Um mês de amor. Miranda Lee
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Um mês de amor - Miranda Lee страница 8
Nigel war kurz stehen geblieben. Empört drehte er sich zu Blake um und erklärte:
»Seine Lordschaft duldet kein Licht auf ›Caisteal Barrhaich‹, Sir. Mit Verlaub, Sir, auf dieser Treppe hat sich schon jemand den Hals gebrochen.« Er machte eine kurze Pause und es schien als würde er grinsen, als er hinzufügte: »Aber glücklicherweise war es nur ein gottverdammter Engländer, Sir!«
Detective Inspector Blake schluckte.
Was war das für ein Unmensch, dem der Tod eines anderen nicht das geringste auszumachen schien, sofern es sich dabei nicht um einen vollblütigen Schotten handelte. Es schien als seien über diesen Festungsbau die Jahrhunderte spurlos hinweggegangen, und man wähnte sich immer noch in der Zeit der Stammeskriege.
Mittlerweile wurde das lang gezogene Heulen immer lauter.
»Sagen Sie mal, haben Sie hier eine Hundezucht?« wollte Blake wissen. »Oder was heult da so?«
»Seine Lordschaft ließ verlauten, es sei der Wind, der sich in den Kaminen verfängt«, antwortete das Faktotum des Grafen mit eisiger Grabesstimme.
»Erstaunlich«, entfuhr es Blake unwirsch. »Und ich wollte gerade feststellen, dass es heute für diese Gegend ein bemerkenswert windstiller Tag ist.«
»Wenn Sie meinen, Sir, dann ist es ein bemerkenswert windstiller Tag«, erwiderte Nigel ungerührt. »Weiter kann ich Ihnen dazu nichts sagen.«
In Blake begann es zu Brodeln. Dieser Lakai ging ihm gehörig gegen den Strich.
»Offensichtlich ist hier das Wort seiner hochwohlgeborenen Lordschaft Gesetz! Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass hier die Windstille in den Kaminen heult?«
Der Bedienstete des Grafen schien die Ironie in Blakes Worten nicht zu spüren, zumindest ließ er sich nichts anmerken.
»Mit Verlaub, Sir, einverstanden.«
Der Inspektor konnte nicht anders als ungläubig den Kopf zu schütteln.
Inzwischen hatten sie das erste Stockwerk erreicht. Blake glaubte nicht richtig zu sehen, als er die fast zehn Fuß hohe, reich geschnitzte Holztür sah, die rechts und links von zwei Galgen flankiert wurde. Und als ob das nicht schon makaber genug war, hingen wenig einladend fertig geknüpfte Schlingen daran.
Blake kam nicht umhin festzuhalten, dass seine Lordschaft einem eigenartigen Kult zu huldigen schien.
Nigel klopfte dreimal und verharrte einen Augenblick. Dann öffnete er die knarrende Tür.
»Der Engländer, Eure Lordschaft«, kündigte der Butler Blake mit geringschätziger Stimme an. Dann trat er zur Seite und ließ dem Inspektor den Vortritt.
Blake fielen fast die Augen heraus. Er hatte sich zwar keine Vorstellung von dem Grafen gemacht, aber der Anblick, der sich ihm jetzt bot, übertraf alles.
Die dürre, hochaufgeschossene Gestalt trug einen Kilt mit dem dunkelblauen Karomuster des Mackay-Clans. Aus dem Rock staken die dünnsten Beine, die der Detective Inspector in seiner über zwanzigjährigen Laufbahn je zu Gesicht bekommen hatte. Am Oberkörper trug der Graf ein schwarzes Wams mit hohem Kragen, der bis über die Kinnlade reichte.
Das Gesicht wirkte wie ein eingefallen, wie ein Totenschädel, den jemand mit einem gelblichen Pergament bespannt hatte. In dem fast haarlosen Schädel schimmerten leicht rötliche Augäpfel. Die dürren Lippen bedeckten knapp ein kräftiges, gesundes Gebiss.
All das registrierte Blake, während hinter ihm die Tür knarrend ins Schloss fiel.
»Nigel, lassen Sie uns allein. Ich möchte ungestört mit unserem Gast reden.«
Die Stimme des greisenhaften Grafen tönte wie eine Eisenglocke und strafte seiner scheinbaren Gebrechlichkeit Lügen.
