Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner
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Er dachte zurück, wann das mit den häufigen Fahrten in die Stadt begonnen hatte. Immer mehr kam er zu der Vermutung, daß da etwas ganz anderes dahintersteckte. Es war verständlich, daß Dominik abends mal ins Kino gehen, in die Disco oder sich mit Freunden auf ein Bier treffen wollte. Doch in letzter Zeit fuhr er für jede Erledigung extra in die Stadt. Das war in den Augen von Titus Maierhofer nicht nur Zeitverschwendung, sondern auch die Verschwendung von Benzin.
Er dachte weiter nach. In Gedanken ließ er die letzten Wochen an sich vorbeiziehen. Wenn es etwas in der Stadt zu besorgen gab, dann gab es für Dominik kein Halten mehr. Ja, Titus kam es vor, als suche sein Bub direkt nach Vorwänden, um in die Stadt zu fahren.
Der muß ein Madl haben! Anders konnte sich Titus die so deutlich veränderte Verhaltensweise seines Sohnes nicht erklären. Er wirkte auch während der Arbeit oft seltsam abwesend, so als würde er an etwas anderes denken.
Titus überlegte, ob seine Burga etwas davon wußte. Nein, sie weiß nichts, sonst hätte sie mit mir darüber geredet, entschied Titus. Vielleicht bin i ja auch zu streng. Er gestand sich ein, daß er auf das Leben, das sein Sohn Dominik im Augenblick führte, sehr neugierig war. Ja, eine gewisse verwirrende Eifersucht machte sich in seinem Vaterherzen breit. Bisher waren er und seine Frau immer Mittelpunkt und Ansprechpartner im Leben ihres Sohnes gewesen. Jetzt schien das anders zu sein. Das stand für Titus fest.
Deshalb entschloß er sich, Nachforschungen anzustellen.
Titus Maierhofer hielt es für besser, seiner Frau nichts von seinen Gedanken und Überlegungen zu sagen. Denn er wußte leider nur allzu genau, was seine Frau sagen würde. Nämlich, daß der Bub erwachsen sei und ihn das nichts anginge, solange der Bub seine Arbeit machen würde.
Doch Titus steigerte sich immer mehr und mehr hinein. Es konnte doch nur so sein, daß Dominik in der Stadt ein Madl hatte, von dem er und die Mutter nichts wissen sollten. Sicherlich paßte sie nicht auf den Hof, sonst hätte sie Dominik schon längst einmal vorgestellt. Vielleicht war sie so ein modernes junges Ding, wie man sie immer im Fernsehen sieht, dachte Titus.
Auf der einen Seite erinnerte er sich daran, wie es war, als er jung war. Er gönnte seinem Sohn, daß er sich die Hörner abstieß. Das gehörte einfach dazu. Es war wohl auch gut, daß Dominik dafür in die Stadt fuhr und er somit dem Gerede in Waldkogel entging. Doch was würde sein, wenn Dominik ein Kind in die Welt setzen würde? So etwas war ja schon vorgekommen. Dieses hätte dann auch Anrechte auf das Erbe.
Titus saß auf einem dreibeinigen Hocker im Werkzeugraum und sinnierte vor sich hin. Er rang mit seinem Gewissen. Auf der einen Seite zog es ihn, sich aufzumachen und Dominik auf die Finger zu schauen. Auf der anderen Seite hatte er Angst vor dem, was er entdecken könnte.
Wie heißt es so schön?
Was du nicht weißt, das macht dich nicht heiß!
Doch noch war er der Bauer auf dem Maierhofer Hof. Noch hatte er das Sagen. Wenn es da etwas gab, was den Maierhofer Hof bedrohte, dann mußte er es wissen. Dann mußte er handeln.
Titus kam es vor, als zögen schwarze Wolken über dem Maierhofer Hof auf, die sich in einem Unwetter entladen und Schaden anrichten konnten. Wenn sich über dem Tal die Gewitterwolken auftürmten und die Sonne verdunkelten, dann wußte er als Bauer, was zu tun war. Das Vieh auf der Weide wurde in die Stadt geholt und die Stalltüren verschlossen. Jeder Bauer achtete darauf, daß keine Gegenstände auf dem Hof herumlagen oder an der Stallwand lehnten, die der Sturm erfassen konnte. Die Fensterläden am Wohnhaus wurden beigeklappt und die Fenster dahinter verschlossen. Im Herrgottswinkel wurde eine Kerze angezündet und seit Alters her flehten die Bauern vor einem drohenden Unwetter um den Beistand und Schutz des Himmels.
