MATTHEW CORBETT und die Königin der Verdammten (Band 2). Robert Mccammon
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Читать онлайн книгу MATTHEW CORBETT und die Königin der Verdammten (Band 2) - Robert Mccammon страница 11
Er grübelte über die vier Masken an der Wand der Königin nach – und fragte sich, ob sein sogenannter Instinkt, dank dem er vor Greathouse an seiner Entschlossenheit, den Fall zu lösen, festgehalten hatte, letztendlich nicht doch ein Fall von einem hohen Ross sein würde –, als ihn jemand rief. »Matthew! He, Matthew!«
Er drehte sich um und sah, dass zwei Personen von der Ecke der Maiden Lane auf ihn zukamen. Matthew trat einen Schritt zurück, um einen mit Fässern beladenen Pferdewagen vorbeirattern zu lassen. Die beiden Fußgänger überquerten den Broad Way in seine Richtung und er erkannte Marmadukes zahnlückiges Grinsen und schwankenden Gang. Die andere Person trug einen Strohhut mit runder Krempe und ein leuchtend violettes Kleid mit intensiv grün gefärbten Spitzen am Hals und den Ärmeln. Matthew schwante, dass er Beryl Grigsby jetzt offiziell vorgestellt werden würde. Ihr Farbgeschmack verursachte ihm ein leichtes Gefühl von Seekrankheit.
Als er Grigsbys Enkelin das letzte Mal gesehen hatte, war sie ein schlammfarbiges Etwas gewesen, das bei ihrem Großvater halb ohnmächtig vor Erleichterung und Erschöpfung in einen Stuhl gesunken war. Matthew hatte die Taschen des Mädchens auf den Boden gestellt, einen angenehmen Tag und gute Erholung gewünscht und das Haus verlassen, bevor er sich mit Mehltau anstecken konnte.
»Matthew, ich möchte Euch Beryl vorstellen. Jetzt, da sie wieder ganz gepflegt aussieht, meine ich.« Grigsby stürzte auf ihn zu, während das Mädchen hinterherschlenderte. Matthew kam der Gedanke, dass sie ihn ebenso wenig als Aufpasser haben wollte wie er sich um sie kümmern wollte. »Komm schon, komm!«, drängte Grigsby das Mädchen, das im Schatten ihres Huts nach unten schaute, bis sie gehorchte und sich neben den Alten stellte. Fast wäre Matthew vor ihr zurückgewichen, aber seine Manieren ließen ihn nicht im Stich.
Da er einen weiblichen Zwerg nach Art ihres Großvaters erwartet hatte, war er überrascht, wie groß sie war: Keine fünf Zentimeter kleiner als er selbst, und das war für eine Frau sehr selten. Na, da ist Grigsbys Lenden letztendlich eine Riesin entsprungen, dachte Matthew; und zwar eine nervöse Riesin, denn sie hatte die Hände ineinander verschränkt und verlagerte ihr Gewicht von Fuß zu Fuß, als habe sie sich für einen Termin mit dem Nachttopf verspätet.
»Matthew Corbett, ich habe die Ehre, Euch die wohl ausgeruhte und frisch erholte Beryl Grigsby vorzustellen. Oh.« Der alte Mann lächelte und zwinkerte Matthew zu. »Sie hat mir gesagt, dass sie nicht mehr Beryl heißt, sondern Berry. Dieses junge Volk!«
»Sehr angenehm, Miss Grigsby«, sagte Matthew zu dem im Schatten liegenden Gesicht und hörte ein schnelles, widerwilliges »Ganz meinerseits, Mr. Corbett« als Antwort. Er erhaschte – oh Schreck! – einen Blick auf ein hübsches Lächeln, doch der kleine Spalt zwischen den Schneidezähnen fuhr ihm durch Mark und Bein.
»Sehr nett, Eure Bekanntschaft zu machen«, sagte Matthew. »Ich hoffe, dass Ihr einen angenehmen Aufenthalt in unserer schönen Stadt haben werdet. Einen guten Tag noch.« Mit einem höflichen, aber bestimmten Lächeln an Grigsby wandte Matthew sich um und begann schnell, den Hügel zur Töpferei hochzugehen.
»Äh … äh, Matthew! Wartet doch bitte – einen Moment!«
Matthew wartete keine Sekunde. Er warf einen Blick über die Schulter und sah, dass Grigsby das Mädchen bei der Hand genommen hatte und ihm hinterherkam. Matthew war sich der Überredungskraft des Zeitungsmanns nur zu bewusst: Wenn er Grigsby auch nur ein paar Worte gewährte, würde er dieses schlampige Mädchen an seine Seite gefesselt sehen, bevor er es sich versah. Er marschierte weiter, kam sich vor, als befände er sich in einem Wettrennen, dem er erst entkommen konnte, wenn er hinter seiner gesegneten Falltür in Sicherheit war.
