Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?. Thomas Röper

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Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt? - Thomas Röper

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angreifenden Islamisten. Dies war der Beginn des zweiten Tschetschenien-Krieges, an dessen Ende der Sieg Russlands und die Wiedereingliederung Tschetscheniens in den russischen Staat stehen sollte.

      In diesem Krieg wurden ohne Zweifel Kriegsverbrechen begangen, und es geht in diesem Buch nicht um Tschetschenien und darum, ob man der westlichen Sichtweise folgt oder der russischen. Es geht darum, zu verstehen, wie der Standpunkt des Anderen ist. Und zum Verständnis ist es wichtig, dass man beide Sichtweisen kennt. Nur wer auch die Sichtweise des Anderen kennt, ist in der Lage, ihn zu verstehen und die Welt mit seinen Augen zu sehen. Ich wiederhole es: Man muss dieser Sichtweise nicht zustimmen, aber man sollte sie zumindest kennen, um für sich selbst entscheiden zu können, welcher man sich anschließt.

      Wer nur eine Sichtweise kennt, kann diese Entscheidung nicht treffen, sie wurde für ihn bereits von anderen getroffen.

      1999 ging es den Russen schlecht, und die Stimmung im Land war mies. Die Bevölkerung war verarmt, der Staat pleite, und ein Krieg im Süden des Landes drohte das ganze Land zu destabilisieren.

      Die Zentralregierung verlor immer mehr an Macht und ganze Regionen weigerten sich, ihren Anteil am Staatsbudget nach Moskau zu überweisen. Das wäre so, als wenn sich Niedersachsen weigern würde, Steuereinnahmen an den Bund zu überweisen, die aber dem Bund nach geltendem Gesetz zustehen.

      Das geflügelte Wort lautete „Moskau ist weit“ und das Land stand vor dem Auseinanderbrechen, denn neben der Weigerung ganzer Regionen, sich an Gesetze zu halten und ihren Anteil zum Staatshaushalt beizutragen, gab es auch Ideen für die Bildung eigener Staaten wie der „Republik Ural“ und anderen.

      Jelzin wechselte in dieser Situation die Premierminister ständig aus – von August 1998 bis Ende 1999 hatte Russland fünf Premierminister. Ein Land, das nun eigentlich einen Plan zur entschlossenen Bekämpfung der verschiedenen Krisen brauchte, war politisch lahmgelegt.

      Aber im Jahr 2000 standen Präsidentschaftswahlen an und die Oligarchen begannen, darüber nachzudenken, wie sie einen Wahlsieg der Kommunisten verhindern und Jelzin, der gemäß Verfassung und auch wegen seiner Gesundheit nicht mehr antreten konnte, durch einen neuen Präsidenten ersetzen konnten, der ihnen auch weiterhin treu ergeben war.

      Einer der führenden Oligarchen dieser Zeit war Boris Beresowski, der darüber hinaus Chef der Präsidialverwaltung und damit quasi die graue Eminenz Russlands war. In Russland war die Politik unter Jelzin komplett von den Oligarchen beherrscht. Später erklärte Beresowski in Interviews, dass er es war, der Putin als neue Marionette der Oligarchen auserkoren hatte. Und er fügte hinzu, dass er dachte, mit Putin „gleiche Werte“ zu teilen und es in der Folge bereut habe, Putin gefördert zu haben. Denn Putin hatte sich nach seiner Wahl zum Präsidenten in den Kopf gesetzt, die Macht der Oligarchen zu brechen. Dazu später mehr.

      Putin selbst bestätigte die Geschichte von Beresowski in Interviews, in denen er sagte, dass er die Berufung zum neuen Präsidenten mehrmals abgelehnt habe. In dieser Zeit, in der Morde zur russischen Politik und Wirtschaft gehörten, wollte Putin – so sagte er – die eigene Familie nicht gefährden. Denn er hatte klare Vorstellungen davon, was sich in Russland alles ändern musste. Und er konnte nicht sicher sein, Erfolg zu haben. Und im Falle eines Misserfolges hätte nicht nur seine Entmachtung, sondern auch eine blutige Rache derer gedroht, denen er dabei auf die Füße treten musste.

      Putin musste 1999 von Oligarchen und Mitgliedern der damals so genannten „Jelzin-Familie“, die im Kreml die Fäden zog, zur Kandidatur überredet werden. Dies bestätigen seine Anhänger und Gegner einhellig.

      Und die späteren Gegner waren sich sicher, dass jemand, der zur Präsidentschaft überredet werden musste, sich ihnen kaum in den Weg stellen würde. So wie Beresowski es offen zugab, so haben diesen Irrtum auch einige andere Oligarchen kurz darauf bitter bereut.

