisterhaft in ihres Marmors Glasten,
Es wetterleuchtete in der blauen Nacht
Um ihre Stirn, doch ihre Flanke trug
Zwei stille Feuer, große wache Augen,
Die niedersahen, Allerseelenfeuer.
Das Fest der Toten war’s. Auch wir entfachten
Die Lohe hell. Und was das Haus verbarg
An Heiligtümern, Hüllen der Verblassten,
Noch wie belebt von ihres Lebens Spur,
Das gaben wir der heiligen Natur
Zum Opfer, dass die Zeit es nicht versehre.
Zu würziger Zähre schmolzen die Zypressen,
Der Lorbeer flammte prasselnd, hochauf stieg
Der Rauch und wallte breit als schwarze Fahne
Hinaus aufs Meer. Er trug die Düfte hin
Wie Grüße der Geschiedenen. Doch die Flamme
Umwandelnd dämmte sie mit seinem Stabe
Der Freund, und wo sie allzu gierig leckte,
Ward sie gelöscht mit Güssen edlen Weins.
Und sieh, ein Anblick, nimmer zu vergessen,
Wie plötzlich tief in des Gerüstes Mitte
Ein seltsam feuriges Gebild entstand,
Gleich einem Vogel mit gebreiteter Schwinge.
Es sprach der Freund: Wird jetzt ihr Herz zum Aar
Des Himmels, dass es auf zum Äther dringe?
Zum Phönix, sprach ich leis. Nun sank die Glut
Zusammen. Wie ein Korb voll roter Rosen
Lag sie am Grund und glomm die Nacht hindurch.
Aus »Jenseits des Blutstroms«, 1915)
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