Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde. Оскар Уайльд

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Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde - Оскар Уайльд

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und begann sich zum Diner umzukleiden.

      Es war fast neun Uhr, als er im Klub ankam, wo er Lord Henry allein und sehr gelangweilt aussehend, im Frühstückszimmer sitzend, antraf.

      »Es tut mir zwar leid, Harry,« rief er, »aber es ist nur deine Schuld. Das Buch, das du mir geschickt hast, hat mich wirklich so gefesselt, daß ich gar nicht merkte, wo die Zeit geblieben ist.«

      »Ja, ich dachte mir, daß es dir gefällt«, antwortete der Freund, sich vom Stuhle erhebend.

      »Ich habe nicht gesagt, daß es mir gefällt, Harry. Ich habe gesagt, es fesselte mich. Das ist ein großer Unterschied.«

      »Ah, das hast du entdeckt?« sagte Lord Henry. Und sie gingen zusammen in den Speisesaal.

       Inhaltsverzeichnis

      Jahre hindurch konnte sich Dorian Gray von dem Einfluß dieses Buches nicht losmachen. Oder es wäre vielleicht richtiger zu sagen, er versuchte gar nicht, sich von ihm loszumachen. Er ließ sich aus Paris nicht weniger als neun Luxusexemplare der ersten Auflage kommen und ließ sie verschiedenfarbig einbinden, damit sie zu den wechselnden Launen und veränderlichen Stimmungen seiner Natur paßten, über die er bisweilen jede Herrschaft verloren zu haben schien. Der Held, der wunderbare junge Pariser, bei dem das romantische und das wissenschaftliche Temperament so merkwürdig vermischt waren, wurde für ihn eine Art vorbildlicher Idealgestalt seiner selbst. Und in der Tat schien ihm das ganze Buch die Geschichte seines Lebens zu enthalten, aufgeschrieben, bevor er selbst es gelebt hatte.

      In einer Beziehung aber war er glücklicher als der phantastische Romanheld. Er kannte nie – hatte in der Tat auch nie einen Grund dazu – das beinahe groteske Grauen vor Spiegeln und polierten Metallflächen und unbewegten Wassern, das den jungen Pariser so früh im Leben überkam und das durch den jähen Verfall einer Schönheit verursacht war, die allem Anschein nach vorher ganz außerordentlich gewesen sein mußte. Mit einer fast grausamen Lust – und vielleicht liegt in jeder Lust, wie gewißlich in jedem Genuß, Grausamkeit – pflegte er den zweiten Teil des Buches zu lesen mit dem wirklich tragischen, wenn auch etwas übertrieben geschilderten Bericht von den Leiden und der Verzweiflung eines Menschen, der selbst verloren hatte, was er an anderen und an der Welt am höchsten schätzte.

      Denn die wundervolle Schönheit, die Basil Hallward so gefesselt hatte und manchen anderen auch, schien ihn nie zu verlassen. Selbst jene, die die häßlichsten Dinge über ihn gehört hatten – und von Zeit zu Zeit schlichen seltsame Gerüchte über seine Lebensweise durch London und wurden das Gespräch der Klubs – konnten, wenn sie ihn sahen, nichts glauben, was ihm hätte zur Unehre gereichen können. Er sah immer aus wie einer, der sich in der Welt unbefleckt erhalten hatte. Männer, die sich anstößige Dinge erzählten, verstummten, wenn Dorian Gray ins Zimmer trat. In der Reinheit seines Antlitzes lag ein Etwas, das sie in Schranken hielt. Seine bloße Gegenwart schien in ihnen die Erinnerung an die Unschuld zu erwecken, die sie beschmutzt hatten. Sie staunten, daß ein so reizender und anmutiger Mensch wie er der Befleckung durch eine Zeit hatte entgehen können, die zugleich unsauber und sinnlich war.

      Oft, wenn er von einer der geheimnisvollen längeren Abwesenheiten zurückkehrte, die so merkwürdige Vermutungen bei seinen Freunden erregten oder bei jenen, die sich dafür hielten, so schlich er hinauf in die verschlossene Dachstube, öffnete die Tür mit dem Schlüssel, der ihn nun nie mehr verließ, und stand mit einem Handspiegel vor dem Bildnis, das Basil Hallward von ihm gemalt hatte, und sah bald auf das schändliche und gealterte Antlitz auf der Leinwand, bald auf das schöne, junge Gesicht, das ihn aus der glatten Spiegelfläche anlächelte. Gerade die Stärke dieses Kontrastes pflegte seine Lustempfindung zu erhöhen. Er verliebte sich mehr und mehr in seine eigene Schönheit und empfand mehr und mehr Teilnahme für die Verderbnis seiner eigenen Seele. Er untersuchte mit peinlicher Sorgsamkeit und manchmal mit ungeheuerlichem und schrecklichem Wonnegefühl die häßlichen Linien, die die runzlige Stirn durchfurchten oder sich um den üppigen sinnlichen Mund schlängelten, und fragte sich manchmal, ob wohl die Merkmale der Sünde schrecklicher seien oder die Spuren des Alters? Er legte seine weißen Hände neben die rohen, gedunsenen Hände des Bildes und lächelte. Er machte sich lustig über den verunstalteten Leib und die welkenden Glieder.

