Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde. Оскар Уайльд

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Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde - Оскар Уайльд

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zu sein, sie zu Bestandteilen einer neuen geistigen Welt zu machen, in der ein edles Schönheitsbewußtsein die vorherrschende Triebfeder sein sollte. Wenn er auf den Gang der Menschen durch die Weltgeschichte zurückblickte, verfolgte ihn ein Gefühl des Verlustes. So vielem war entsagt worden und zu so geringem Zweck! Es hatte wahnsinnige freiwillige Entsagungen gegeben, ungeheuerliche Formen von Selbstquälerei und Selbstverleugnung, deren Ursprung die Furcht war und deren Ergebnis eine Erniedrigung von unsäglich schrecklicherer Art, als jene nur eingebildete Erniedrigung, vor der sie sich in ihrer Unwissenheit flüchten wollten, da die Natur in ihrer wunderbaren Ironie den Anachoreten hinausjagte, damit er sich in Gesellschaft der Bestien der Wüste nährte, und dem Einsiedler die Tiere des Feldes zu Gefährten gab.

      Ja: es mußte, wie Lord Henry prophezeit hatte, ein neuer Hedonismus kommen, um das Leben zu erneuern und es von jenem strengen, häßlichen Puritanertum zu erlösen, das in unseren Tagen seine sonderbare Auferstehung feierte. Gewiß, er würde dem Intellekt gehorsam sein müssen; aber niemals dürfte er eine Theorie oder ein System anerkennen, das irgendein leidenschaftliches Erlebnis zum Opfer forderte. Sein wahres Ziel sollte gerade die Erfahrung selbst sein und nicht die Früchte der Erfahrung, mochten sie nun so süß oder bitter sein, wie sie wollten. Von dem Asketentum, das die Sinne tötet, oder von der gewöhnlichen Ausschweifung, die sie abstumpft, würde er nichts wissen wollen. Aber er sollte die Menschen lehren, sich für die Momente des Lebens zu sammeln, da dieses selbst doch nur ein Moment ist.

      Es gibt nur wenige unter uns, die nicht manchmal vor Tagesgrauen erwacht wären, entweder nach einer jener traumlosen Nächte, die uns den Tod lieben lassen, oder nach einer jener Nächte voll Schrecken und wollüstiger Albdrücken, wo durch die Kammern des Gehirns Gespenster flattern, die schrecklicher sind als die Wirklichkeit selbst und erfüllt sind von dem lebendigen Dasein, das in allem Grotesken lauert und das der gotischen Kunst ihre ewig lebendige Kraft gibt, weil gerade diese Kunst, wie man sagen möchte, die besondere Kunst jener ist, deren Geist durch die Krankheit von Fieberträumen verwirrt worden ist. Nach und nach strecken sich bleiche Finger zwischen den Vorhängen durch und scheinen zu erzittern. In schwarzen, abenteuerlichen Formen kriechen stumme Schatten in die Ecken des Zimmers und kauern dort nieder. Draußen regen sich die Vögel im Geblätter, oder man hört den Schritt der Menschen, die zur Arbeit gehen, oder das Heulen und Schluchzen des Windes, der von den Bergen kommt und das schweigsame Haus umwandelt, als fürchte er, die Schläfer zu wecken, und müsse dennoch den Schlaf aus seiner purpurnen Höhle ans Licht rufen. Schleier nach Schleier aus feiner, dunkelfarbener Gaze heben sich, und allmählich erhalten die Dinge ihre Formen und Farben zurück, und wir sehen es mit an, wie die Frühdämmerung der Welt ihre alte Gestalt zurückgibt. Die verschwommenen Spiegel bekommen ihr Scheinleben zurück. Die lichtlosen Lampen stehen, wo wir sie gelassen haben, und neben ihnen liegt das halb aufgeschnittene Buch, darin wir gelesen, oder die verwelkte Blume, die wir auf dem Ball getragen, oder der Brief, den zu lesen wir uns gefürchtet oder den wir zu oft gelesen haben. Nichts scheint uns geändert. Aus den unwirklichen Schatten der Nacht tritt das wirkliche Leben hervor, das wir kannten. Wir haben es da wieder aufzunehmen, wo wir es unterbrochen haben, und uns beschleicht das fürchterliche Gefühl der Notwendigkeit, seine Energien weiter verbrauchen zu müssen in der gleichen ermüdenden Tretmühle stereotyper Gewohnheiten, oder vielleicht überschleicht uns eine wilde Sehnsucht, daß sich unsere Augen eines Morgens öffnen möchten für eine Welt, die im nächtigen Dunkel zu unserer Lust neu erschaffen worden sei, für eine Welt, in der die Dinge frische Linien und Farben hätten, verändert seien oder andere Geheimnisse bürgen, für eine Welt, in der die Vergangenheit nur einen unbedeutenden oder gar keinen Platz hätte oder wenigstens in keiner bewußten Form von Verpflichtung oder Reue weiterlebte, wo die Erinnerung selbst an die Freude ihre Bitterkeit enthält und dem Gedächtnis an den Genuß ein Schmerz beigemischt ist.

