Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?. Thomas Röper

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Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt? - Thomas Röper

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      Es ist wichtig, diese Geschichte richtig zu deuten. Wie ein guter westlicher Nachbar verkörperte Deutschland für Russen oft Europa, die europäische Kultur, das technische Denkvermögen und kaufmännisches Geschick. Nicht zufällig wurden früher alle Europäer in Russland Deutsche genannt und die europäische Siedlung in Moskau zum Beispiel „Deutscher Vorort“.

      Erinnern Sie sich zum Beispiel an die Tochter Ludwigs IV., des Fürsten von Hessen-Darmstadt: Sie ist in Russland als Fürstin Elisabeth bekannt. Sie hatte ein wirklich tragisches Schicksal. Nach dem Mord an ihrem Mann gründete sie ein Nonnenkloster. Während des Ersten Weltkrieges pflegte sie russische und deutsche Verletzte. Im Jahre 1918 wurde sie von Bolschewisten hingerichtet. Ihr galt eine allgemeine Verehrung. Vor kurzem wurde ihr Wirken anerkannt und sie wurde heilig gesprochen. Ein Denkmal für sie steht heute im Zentrum Moskaus.

      Vergessen wir auch nicht die Prinzessin von Anhalt-Zerbst. Sie hieß Sophie Auguste Friederike. Sie leistete einen einzigartigen Beitrag zur russischen Geschichte. Einfache russische Menschen nannten sie Mutter. Aber in die Weltgeschichte ging sie als die russische Zarin Katharina die Große ein.

      Putin, damals noch unerfahren in Geopolitik und durchaus naiv, wie er später selbst zugab, sprach eine Vision an, die später zum Kernproblem der Beziehungen zwischen „dem Westen“ und Russland werden sollte:

      Niemand bezweifelt den großen Wert der Beziehungen Europas zu den Vereinigten Staaten. Aber ich bin der Meinung, dass Europa seinen Ruf als mächtiger und selbstständiger Mittelpunkt der Weltpolitik langfristig nur festigen wird, wenn es seine eigenen Möglichkeiten mit den russischen menschlichen, territorialen und Naturressourcen sowie mit den Wirtschafts-, Kultur- und Verteidigungspotenzialen Russlands vereinigen wird.

      Gleichzeitig bin ich davon überzeugt: Nur eine umfangreiche und gleichberechtigte gesamteuropäische Zusammenarbeit kann einen qualitativen Fortschritt bei der Lösung solcher Probleme wie Arbeitslosigkeit, Umweltverschmutzung und vieler anderer bewirken. Wir sind auf eine enge Handels- und Wirtschaftszusammenarbeit eingestellt.

      Die ersten Schritte in diese Richtung haben wir schon gemeinsam gemacht. Jetzt ist es an der Zeit, daran zu denken, was zu tun ist, damit das einheitliche und sichere Europa zum Vorboten einer einheitlichen und sicheren Welt wird.

      Russland hat unter den großen Kriegen des 20. Jahrhunderts mehr gelitten als jedes andere Land. Die Verluste im zweiten Weltkrieg waren für Russland enorm: Jeder zweite Tote des Krieges war ein Bürger der Sowjetunion, von den 50 Millionen Opfern des Krieges waren 25 Millionen Sowjetbürger. Zum Vergleich dazu hatte Deutschland je nach Quelle „nur“ 5,5 bis 6,9 Millionen Tote zu beklagen. Daher ist in Russland der zweite Weltkrieg noch immer sehr präsent, denn ausnahmslos jede Familie hatte Opfer zu beklagen und dieses Trauma wirkt fort. Jedoch in den Augen der Russen nicht als deutsche Schuld, sondern als Mahnung für eine friedliche Zukunft ohne Krieg.

      Darauf spielt Putin an, wenn er über die Abrüstung in Europa während der 1990er Jahre spricht:

      Eine der Errungenschaften des vergangenen Jahrzehnts war die beispiellos niedrige Konzentration von Streitkräften und Waffen in Mitteleuropa und in der baltischen Region. Russland ist ein freundlich gesinntes europäisches Land. Für unser Land, das ein Jahrhundert der Kriegskatastrophen durchgemacht hat, ist der stabile Frieden auf dem Kontinent das Hauptziel.

      Dass der Weg zu Frieden und Freundschaft in Europa schwierig werden würde, sah Putin damals schon voraus und er sprach es offen an:

      Da wir angefangen haben, von der Sicherheit zu sprechen, müssen wir uns zuerst klar machen, vor wem und wie wir uns schützen müssen.

