Die Ökonomie der Hexerei. David Signer

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Die Ökonomie der Hexerei - David  Signer

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ich sie auch konsultieren?“

      „Sicher. Leute aus dem ganzen Land pilgern zu ihr.“

      „Was muss man machen, wenn man ihre Hilfe will?“

      „Man muss ihr Gin mitbringen. Damit lockt sie die Geister an.“

      Ich hatte mir alles viel komplizierter vorgestellt. Aber tatsächlich: Warum nicht einfach die Heilerin persönlich aufsuchen, anstatt die andern über sie auszufragen?!

      Am übernächsten Morgen gingen wir mit Mathurin in einen Laden in Abengourou, und er zeigte uns, welcher Gin es sein musste: der kleine aus Holland in der eckigen, grünen Flasche. Ich bemerkte, es sei eigentlich seltsam, dass die Geister hier nicht den afrikanischen Gin bevorzugten.

      „Auch die Geister“, sagte er, „bevorzugen das Fremde“.

      Wir fuhren mit dem Buschtaxi nach Agnibilékrou, und von dort brachte uns ein anderer Fahrer nach Tengouélan. Nichts wies auf die Besonderheit dieses Dorfes und dieses Hofes hin, zu dem uns Mathurin nun führte.

      Nur ein paar Kinder balgten herum. Wir setzten uns auf einen Baumstrunk.

      „Die Leute sind noch in der Kirche“, sagte Mathurin, „wir müssen ein bisschen warten“.

      Es war Sonntag, und die Fetischpriesterin empfing also möglicherweise gerade eine Hostie vom christlichen Priester.

      Mathurin zeigte auf den großen Hof.

      „Hier finden jeweils die großen Zeremonien statt. Wenn es ein gewichtiges Problem gibt, bei dem viele Leute involviert sind, dann wird das große Ritual durchgeführt. Das kostet etwa 40 000 CFA (etwa 100 Schweizerfranken). Beispielsweise bei Familienstreitigkeiten, die mehrere Leute im Dorf betreffen. Dann wird auch getanzt und getrommelt. Was wir jetzt machen, ist eine ‚kleine Konsultation‘, aber du könntest im Prinzip auch eine große bestellen.“

      Nach und nach setzten sich einige Kinder und Frauen zu uns. Eine Zwergwüchsige begann ausgiebig ihr Kind einzuseifen, um es anschließend so aufmerksam abzuschrubben, als müsste jede Pore einzeln gereinigt werden.

      Zwischen Mathurin und einer Alten entspann sich ein Gespräch in Agni.

      Er fragte, ob sie sich nicht an seinen letzten Besuch erinnern könne, als er mit dem Fotografen an der großen Zeremonie teilnahm.

      Sie konnte nicht. Jetzt entrollte er endlich das Papier, das er schon den ganzen Tag sorgsam mit sich getragen hatte.

      Es war das Fotoposter der tanzenden Ahissia, die Vorlage für das Bild an der Mauer des Ministeriums in Abengourou.

      Mathurin erklärte, dass er das Plakat in hoher Auflage drucken und in den Verkehrs-, Fremden- und Tourismusbüros des ganzen Landes aushängen lassen wolle, als Werbung für Ahissia und die Kultur des Agnilandes. Jetzt kamen mehr Leute hinzu; sie drängten sich, um das Plakat zu sehen, und ob sie auch noch irgendwo selber im Hintergrund erkennbar seien. Jemand brachte ein Fotoalbum mit Bildern vom Begräbnis Akoua Mandodjas, der „Großmutter“ Ahissias, wie sie sie nannten, der Gründerin der hiesigen Schule und berühmtesten Heilerin der Elfenbeinküste aller Zeiten. Auf einem Bild war sie auf dem Totenbett zu sehen, prunkvoll umgeben von all den Reliquien, die inzwischen auf Ahissia übergegangen waren.

