Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?. Thomas Röper

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Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt? - Thomas Röper

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die genötigt sind, ihre Heimat zu verlassen, hat buchstäblich zunächst die Nachbarstaaten erfasst und dann auch Europa. Die Zahlen gehen in die Hunderttausende und können in die Millionen gehen. Das ist im Grunde eine neue große und bittere Völkerwanderung und eine schwere Lektion für uns alle, darunter auch Europa.

      Ich würde gern betonen: Die Flüchtlinge brauchen zweifellos Mitgefühl und Unterstützung. Doch das Problem grundlegend lösen kann man nur durch die Wiederherstellung der Staatlichkeit dort, wo sie zerstört wurde und durch die Stärkung der staatlichen Institutionen, wo sie noch erhalten werden konnten oder wiederaufgebaut werden müssen, durch allseitige Hilfe – sei es militärisch, wirtschaftlich oder materiell – für Länder, die sich in einer schwierigen Situation befinden, und natürlich für Menschen, die trotz aller Härte die Heimatorte nicht verlassen.

      Es versteht sich, dass jede Hilfe an souveräne Staaten nicht aufgezwungen, sondern nur im Einklang mit der UNO-Charta angeboten werden kann. Alles, was heute und in der Zukunft in dieser Richtung entsprechend den Normen des internationalen Rechts geleistet wird, muss von unserer Organisation unterstützt werden, und alles, was der UNO-Charta widerspricht, muss abgelehnt werden. In erster Linie erachte ich es als äußerst wichtig, staatliche Strukturen in Libyen wiederaufzubauen, die neue Regierung des Iraks zu unterstützen und allseitige Hilfe für Syrien zu leisten.

      Verehrte Kollegen, eine Schlüsselaufgabe der internationalen Gemeinschaft mit der UNO an der Spitze bleibt die Gewährleistung des Friedens, der regionalen und der globalen Sicherheit. Wir glauben, dass von der Schaffung eines Sicherheitsraums gesprochen werden muss, der gleich und ungeteilt ist, der Sicherheit nicht nur für Auserwählte, sondern für alle bietet. Ja, es ist eine komplexe, schwierige und zeitaufwändige Arbeit, doch dazu gibt es keine Alternative.

      Jedoch dominiert leider bei einigen unseren Kollegen immer noch das Blockdenken des Kalten Krieges und das Streben nach der Aneignung neuer geopolitischer Räume. Zunächst wurde die Politik der NATO-Erweiterung weiterverfolgt. Es stellt sich die Frage: wozu, wenn der Warschauer Pakt aufhörte zu existieren und die Sowjetunion zerfallen ist? Nichtsdestotrotz bleibt die NATO nicht nur, sondern sie expandiert, wie auch ihre militärische Infrastruktur. Danach wurden postsowjetische Staaten vor eine falsche Wahl gestellt: Sollen sie mit dem Westen oder mit dem Osten sein? Früher oder später musste diese Konfrontationslogik eine schwere geopolitische Krise herbeiführen. Genau das passierte in der Ukraine, wo man die Unzufriedenheit eines bedeutenden Teils der Bevölkerung ausnutzte und von außen einen bewaffneten Umsturz provozierte. Als Ergebnis davon entflammte ein Bürgerkrieg.

      Wir sind überzeugt: Man kann das Blutvergießen stoppen und einen Ausweg aus der Sackgasse nur bei vollumfänglicher und gewissenhafter Realisierung der Minsker Vereinbarungen vom 12. Februar dieses Jahres finden. Durch Drohungen und Waffengewalt kann die territoriale Einheit der Ukraine nicht gewährleistet werden. Wobei dies aber getan werden sollte. Wir brauchen eine reale Berücksichtigung der Interessen und der Rechte der Menschen im Donbass, die Respektierung ihrer Wahl, die gemeinsame Bestimmung – wie in der Minsker Vereinbarung vorgesehen –, der Schlüsselelemente des politischen Aufbaus des Staates. Darin liegt das Unterpfand dafür, dass sich die Ukraine als ein zivilisierter Staat und als wichtigstes Bindeglied beim Aufbau eines Sicherheitsraums und einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit sowohl in Europa als auch in Eurasien entwickelt.

      Meine Damen und Herren, ich habe jetzt nicht zufällig von einem gemeinsamen Raum der wirtschaftlichen Kooperation gesprochen. Erst vor kurzem schien noch, dass wir es lernen, in der Wirtschaft, wo objektive Marktgesetze herrschen, ohne Trennlinien auszukommen und auf der Grundlage der transparenten und gemeinsam ausgearbeiteten Regeln, darunter den Prinzipien der WTO, handeln können, die Handels- und Investitionsfreiheit sowie eine offene Konkurrenz bedeuten. Doch inzwischen wurden einseitige Sanktionen unter Umgehung der UN-Charta fast schon zur Norm. Sie verfolgen nicht nur politische Ziele, sondern dienen auch als Mittel zur Beseitigung wirtschaftlicher Konkurrenten.