»Sehr wohl, Eure Lordschaft.«
Blake erwartete ein neuerliches Knarren der Tür, aber es blieb aus. Als er einen kurzen Blick über seine Schulter schickte, ließ er sich seine Verblüffung nicht für eine Sekunde anmerken. Der Lakai war fort, wie vom Erdboden verschluckt.
Der Inspektor sah sich um. Der Raum in dem er sich befand erinnerte ihn stark an einen Thronsaal, und er wirkte auf ihn sehr viel größer als er vermutlich war. Dazu trug auch die enorme Deckenhöhe bei, die er auf mindestens vier bis fünf Yards schätzte.
Der Graf stand auf einer, über drei Stufen erreichbaren, hölzernen Empore. Er hatte ihm eine Schulter zugewandt und betrachtete mit verschränkten Armen eines der großen Wandgemälde. Das Bild wirkte düster und verbreitete eine unheimliche Kälte. Blake erkannte darauf einen steinernen Opfertisch unter freiem Nachthimmel, auf dem eine nackte Frau lag. Sie war an Händen und Füßen gefesselt. Um sie herum stand zwölf Personen in kuttenähnlichen Gewändern. Sie blickten zum Kopfende des Tisches, an dem ein in weiß gewandeter Mann mit einem Dolch stand.
Für seinen Geschmack hatte Blake genug gesehen. In gewisser Weise passte das Bild ausgezeichnet zu den Galgen an der Tür. Er bemerkte den vor sich stehenden großen Ohrensessel. Aber sich einfach zu setzen hielt er in der augenblicklichen Situation für taktlos.
Noch immer hatte der Graf kein Wort zu ihm gesprochen. Blake beschloss auf sein Spiel einzugehen und abzuwarten. Er ließ seinen Blick schweifen.
Vor die großen Fenster waren schwere Samtvorhänge gezogen worden, was den Raum in ein spärliches Halbdunkel tauchte. An der Wand rechts von ihm befanden sich Bücherregale, die bis zur Decke reichten. Die oberen Buchreihen waren nur über eine angelehnte Sprossenleiter erreichbar. Die Regalböden waren vollgestopft mit zumeist in Leder gebundenen alten Schriften, deren Titel Blake über die Entfernung nicht entziffern konnte. Wenn diese Bibliothek nicht nur als Zierde diente, war der Graf ein belesener Mann.
Plötzlich wurde er durch ein Räuspern des Grafen in seiner Betrachtung unterbrochen. Angus Mackay, der zwölfte Earl of Ross, hatte sich zu ihm umgedreht und war einen Schritt auf ihn zu gegangen.
»Mister Blake, ich heiße Sie auf dem Boden der Mackays willkommen. Früher war es allerdings üblich, dass Fremde sich von selbst im Schloss melden ließen. Ich halte es Ihrer Erschöpfung nach der langen Reise zugute, dass Sie bis heute Morgen gezögert haben. Nachdem Sie nun schon einmal in dem Dorf sind, erlaube ich mir, Sie mit einigen kleinen Eigenheiten unserer Landschaft vertraut zu machen, damit Sie nicht Ihre kostbare Zeit verschwenden.
Sie kamen, soweit ich informiert bin, hierher, um den Fall eines spurlos verschwundenen Mannes zu untersuchen. Jetzt sind Sie mit einem Mord konfrontiert. Glauben Sie mir, Inspektor, dies ist kein Fall für das New Scotland Yard, jedenfalls keine Angelegenheit, die ein Kriminalbeamter zu lösen imstande wäre.
Gegen Wesen, die bei Nacht über die Moore gleiten ohne zu versinken, die oft tage- oder wochenlang nach warmem Menschenblut dürsten und sich gierig vollsaugen, wenn sie ein Opfer gefunden haben, sind die Waffen des Gesetzes stumpf.
Ein Wesen, das nach Belieben verschwindet, wenn ihm Gefahr droht, werden Sie nicht fassen. Und einen, der auf der schmalen Schneide zwischen Leben und Tod schreitet, werden Sie nicht an den Galgen bringen. Oh, ich vergaß, Sie kennen den Tod durch den Strang nicht mehr. Sagen Sie mir, Sie scharfsinniger Kriminalist, wie wollen Sie ein Wesen fassen, wenn es nur zeitweilig in den Körper eines Lebenden schlüpft, um im Moor zu morden?«