      Dann gab es in der Tat Augenblicke, nachts, wenn er schlaflos in seinem mild durchdufteten Zimmer lag oder in der schmuddeligen Stube der kleinen berüchtigten Kneipe nahe den Docks, die er unter einem angenommenen Namen und verkleidet zu besuchen pflegte, wo er mit einem Mitgefühl, das um so beklemmender war, als es einen rein ethischen Ursprung hatte, an das Elend dachte, das er über seine Seele gebracht hatte. Aber Augenblicke wie diese waren selten. Jene Neugier auf das Leben, die Lord Henry zuerst in ihm aufgestört hatte, als sie im Garten ihres Freundes nebeneinander saßen, schien mit ihrer Befriedigung nur zu wachsen. Je mehr er wußte, desto mehr wollte er wissen. Er hatte tolle Hungeranfälle, die immer ungestillter wurden, je mehr er sie nährte.

      Und doch war er nicht gerade liederlich geworden, wenigstens nicht in seinen Beziehungen zur Gesellschaft. Ein- oder zweimal in jedem Monat während des Winters und jeden Mittwochabend während der Saison öffnete er der Welt sein schönes Haus, und immer waren die berühmtesten Musiker da, um seine Gäste mit ihrer erlesenen Kunst zu begeistern. Seine kleinen Diners, bei deren Vorbereitung ihm Lord Henry immer half, waren ebensosehr wegen der sorgsamen Auswahl und Tischordnung der Eingeladenen berühmt, wie wegen des ausgesuchten Geschmackes, der sich in der Tafeldekoration mit ihren fein abgetönten, symphonischen Anordnungen exotischer Pflanzen, gestickter Decken und antiker Gold- und Silbergeräte aussprach. Tatsächlich gab es eine große Zahl, besonders von ganz jungen Menschen, die in Dorian Gray die vollkommene Verkörperung eines Typus sahen oder zu sehen wähnten, von dem sie oft in den Tagen von Eton oder Oxford geträumt hatten, eines Typus, der etwas von der wirklichen Bildung des Gelehrten mit der Anmut, Vornehmheit und den vollendeten Manieren eines Weltmannes vereinigte. Ihnen erschien er als einer aus jener Menschengruppe, von denen Dante sagt, »sie suchten sich durch die Anbetung der Schönheit zu vervollkommnen«. Gleich Gautier war er einer von denen, »für die die sichtbare Welt da war«.

      Und gewiß war für ihn das Leben die erste, die größte Kunst, und alle übrigen Künste schienen nur die Vorschule dazu. Natürlich übte auch die Mode, durch die das wirklich Phantastische einen Augenblick lang Allgemeingut wird, und das Dandytum, das auf seine Weise einen Versuch bildet, eine absolut moderne Art von Schönheit zu verkörpern, ihren Reiz auf ihn aus. Seine Art, sich zu kleiden, und die besonderen Stilabweichungen, die er von Zeit zu Zeit sehen ließ, hatten einen ausgesprochenen Einfluß auf die jungen Stutzer der Bälle in Mayfair und der Fenster des Pall-Mall-Klubs, die ihm in allem, was er tat, nachahmten und jede Exzentrizität aufgriffen, die seine Anmut erhöhte, aber ihm selbst nur teilweis ernst war.

      Denn er war nur zu leicht bereit, die Stellung anzunehmen, die ihm unmittelbar nach seiner Volljährigkeit geboten wurde, und er fand in Wahrheit einen besonderen Genuß in dem Gedanken, er könne für das London seiner Zeit das meiden, was für das Rom des Kaisers Nero der Verfasser des »Satyrikon« gewesen war, aber er wünschte doch im innersten Herzen mehr zu werden als ein arbiter elegantiarum, und nicht nur über das Tragen eines Schmuckstückes oder das Binden einer Krawatte oder die Haltung eines Spazierstockes befragt zu werden. Er suchte ein neues Schema für die Lebensführung zu entwerfen, das seine philosophische Grundlage und seine geordneten Prinzipien haben und in der Vergeistigung der Sinne seine höchste Vervollkommnung erreichen sollte.

      Die Pflege der Sinne ist oft und mit vielem Recht geschmäht worden, da die Menschen einen natürlichen, instinktiven Abscheu vor Leidenschaften und Empfindungen haben, die stärker scheinen als sie selbst und die sie mit weniger hoch organisierten Formen des Lebendigen gemein zu haben sich bemüht sind. Doch kam es Dorian Gray so vor, als ob die wahre Natur der Sinne noch nie verstanden worden sei und als ob sie nur deshalb wild

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