Um mês de amor. Miranda Lee
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Читать онлайн книгу Um mês de amor - Miranda Lee страница 9
Inspektor Blake mochte es nicht glauben und zwickte sich verstohlen in den Oberschenkel. Er wollte unbedingt ausschließen das alles nur zu träumen. In diesem Augenblick hätte er sehr gern eine von den guten alten Zwangsjacken zur Hand gehabt. Zumindest versuchte er sich einzureden, dass ein solches Hilfsmittel bei dem Grafen Wunder wirken könnte. Blake wollte schon etwas erwidern, hielt sich dann aber zurück. Erst als seine in zahllosen Verhören erworbene Disziplin wieder Oberhand bekam, ging er auf den Ton des Adeligen ein.
»Ich weiß Ihre aufrichtig gemeinte Warnung zu schätzen, eure Lordschaft. Doch es wird mir schwerfallen, mich danach zu richten. Sie werden verstehen, dass mir in der Ausbildung eingeschärft wurde, dass es keine Fälle gewaltsamen Todes gibt, die nicht in die Zuständigkeit der Kriminalpolizei fallen, und somit von ihr aufgeklärt werden müssten. Aber selbstverständlich lasse ich mich diesbezüglich gern eines Besseren belehren. Eure Lordschaft scheinen eine wahre Kapazität auf dem Gebiet des Vampirismus zu sein, mit dessen Auswüchsen ich mich bislang nur äußerst selten befasst habe.«
Als er geendet hatte, fischte er gelassen ein Päckchen Benson & Hedges aus seiner Jackentasche.
»Eure Lordschaft gestatten?« erkundigte er sich höflich.
»Keine Glut in meiner Gegenwart!« stieß der greise Graf streng hervor. »Sie werden es eines Tages schon verstehen.«
Scheinbar achtlos legte der Inspektor seine Zigarettenschachtel auf einen kleinen Tisch neben dem Ohrensessel.
»Ganz wie Sie wünschen, eure Lordschaft. Es liegt nicht in meiner Absicht, Ihre kostbare Zeit zu stehlen. Gibt es weitere Dinge, die Sie mir gern mitteilen möchten?«
»Genügt es Ihnen nicht?« reagierte der Graf sichtlich erstaunt.
»Völlig, eure Lordschaft«, bestätigte Blake. »Ich darf Sie also so verstehen, dass Sie mir anraten, mit meinem Mitarbeiter so schnell wie möglich wieder abzureisen und meinen Vorgesetzten darüber in Kenntnis zu setzen, dass es in Schottland Vampire gibt, gegen die ein Detective Inspector vom New Scotland Yard machtlos ist?«
»So wollte ich das keineswegs verstanden wissen, mein werter Herr Inspektor«, lächelte der Graf. »Ich möchte nur nicht, dass Sie Ihre wertvolle Zeit vertun. Sie können natürlich bleiben, solange Sie wollen. Frisches Blut ist hier immer willkommen. Das Dorf ist abgelegen, und es verirrt sich nur selten ein Fremder hierher, der mit unseren besonderen Gepflogenheiten nicht vertraut ist.« Die Unterhaltung schien an dieser Stelle für den Burgherrn beendet zu sein. »Nigel!«
Augenblick tauchte der Gerufene neben dem Inspektor auf.
Blake hatte auch diesmal keinen Laut gehört. Seine schnellen Blicke konnten auch kein Versteck ausmachen, in dem der Mann sich während des Gespräches verborgen gehalten haben konnte. Es blieb ihm nichts Anderes übrig, als diesen Punkt den kleineren Rätseln dieses Falles zuzuordnen, die sich erfahrungsgemäß von selbst lösten, wenn man die Hauptsache geklärt hatte. Mit seinem Großstadtdenken sträubte er sich immer noch gegen jede übernatürliche Erklärung, so seltsam diese auch sein mochte. Aber er spürte auch, dass in dieser Angelegenheit noch Einiges auf ihn und seinen Sergeant zukommen würde.
Der zwölfte Earl of Ross entließ ihn mit einer würdevollen Handbewegung. Scheinbar etwas verwirrt folgte Inspektor Blake dem Diener des Grafen und ließ dabei bewusst seine Zigaretten zurück. Er wollte das Päckchen zum Anlass nehmen, zu einem Zeitpunkt in die Burg zurückkommen, der ihm passte, und die vergessenen Zigaretten erschienen ihm als ein brauchbarer Vorwand.
