Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman - Patricia Vandenberg Dr. Norden

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begeisterter Sportler ging auch Stephan Hagedorn fast täglich zum Laufen, meist mit seinem 18-jährigen Sohn Raphael. Dieses Programm ergänzten die beiden durch regelmäßige Besuche im Fitnessstudio.

      »Hallo, Kai, wie geht’s?«, begrüßte Stephan den Trainer des Studios, den er seit Jahren kannte.

      »Alles klar!«

      »Ist Raphael schon da? Ich hab ihn am Handy wieder mal nicht erreicht.«

      »Der ist vor ’ner guten Stunde vom Laufen direkt hierher gekommen.«

      Unwillig schüttelte Stephan den Kopf.

      »Sein Trainingsplan sieht eigentlich was anderes vor.« Er schulterte seine Tasche und ging durch das Studio zur Umkleide. Auf dem Weg dorthin entdeckte er seinen Sohn, der vor einem Spiegel Hanteln stemmte.

      »Hey, Sportsfreund. Alles klar?«

      »Dad! Auch schon aufgestanden?« Während Raphael sich mit den Gewichten abmühte, rang er sich ein Lächeln ab.

      »Nicht so frech, mein Lieber«, grinste Stephan. »Im Gegensatz zu dir muss ich zwischendurch auch mal arbeiten. Was hast du denn heute schon getrieben?«

      »Och, nicht viel. Ausgeschlafen, gefrühstückt. Dann bin ich vor ’ner guten halben Stunde hergekommen«, erwiderte der junge Mann lapidar und legte die Gewichte zurück. Er lockerte die Muskeln und begutachtete seinen Körper kritisch im Spiegel.

      »Da hab ich aber was anderes gehört«, gab Stephan unwillig zurück.

      Einerseits schätzte er den Eifer seines Sohnes, der das erreichen wollte, was sein Vater nie geschafft hatte. Er wollte Profilangstreckenläufer werden. Anderseits fürchtete er, dass Raphael mit seinem harten Training über das Ziel hinausschießen könnte. »Übertreib es nicht. Wir haben doch extra einen Plan zusammen ausgearbeitet.«

      »Ich pass schon auf.« Raphael griff nach den nächsten Gewichten und wollte sie stemmen, als er plötzlich aufstöhnte und sein rechtes Knie kurz nachgab.

      »Was ist los?«, fragte Stephan sofort alarmiert.

      »Nichts. Hab mir beim Laufen heute das Knie verdreht. Aber es geht schon wieder.« Tapfer biss Raphael die Zähne zusammen. Auf keinen Fall wollte er vor seinem Vater eine Schwäche zeigen. Schon gar nicht, seit der nach der Trennung von seiner Mutter Lydia eine neue Frau kennengelernt hatte. Seither wurde Raphael von noch größeren Verlustängsten geplagt, und er sah nur einen Weg, sich ins Gedächtnis seines Vaters einzubrennen: Er musste eine einzigartige Läuferkarriere hinlegen. Tapfer lächelte er Stephan an.

      »Bist du sicher?«, fragte der skeptisch.

      »Klar.« Zum Beweis griff Raphael nach den Hanteln, die noch mehr wogen, und stemmte sie mit einem Ruck hoch in die Luft.

      Fasziniert sah der stolze Vater dabei zu.

      »Du bist einfach ein Teufelskerl!«, entfuhr es ihm. »Ich war seinerzeit genauso zielstrebig wie du. Leider hat bei mir der Körperbau einfach nicht gepasst. Zu kurze Beine. Deshalb ist aus der Profikarriere nichts geworden«, erinnerte er sich noch immer an den Tag, als ihm der Trainer mit dieser Einschätzung die bitterste Enttäuschung seines Lebens bereitet hatte. »Aber du wirst es schaffen. Mein Sohn! Einfach unglaublich.« Stephans anerkennender Blick ruhte auf Raphael, bis er in die Gegenwart zurückkehrte. »So, und jetzt machst du Schluss für heute. Das reicht.« Er klopfte dem jungen Mann auf die Schulter und lächelte in sein schweißnasses Gesicht. »Ich trainiere noch ein bisschen.« Gut gelaunt ging er in die Umkleide und stand wenige Minuten später auf dem Laufband. Raphael hatte sich seinen Rat zu Herzen genommen und gesellte sich kurz darauf frisch geduscht zu ihm. Er grinste breit, als er sah, dass Stephan in mäßigem Tempo auf dem Band ging.