      Auch die Freihandelsabkommen, die meist zu Lasten der schwächeren Partner gehen, kritisiert Putin immer wieder. Zu dieser Zeit war in Deutschland das Handelsabkommen zwischen der EU und USA TTIP in aller Munde und Putin kritisierte auch dies, ohne es freilich beim Namen zu nennen.

      Es gibt noch ein weiteres Symptom des wachsenden wirtschaftlichen Egoismus. Eine Reihe von Staaten haben den Weg von geschlossenen exklusiven wirtschaftlichen Vereinigungen beschritten, wobei die Gespräche über ihre Schaffung intransparent und geheim verlaufen, selbst für die eigenen Bürger, Geschäftskreise und andere Länder. Andere Staaten, deren Interessen betroffen sein könnten, werden über nichts informiert. Vermutlich will man uns alle vor vollendete Tatsachen stellen, dass die Spielregeln neu geschrieben wurden, zugunsten eines engen Kreises der Auserwählten, dabei ohne Beteiligung der WTO. Das kann das Handelssystem völlig aus der Balance bringen und den globalen Wirtschaftsraum zerstückeln.

      Die genannten Probleme betreffen die Interessen aller Staaten, sie beeinflussen die Perspektiven der ganzen Weltwirtschaft, daher schlagen wir vor, sie in solchen Formaten wie der UNO, der WTO und der G20 zu diskutieren. Als Gegenentwurf der Politik der Exklusivität schlägt Russland eine Harmonisierung der regionalen wirtschaftlichen Projekte vor, die so genannte Integration der Integrationen, die auf universalen und transparenten Prinzipien des internationalen Handels beruht. Als Beispiel führe ich unsere Pläne zur Verbindung der Eurasischen Wirtschaftsunion mit der chinesischen Initiative der Schaffung des „wirtschaftlichen Gürtels der Seidenstraße“ an. Nach wie vor sehen wir große Perspektiven in der Harmonisierung der Integrationsprozesse im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion und der Europäischen Union.

      Soweit die Auszüge aus der Rede zum Thema internationale Politik, die 90 Prozent der Rede ausmachten. Putin sprach noch über die Klimapolitik, wo er ebenfalls gute Vorschläge machte, aber ich ziehe es in diesem Falle vor, es auf das Hauptthema der Rede, die internationale Politik, zu beschränken.

      Wie sich Putin und seine Politik zwischen den drei Reden von 2001 bis 2015 veränderten

      Einige Zeit nach dieser Rede in der UN fragte ein Journalist in einem Interview: „Ihre Position hat sich doch auch sehr verändert. Ich sehe mir die Rede 2001 (im Bundestag) an, dann die Rede 2007 (auf der Münchener Sicherheitskonferenz) und dann 2015 vor der UNO. Diese Veränderung, womit hängt die zusammen?“

      Worin sehen Sie eine Veränderung? Ok, alles ist im Fluss, alles verändert sich. Aber worin sehen Sie eine Veränderung?

      Journalist: „Ich würde sagen, immer weniger Illusionen, immer weniger Hoffnung auf den Westen, dass er Sie hört. Die konstruktive Rede im Bundestag, wo Sie eine große Zusammenarbeit angeboten haben. Dann 2007, praktisch eine Revolution, als sie (im Westen) nicht verstehen konnten, warum ihnen ein Land, das sie schon nicht mehr auf der Rechnung hatten, plötzlich so deutlich die Meinung sagt. Und natürlich 2015, als Sie gefragt haben, ob sie nun endlich sehen, was sie angerichtet haben. Und auch Sie haben sich verändert.“

      So ist das nicht. Sie haben jetzt an meine Bundestagsrede erinnert, das war 2001. Ich war ja vorher schon Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates, war Ministerpräsident gewesen, war schon ein Jahr lang Präsident und vorher auch noch Chef des Geheimdienstes FSB. Also ich hatte sehr viele Informationen. Und ich hatte mir eine Meinung gebildet, was vor sich geht und wohin es sich entwickelt. 2001, als ich im Bundestag sagte, dass wir uns zusammentun sollten, zusammen in die Zukunft gehen, einen gemeinsamen Raum aufbauen, da hörte sich das an, als wären das meine eigenen Ideen und Vorschläge.

      Tatsächlich war das nicht meine Idee. 1992 oder 1993 nahm mich der damalige Bürgermeister von St. Petersburg, Sobtschak, mit nach Bonn zu Kanzler Kohl. Und plötzlich bat Kohl alle Teilnehmer, den Raum zu verlassen, auch die Dolmetscher, und dann habe ich übersetzt. Und da habe ich das zum ersten Mal gehört, von Kohl, von dem Kanzler, der noch in seinem Bungalow in Bonn war und nicht in Berlin. Und er sagte plötzlich: „Ich sehe Europas Zukunft nicht ohne Russland.“

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