Als Nigel ihn hinausbegleitete, knarrte die Tür wieder. Nach der Dämmerbeleuchtung im gräflichen Raum wirkte das trübe Licht der Treppe wie eine Festbeleuchtung. Und der neblige Herbsttag im Freien kam ihm nach dem Aufenthalt in der Festung wie ein unvermuteter Aufenthalt an der Riviera vor.
Mit weiten Schritten eilte Blake den steilen Pfad hinunter ins Dorf. Im Augenblick hatte er nur an einer der schottischen Besonderheiten Interesse. An einem wohlgefüllten Glas Whisky, das kein stilloser Gastronom mit Wasser, Soda oder gar Eis verschandeln durfte.
Mit einem Vorgeschmack des bräunlichen Elixiers auf der Zunge schob er sich an die Theke des ›Wallace Inn‹ und sah sich mit einem weiteren persönlichen Problem konfrontiert. Wie sollte er in dem Nest an ein Päckchen Benson & Hedges kommen, wenn auch seine Reserve aus dem Koffer aufgebraucht war?
Doch ehe er mit dem Wirt über seine Wünsche sprechen konnte, schob ihm dieser ein stilvolles Lederkästchen mit dem Wappen des Earl of Ross über die Theke.
»Das wurde für Sie abgegeben, Sir.«
Inspektor Blake klappte den Deckel auf. In dem mit rotem Samt ausgeschlagenen Kästchen lagen seine Zigaretten.
Sein Wunsch nach einem friedliches Glas Whisky war wie weggeblasen. Der Inspektor wusste genau, dass ihn niemand auf seinem Rückweg überholt hatte.
Kapitel 9
D
urch sein mehr als ausgiebiges Frühstück friedlich gestimmt, setzte sich Sergeant Cyril McGinnis kurz nach Inspektor Blakes Aufbruch weisungsgemäß in Richtung Tatort in Bewegung. Bei Tageslicht betrachtet sah die Sache schon ganz anders aus. Den Detective Sergeant quälte das schlechte Gewissen, weil er in der Nacht gekniffen hatte. Wenn die Leiche jetzt nicht mehr an ihrem Platz lag, konnte er sich den aufkommenden Ärger direkt ausmalen. Sein Vorgesetzter würde äußerst stinkig reagieren. Es hatte ihm noch nie zum Vorteil gereicht, wenn sich Blake seinetwegen beim Chief Superintendent verantworten musste.
McGinnis schätzte die Distanz zur Monterey-Zypressengruppe und entschied sich nicht zu laufen, sondern den Land Rover zu nehmen. Acht lange Jahre hatte er in London Streifendienst gemacht und wenn er dabei eines gelernt hatte, dann, dass Laufen gar nicht so gesund war, wie allgemein behauptet.
So nah wie nur möglich lenkte er den schweren Geländewagen an die Fundstelle heran. Er suchte sich eine Stelle, von der er nach menschlichem Ermessen davon ausgehen konnte, dass das Fahrzeug nicht auf Nimmerwiedersehen im Moor versinken würde. Es machte sich in der Personalakte nicht gut, schlecht mit Dienstfahrzeugen umzugehen. Er wusste das aus eigener Erfahrung nur zu gut. McGinnis konnte sich vor allem das dumme Gerede der Kollegen ausmalen, wenn er eingestehen musste, einen erst sechs Monate alten Range Rover auf Nimmerwiedersehen in einem schottischen Moor versenkt zu haben. Allein das ließ ihn achtsam sein.
Es erstaunte ihn, dass jemand neben der Leiche hockte und ihm freundlich zuwinkte. McGinnis erkannte ihn sofort. Es war der junge Mann, der mit ihm im ›Wallace Inn‹ wohnte.
»Was machen denn hier?« erkundigte er sich. Dabei fiel dem Sergeant ein, dass er den Mann beim Frühstück gar nicht gesehen hatte. Jedoch hatte er sich dabei nichts weiter gedacht, denn es war letzte Nacht recht spät geworden.
»Als guter Staatsbürger habe ich Ihnen ihren Job abgenommen, und heute Nacht auf den toten Mister Gaskell aufgepasst. Stellen Sie sich nur vor, Sie hätten ihn nicht mehr vorgefunden.« Ein Schmunzeln zeigte sich auf seinem Gesicht. »Was glauben Sie, was das für einen Skandal verursacht hätte?«