      »Soll ich’s ein bisschen schneller machen, Papa?«, fragte er frech und streckte schon die Hand aus, um eine schnellere Gangart einzustellen.

      »Halt, halt, schließlich bin ich ein alter Mann!«, wehrte sich Stephan lachend gegen diese Herausforderung. »Ich muss mich ordentlich warm machen.«

      Damit war Raphael einverstanden.

      »Alles klar. Bis morgen dann.«

      Das erinnerte Stephan an etwas.

      »Oh, gut, dass du es sagst. Morgen hab ich leider keine Zeit. Paula hat mir Kinokarten geschenkt«, erklärte er bedauernd. »Es macht dir doch hoffentlich nichts aus?«

      »Schon gut.«

      Ein heißer Stich durchfuhr Raphaels Herz. Als er sich umdrehte, machte er einen gedankenlosen, großen Schritt. Sein Körper rächte sich sofort dafür. Der Schmerz durchfuhr ihn wie ein Messerstich, und er stöhnte gequält auf.

      »Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«, erkundigte sich sein Vater besorgt.

      »Alles gut! Ist nur das Knie. Ich schätze mal, ich hab’s heut ein bisschen übertrieben«, winkte Raphael scheinbar lässig ab und machte sich auf den Heimweg, zerfressen von der Sorge, dass sein Vater bald keine Zeit mehr für ihn haben, mit seiner Freundin eine neue Familie gründen und seinen erwachsenen Sohn bald vergessen haben würde. Und erneut wuchs in Raphael die Sicherheit, dass er das nur verhindern konnte, indem er Stephan nicht enttäuschte.

      *

      »Mein armer, schwarzer Kater!«, erklärte Tatjana Bohde in Erinnerung an das alte Kinderspiel und streichelte Danny ein bisschen spöttisch über die Wange.

      Als ihr Freund sie an diesem Abend angerufen und ihr sein Leid geklagt hatte, hatte sie sich sofort auf den Weg in seine Wohnung gemacht. Jetzt lag der junge Arzt hingegossen auf dem Sofa, und sie legte einen kalten, nassen Waschlappen auf sein Bein.

      »Eigentlich hatte ich ja gedacht, dass du als Arzt wenigstens von der Erfindung des Coldpacks gehört haben solltest«, tadelte sie ihn und betrachtete den nassen Fleck, der sich auf der Decke auf dem Sofa ausbreitete.

      »Schimpf mich nicht. Ich bin verletzt!«, jammerte Danny herzerweichend. »Bring mir lieber was zu trinken. Bitte!«, fügte er mit treuherzigem Augenaufschlag hinzu.

      Tatjana zögerte und musterte ihren leidenden Freund ungläubig.

      »Aber sicher, mein armer kranker Mann. Du hast ein Recht auf einen letzten Wunsch, ehe du dein Leben aushauchst.« Dann ging sie in die Küche und kam mit einem Glas Wasser zurück, in das sie in weiser Voraussicht einen Strohhalm gesteckt hatte. »Hier. Damit du deinen Kopf nicht heben musst.« Mit der einen Hand hielt sie ihm das Glas hin und half ihm mit der anderen behutsam, den Kopf zu heben.

      Täuschte sich Danny oder lag ein Hauch Spott auf ihrem ebenmäßigen, schönen Gesicht?

      »Ich will auch mal krank sein dürfen!«, beschwerte er sich trotzig.

      Scheinbar irritiert hob die Studentin der Orientalistik eine Augenbraue.

      »Soll das heißen, dass dein Leid gar nicht unheilbar ist und du eines Tages wieder gesund sein wirst?« Diesmal war die Ironie in ihrer Stimme unüberhörbar.

      »Du bist herzlos!«, schnaubte Danny und drehte beleidigt den Kopf weg.

      Tatjana, die sich wieder neben ihn auf den Boden gesetzt hatte, wusch den Waschlappen aus und legte ihn wieder auf das schmerzende Bein.

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