      Im März 2000 wurde Putin im ersten Wahlgang zum Präsidenten Russlands gewählt. Und zu Anfang hatte er im Westen – heute kaum noch vorstellbar – durchaus eine positive Presse. Er war mit Mitte vierzig jung, pro-westlich und speziell pro-deutsch. Privat hat er mit seiner Familie zu Hause deutsch gesprochen, da die Töchter in der DDR geboren worden waren.

      Als erstes und bis heute einziges russisches Staatsoberhaupt durfte er vor dem Bundestag eine Rede halten. Wie auch Jelzin zuvor wurde er zwar für das harte Vorgehen in Tschetschenien kritisiert, aber insgesamt sah man ihn im Westen positiv.

      Jedoch setzte Putin nun zum Kampf gegen die verwunderten Oligarchen an, denn nach seinen Vorstellungen sollte nicht die Wirtschaft – zumal eine derart mafiöse Wirtschaft – das Land regieren, sondern das Land sollte über die Wirtschaft regieren. Aufgrund der in vielen Fällen ungesetzlich und durch Gewalt, Vetternwirtschaft und Schmiergelder erfolgten Privatisierungen, die die Oligarchen zu Milliardären gemacht hatten, sprach Putin nun davon, dass in Russland „eine Diktatur des Gesetzes“ herrschen müsse. Also mit anderen Worten, dass Gesetze wieder befolgt werden müssten.

      Schon kurz nach der Wahl traf sich Putin mit den Oligarchen im Kreml. Derartige Treffen hatte es unter Jelzin oft gegeben und die Oligarchen hatten den Ton angegeben. Nun war die Überraschung groß, als Putin vor laufenden Fernsehkameras andere Töne anschlug.

      In dem russischen Dokumentarfilm „Präsident“ erinnert sich der Oligarch Wladimir Potanin an das Treffen: „Ich erinnere mich noch sehr gut an das Treffen im Sommer 2000. Es war das erste Treffen von Präsident Putin mit den Vertretern der Wirtschaft in so einem großen Kreis. Wir wollten wissen, was wir von Putin zu erwarten hatten, was für einen Staat er bauen wollte, und ihm war es wichtig, uns zu sagen, welches Verhalten er von uns, den Vertretern der Wirtschaft erwartete.“

      Putin sagte bei der Sitzung vor laufenden Kameras:

      Ich möchte hier sofort an Ihre Ehre appellieren, daran, dass Sie diesen Staat selbst geformt haben. Zum großen Teil mithilfe von politischen und politnahen Strukturen, die Sie selbst kontrollieren.

      Potanin fährt in dem Interview fort: „Putin war ganz ruhig, da war keine Aggressivität. Er sagt ganz ruhig, von nun gelten andere Regeln, wir bauen jetzt ein anderes System auf. Und Sie sollen zu diesem Aufbau Ihren Beitrag leisten. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass Sie Ihre Geschäfte ab sofort transparent führen sollen, dass Sie ab sofort Steuern bezahlen müssen, dass Sie die Arbeiter nicht bis zum Letzten ausquetschen dürfen, sondern normale Gehälter bezahlen und zwar pünktlich.“

      Da die Oligarchen nicht legal an ihre Vermögen gekommen waren, machte Putin ihnen ein einfaches Angebot: Der Staat wird für die Vergangenheit niemanden zur Rechenschaft ziehen, der ab sofort nach den neuen Regeln spielt und sich an die Gesetze hält. Wer das nicht möchte, den trifft die Wucht des Gesetzes für die Verbrechen der Vergangenheit.

      Putin konnte die Privatisierungen nicht einfach komplett rückgängig machen, egal wie ungesetzlich sie gewesen sein mögen. Denn Russland brauchte Investitionen aus dem Ausland. Bei einer Rückabwicklung der Privatisierungen hätte es auch ausländische Investoren getroffen, die zum Beispiel von einem Oligarchen auch nur ein Grundstück für eine neue Fabrik gekauft hatten, das der Oligarch sich vorher ungesetzlich einverleibt hatte.

      Daher schlug er den Deal vor, dass die Vergangenheit in Ruhe gelassen wird und ab sofort neue Regeln gelten sollten. Es gab Oligarchen, die sich dem anschlossen, und solche, die glaubten, es könne weitergehen wie unter Jelzin. Die Letzteren erwischte die Macht der Gesetze, und kein Staatsanwalt musste lange suchen, um Anklagepunkte zu finden. Mehrere Oligarchen, zum Beispiel Gusinski und Beresowski, verließen Russland fluchtartig und verloren ihr zusammengeklautes Vermögen zum größten Teil.

      Der Sturste unter ihnen war Chodorkowski, der wusste, dass Putin keine ausländischen Investoren verprellen wollte. Daher versuchte Chodorkowski, Teile seiner Ölfirma Jukos,

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