Titus wäre gerne hineingegangen in die Wohnküche, um das dunkle Gefühl in seinem Herzen zu bekämpfen. Aber seine Burga hätte ihn dann sicher gefragt, warum er im Herrgottswinkel ein Licht angezündet hätte. Das wollte er nicht. So ging er hinauf auf den Hof und richtete seinen Blick hinauf zu der Bergspitze des ›Engelssteig‹. Dort wußte er das große Gipfelkreuz. Er schickte ein inniges Gebet um Beistand hinauf und bat die Engel, den Hof und seine Familie zu beschützen.
Titus war auf dem Weg in den Garten, als er von weitem sah, daß sein Sohn mit dem Auto die Landstraße heraufkam. Es reizte ihn, auf ihn zu warten und ihn zur Rede zu stellen. Doch dann entschied er sich, nichts zu sagen. Vielleicht würde er Dominik nur mißtrauisch machen. So ging er weiter und brachte die Verlängerung des Gartenschlauches an.
*
Am Abend des gleichen Tages saßen Otto Natterer und sein Sohn Dominik vor dem Haus in der Abendsonne. Otto Natterer stopfte sich seine Pfeife und reichte seinem Sohn den Tabaksbeutel. Er wartete geduldig, bis Ansgar sich auch seine Pfeife angezündet hatte.
»Hat sich viel verändert, seit die Frizzi regelmäßig kommt, Ansgar!«
»Ja, des hat es!«
»Hör mal, Bub! I hab’ doch gesehen, daß dir die Frizzi net unsympathisch is. Wie wär’s, wenn du sie als Bäuerin auf den Hof holst?«
Ansgar schaute seinen Vater überrascht an und lachte laut.
»Was is des für eine Idee!« empörte er sich gleichzeitig.
»Des is eine ganz prima Idee. I hab’ die Frizzi genau beobachtet. Sie fühlt sich ganz wohl auf unserem Hof. Was sie alles macht! Eigentlich hat sie nur für uns kochen wollen, gelegentlich. Aber die Frizzi hat gleich richtig zupackt. Ja, zupackt hat sie, als wäre sie die Bäuerin auf dem Natterer Hof. Alles glänzt und schimmert. Überall stehen Blumen. Es ist fast genauso, als lebte deine Mutter noch, was den Haushalt betrifft. I sag dir, daß die
Frizzi nix dagegen hat, Bäuerin auf dem Hof zu werden. Sag doch selbst! Hätt’ sie sich sonst so ins Zeug gelegt?«
»Daß die Frizzi das alles besonders gut macht, des will i ja gar net in Abrede stellen, Vater. Aber heiraten? Die Frizzi heiraten? Da gehört doch mehr dazu. I lieb die Frizzi net, wie man eine Frau lieben muß, die man zum Traualtar führen will. Wie i zur Frizzi stehe, das hab’ i dir schon gesagt. Es is eher so wie bei Geschwistern.«
»Dabei muß es aber net bleiben! Des liegt ganz an dir, Ansgar!«
»An mir?« Ansgar zog die Augenbrauen hoch.
»Freilich! Die Frizzi kann dir doch als Madl net nachlaufen. Die is ein braves Madl, die würd so was nie machen. Da mußt du schon um sie werben, Ansgar. I glaub, die wartet nur drauf. Also, von mir aus is die Sach klar!«
Otto Natterer zog an seiner Pfeife. Er war nervös und bemühte sich, ruhig zu erscheinen, was nur bedingt gelang.
Zuerst klang seine Stimme unsicher, bis sie dann langsam, mit jedem Satz fester wurde.
»Also, i hab’ lange darüber nachgedacht. Des mit der Frizzi kann net so weitergehen. Es wird auch net für immer so weitergehen. Wenn du nix machst, dann findet die Frizzi eines Tages einen anderen und dann is sie fort. Dann reißt bei uns wieder die Männerwirtschaft ein. Du weißt doch, daß du heiraten und Kinder haben mußt. Des ist ein ungeschriebenes Gesetz. Jetzt trifft es sich doch gut, daß die Frizzi kommt. Der Hof von ihrem Vater, den das Madl eines Tages erbt oder schon zu Lebzeiten überschrieben bekommt, liegt neben unserem Hof. Des ist sehr praktisch. Des is besser, als wenn zwei heiraten, wo die Höf net nebeneinander liegen tun. Der Joseph und i sind vor Jahren schon dazu übergegangen, uns große