      Wir leben weiterhin im alten Wertesystem. Wir sprechen von einer Partnerschaft. In Wirklichkeit haben wir aber immer noch nicht gelernt, einander zu vertrauen.

      Tatsächlich lebte die Welt im Laufe vieler Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts unter den Bedingungen der Konfrontation zweier Systeme, welche die ganze Menschheit mehrmals fast vernichtet hätten. Das war so furchterregend und wir haben uns so daran gewöhnt, in diesem Countdown-System zu leben, dass wir die heutigen Veränderungen in der Welt immer noch nicht verstehen können, als ob wir nicht bemerken würden, dass die Welt nicht mehr in zwei feindliche Lager geteilt ist.

      Noch vor kurzem schien es so, als würde auf dem Kontinent bald ein richtiges gemeinsames Haus entstehen, in welchem Europäer nicht in östliche und westliche, in nördliche und südliche geteilt werden. Solche Trennungslinien bleiben aber erhalten, und zwar deswegen, weil wir uns bis jetzt noch nicht endgültig von vielen Stereotypen und ideologischen Klischees des Kalten Krieges befreit haben.

      Heute müssen wir mit Bestimmtheit und endgültig erklären: Der Kalte Krieg ist vorbei.

      Wir müssen uns in Erinnerung rufen, dass Putin diese Rede zwei Wochen nach 9/11 gehalten hat, zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen Krieg in Afghanistan, über einen US-Krieg gegen den Irak wurde noch kaum gesprochen, die Menschen in Ost und West freuten sich noch über das Ende des Kalten Krieges und die Aussicht auf stabilen Frieden.

      Im Westen hatte noch niemand Angst vor dem radikalen Islam oder islamischen Terror. Das war in Russland anders. Der Tschetschenienkrieg wird im Westen immer als die russische Unterdrückung eines nach Unabhängigkeit strebendes Volkes dargestellt, die russische Lesart der Dinge wird leider nicht dargestellt. Unabhängig davon, welcher Lesart man folgen will, sollte man aber beide zumindest kennen.

      In Russland sieht man den Tschetschenienkrieg als eine von außen durch radikale Islamisten aus arabischen Ländern und Afghanistan eingesickerte Provokation. Aus russischer Sicht lief der Kampf gegen den islamischen Terror, der im Westen erst nach 9/11 ausgerufen wurde, bereits seit 1994. Russland hatte vorher schon islamistische Terroranschläge mit vielen Toten zu beklagen.

      Daher war es übrigens auch Putin, der am 11.9.2001 als erster ausländischer Staatschef bei Bush anrief und ihm sein Beileid wegen der Terroranschläge aussprach und jede gewünschte Hilfe anbot. Russland kämpfte damals schon gegen den Terror, auch wenn es im Westen als Unterdrückung der Tschetschenen dargestellt wurde.

      Aus dieser Perspektive versteht man, was Putin meinte, als er im Bundestag sagte:

      Infolge von Explosionen in Wohnhäusern in Moskau und in anderen großen Städten Russlands kamen Hunderte Zivilisten ums Leben. Religiöse Fanatiker begannen einen unverschämten und großräumigen bewaffneten Angriff auf die benachbarte Republik Dagestan, nachdem sie die Macht in Tschetschenien ergriffen und einfache Bürger zu Geiseln gemacht hatten. Internationale Terroristen haben offen – ganz offen – ihre Absichten über die Schaffung eines neuen fundamentalistischen Staates zwischen dem Schwarzen und Kaspischen Meer angekündigt, des so genannten Kalifats oder der Vereinigten Staaten des Islam.

      Schon damals, im Jahr 2001 und vorher, gab es bei den internationalen Islamisten den Versuch, ein islamisches Kalifat oder einen „Islamischen Staat“ auszurufen. Damals noch im Kaukasus, was nach dem blutigen Krieg in Tschetschenien scheiterte.

      Im Westen wurden die Begriffe des „islamischen Kalifats“ oder des „Islamischen Staates“ erst einer breiten Masse bekannt, als diese Kräfte 2012 in Syrien und im Nordirak wüteten. In Russland kannte man sie schon über 15 Jahre früher und hat gegen sie im eigenen Land gekämpft.

      Dennoch hielt und hält Putin sich vor einer pauschalen Verdammung des Islam zurück, denn in Russland sind ca. 25 Prozent der Bevölkerung Moslems. Putin musste also einerseits den radikalen Islam bekämpfen und gleichzeitig den gemäßigten Islam auf seine Seite ziehen. Wir werden noch sehen, dass ihm dies in den folgenden Jahren gelang, was auch dazu geführt hat, dass viele islamische Länder heute – unbeachtet von den deutschen Medien – ein sehr enges Verhältnis

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