»Wir haben eine Frage an Euch, Matthew!«, rief Grigsby, der sich mit der Abfuhr nicht zufriedengab. »Oder vielmehr, Berry hat eine Frage! Bitte, Matthew, schenkt uns nur einen kurzen Augenblick!«
Zwei streunende Hunde rannten zwischen den Häusern hervor, rasten über den Broad Way und rissen Matthew fast um. Er sah, dass der hintere Hund, ein staubgelber Köter mit einem so menschenähnlichen Grinsen, wie ein Tier nur haben konnte, ein Halsband trug, an dem ein Seil flatterte. Offenbar war er gerade irgendwo ausgebüxt. Bis zur Töpferei war es nicht mehr weit, aber ein Bauer kam auf einem Pferdewagen angefahren, hinter den der größte Stier angebunden war, den Matthew je gesehen hatte. Innerhalb von Sekunden wurde ihm klar, dass der Wagen ihm die Zuflucht in die Töpferei versperren würde, bis er daran vorbeigeknarzt war. Und so ergab er sich seinem Schicksal und drehte sich im selben Augenblick zu den Grigsbys um, in dem der alte Druckerteufel auch schon über ihn herfiel.
»Mein Gott!« Grigsbys Stirn war schweißgebadet und seine Augen hinter der Brille waren riesengroß. »Warum die Eile?«
»Ich habe einen langen, schweren Tag hinter mir. Ich habe es eilig, nach Hause zu kommen, etwas zu essen und früh ins Bett zu gehen.«
»Das kann ich gut verstehen, aber Euer Plan überschneidet sich durchaus mit unserer Frage. Würdet Ihr heute Abend mit uns speisen?«
Matthew hatte noch immer keinen richtigen Blick auf das Gesicht unter dem Hut werfen können. Er sah nur rote Locken. Er wandte seine Aufmerksamkeit Grigsby zu. »Es tut mir leid, Marmy. Ein anderes Mal.«
»Ho, ho!«, rief der Bauer seinem Pferd zu, senkte vor dem Schaufenster der Töpferei die Bremse und kletterte unter Matthews wütendem Blick vom Wagen. Der hinten angebundene Stier stampfte mit den Hufen und schnaubte. »Passt auf!«, warnte der Bauer. »Brutus hat schlechte Laune!«
»Danke, Sir«, schoss Matthew zurück. Während der Bauer das dicke Seil festzog, das von Brutus' Nasenring zum Wagen führte, wandte Matthew sich wieder an Grigsby. »Nicht heute Abend, aber ein anderes Mal. Versprochen.«
»Ihr seht tatsächlich ganz erschlagen aus. Was habt Ihr denn heute gemacht?«
»Ich war …« auswärts, wollte er sagen, fing sich aber noch rechtzeitig, um seinen Besuch bei der Königin der Verdammten nicht in der Zeitung ausgeschlachtet zu sehen. »Einfach beschäftigt.«
Grigsby wollte etwas erwidern, doch seine Worte mussten warten.
Denn jetzt passierte alles sehr schnell: Es begann mit einem schwarzen, verwischten Fleck, den Matthew als eine Katze erkannte, die von der andern Seite des Broad Way unter dem Wagen hindurchlief.
Einer der beiden wilden Hunde folgte der Katze mit fast gleicher Geschwindigkeit. Blutdürstig bellend sauste der Köter dem Pferd fast unter den Hufen durch, woraufhin das Pferd in seinem Geschirr vorwärtssprang und den Wagen trotz der angezogenen Bremse um fünf Zentimeter nach vorn riss. Das reichte, um das am Halsband des zweiten Hundes befestigte Seilende unter dem rechten Hinterrad festzuklemmen, als der hinter seinem Kumpel herrannte – und plötzlich bellte und geiferte der im Seil verhedderte Hund den Stier Brutus an.
Matthew meinte, Berry »Oh« sagen zu hören, aber vielleicht kam das Geräusch auch nur von dem Bauern, als er wie eine Wassermelone durch die Luft segelte. Denn Brutus sprang mit allen Vieren in die Höhe – woraufhin sich der gesamte hintere Teil des Wagens hob, der gelbe Hund befreit darunter herausschoss und um sein miserables Leben rannte. Brutus vermochte