      Die Erschaffung solcher Welten schien für Dorian Gray der wahre Lebensinhalt oder wenigstens sein hauptsächlichster Inhalt zu bedeuten; und auf seiner Suche nach Sinnenerlebnissen, die zugleich neu und genußreich sein sollten und jenes Element der Seltsamkeit enthielten, die für die Romantik so wesentlich ist, eignete er sich oft gewisse Arten zu denken an, von denen ihm wohl bewußt war, daß sie seinem Wesen in Wirklichkeit fremd waren, gab sich ihren subtilen Einflüssen hin und verließ sie dann, wenn er sozusagen ihre Farbe in sich eingesogen und seine geistige Neugier befriedigt hatte, mit jener eigentümlichen Gleichgültigkeit, die nicht unvereinbar ist mit einem wirklich glühenden Temperament, und die in der Tat nach der Meinung gewisser moderner Psychologen oft eine Bedingung dafür ist.

      Einmal ging ein Gerücht von ihm, er wolle katholisch werden; und gewiß hatte der katholische Kult eine große Anziehungskraft für ihn. Das tägliche Meßopfer, das wirklich viel ehrfurchterweckender ist als alle Opfer der antiken Welt, regte ihn ebensosehr an durch seine prachtvolle Unbekümmertheit des sinnlichen Augenscheins wie durch die primitive Einfachheit seiner Elemente und das ewige Pathos der menschlichen Tragödie, die es zu symbolisieren versuchte. Er liebte es, auf das kalte Marmorpflaster hinzuknien und den Priester zu beobachten, der in seiner stimmungsvollen, blumengestickten Stola langsam und mit weißen Händen den Vorhang vom Tabernakel hinwegzog, oder die laternenförmige edelsteingeschmückte Monstranz in die Höhe hob, die jene blasse Hostie enthielt, von der man zuzeiten wirklich denken konnte, es sei der panis coelestis, das Brot der Engel, oder der, in die Gewänder der Christuspassion gehüllt, die Hostie in den Kelch tauchte und sich um seiner Sünden willen die Brust schlug. Die rauchenden Weihrauchkessel, die die ernsten Knaben in ihren Spitzen- und Scharlachmänteln in der Luft schwangen und die wie große, goldene Blumen aussahen, übten einen tiefen Zauber auf ihn aus. Wenn er hinaustrat, pflegte er staunend die dunkeln Beichtstühle anzublicken und empfand eine Sehnsucht, im düsteren Schatten eines solchen zu sitzen und den Männern und Frauen zu lauschen, die durch das abgenutzte Gitter die wahre Geschichte ihres Lebens flüsterten.

      Aber er verfiel nie dem Irrtum, seine geistige Entwicklung durch die förmliche Annahme irgendeines Glaubens oder Systems zu hindern oder irrtümlich ein Haus, in dem man leben konnte, gleichsam für eine Herberge zu halten, die nur zu kurzem Aufenthalt während einer Nacht oder nur für ein paar Stunden während einer Nacht taugt, wenn keine Steine leuchten und der Mond im Wechsel begriffen ist. Die Mystik mit ihrer wunderbaren Kraft, uns gewöhnliche Dinge seltsam erscheinen zu lassen, und jene tiefe Ketzersucht, die sie immer zu begleiten scheint, reizte ihn eine Saison hindurch; und dann neigte er sich eine andere Saison hindurch wieder den materialistischen Lehren der Darwinistischen Bewegung in Deutschland zu und fand einen besonderen Genuß darin, die Gedanken und Leidenschaften der Menschen bis auf irgendeine perlgroße Zelle im Gehirn oder auf irgendeinen weißen Nerv im Körper zurückzuleiten, schwelgte förmlich in der Vorstellung einer absoluten Abhängigkeit des Geistes von gewissen physischen Bedingungen, mochten sie krankhaft oder gesund, normal oder pathologisch sein. Aber, wie schon früher von ihm berichtet wurde, so schien keine Lebenstheorie von irgendeiner Bedeutung für ihn, im Vergleich mit dem Leben selbst. Er war sich haarscharf bewußt, in welches Irrsal jede geistige Spekulation führen mußte, wenn sie von Handlung und Experiment getrennt ist. Er mußte, daß die Sinne nicht weniger als die Seele ihre geistigen Geheimnisse offenbaren mußten.

      Und so ergab er sich zeitweilig dem Studium der Wohlgerüche, bemühte sich um die Geheimnisse ihrer Bereitung, destillierte schwerduftende Öle und verbrannte wohlriechendes Gummi, das aus dem Orient stammte. Er erkannte, daß es keine Stimmung des Geistes gab, die nicht ihr Seitenstück im Leben der Sinne fand, und mühte sich, die wirkliche Beziehung zwischen beiden zu entdecken, um herauszuklügeln, weshalb der Weihrauch den Menschen mystisch stimmte, warum die Ambra die Leidenschaften aufstachele, woher der Veilchenduft die Erinnerung an gestorbene Romantik erwecke, wieso der Moschus das Gehirn vermine, und wodurch der Tschampak die Phantasie beflecke: und so versuchte er manchmal, eine genaue Psychologie der Wohlgerüche auszuarbeiten und ihre verschiedenen Wirkungen zu bestimmen, zum Beispiel süßriechender Wurzeln, duftiger, samentragender Blüten, aromatischer Balsame, dunkler, starkriechender Hölzer, des Baldrians, der zum Erbrechen reizt, der Hovenia, die einen toll macht, und der Aloe, die imstande sein soll, die Schwermut aus der Seele zu verjagen.

      Ein andermal widmete er sich gänzlich der Musik und gab öfter Konzerte in einem langen, dämmerigen Saal, dessen

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