      Als alle die Fotos bewundert hatten und eine kleine Pause entstand, übergab Mathurin seine Geschenkrolle feierlich der Alten und sagte:

      „Schick Deinen Sohn damit in die Stadt. Er soll ein Glas kaufen und es rahmen lassen. Dann hängt es an einem schattigen Ort auf, damit es nicht verdirbt.“

      Und dann erschien Ahissia selbst, die Fetischpriesterin. Ich wäre nicht auf sie aufmerksam geworden, hätte mir Mathurin sie nicht vorgestellt. Sie hatte sich erst eine Weile zwischen die andern Frauen gesetzt und das Plakat, das ja ihr galt, am teilnahmslosesten von allen angeschaut. Sie schien geistesabwesend, verschlafen, verträumt. Ein bisschen „in einer anderen Welt“, aber das sage ich natürlich jetzt, nachträglich, mit all dem Wissen um ihre Person. Sie war eine Weile da, dann begrüßten wir uns, sie war noch eine Weile da, und verschwand dann wieder. Ihre ganze Gestalt hatte etwas sehr Introvertiertes, als nähme sie die Außenwelt nur flüchtig, wie durch einen Schleier wahr und als seien ihre Augen, obwohl geöffnet, nach innen gewandt.

      Ich nahm noch einmal das Fotoalbum zur Hand und suchte das Bild, auf dem sie in voller Trance bei einem Ritual zu sehen war, und verglich das Gesicht mit dem Original. Sie war fast nicht wiederzuerkennen, und trotzdem: Etwas von all den Verzückungen, Verrenkungen und inneren Reisen war als Spur auf ihrem Gesicht zurückgeblieben. Auch jetzt, hier, an diesem normalen Sonntagmorgen, erschien sie mir ein wenig drogué.

      Dann erschien der Übersetzer, ein junger, großgewachsener Mann im weißen Gewand – der „Intellektuelle“ des Dorfes, denn er hatte studiert und erledigte nun alles „Schriftliche“ für die Bewohner. Er war der jüngste Sohn eines reichen und einflussreichen Vaters, eines „Noblen“ mit 72 Kindern. Später sollte er uns sein wundervolles, wenn auch heruntergekommenes Elternhaus in Tengouélan zeigen, bewohnt von einem blinden Alten, der verloren in einer dunklen Flurecke saß. Obwohl etwa dreimal so alt wie der „Intellektuelle“ war er dessen Vetter, wurde jedoch mit père heritier angeredet. Der Altersunterschied erklärte sich aus dem hohen Alter, in dem der Vater seinen Jüngsten noch gezeugt hatte; und da die Agni in der mütterlichen Linie erben, ging das Haus des Vaters auf den ältesten Sohn seiner Schwester über, und die leiblichen Kinder gingen leer aus. Sie erbten von ihrem Onkel mütterlicherseits, wo aber nicht viel zu holen war. So war dem „Intellektuellen“ nur der Stolz geblieben, nobel und gebildet zu sein, obwohl beides wenig abwarf.

      „Wir haben eben das Matriarchat“, fasste er etwas resigniert zusammen.

      Später führte er uns zum Grab seines Vaters, des ehemaligen Dorfältesten. Das Grab war, wie hier üblich bei wichtigen Persönlichkeiten, geschmückt mit lebensgroßen, bunt bemalten Figuren, in seinem Fall mit einem Ungehorsamen, der geköpft in einer sehr roten Blutlache lag, sein Kopf in der Hand eines Mannes hinter ihm, der mit einem Säbel bewaffnet und flankiert von zwei Polizisten, einem Löwen und einem Elefanten war.

      „Es wirkt sehr lebendig“, bemerkte ich beeindruckt.

      „Nun“, antwortete er, „wie einer unserer Weisen gesagt hat: ‚Die Toten sind nicht tot‘.“

      Aber zurück zur Fetischpiesterin. Inzwischen hatten wir uns in einen Nebenhof bewegt und saßen dort mit dem „Intellektuellen“ vor ihrem Haus. Die Priesterin war offensichtlich mit Vorbereitungen beschäftigt. Wir sahen sie hin- und herschlurfen.

      „Siehst du die Metallkettchen an ihren beiden Fesseln? Darin erkennst du die Meisterin. Die Schülerinnen, die dort am Brunnen hantieren, tragen Kettchen aus Kaurimuscheln.“

      Jetzt setzte sie sich, immer noch mit ihrem dämmrigen Ausdruck, zu uns, und ich übergab ihr die Ginflasche und 10 000 CFA (etwa 25 Schweizerfranken). Wir nahmen alle einen Schluck, gossen ein wenig auf den Boden, „für die Ahnen“, dann entfernte sie sich mit der Flasche.

      Wenig später sahen wir einige der Frauen mit dem Gin zum – unscheinbaren, schmucklosen – Grab der „Großmutter“ hinübergehen. Sie füllten einige dort deponierte Gläschen damit.

      «Sie locken jetzt die Geister an», sagte Mathurin.

      Ich assoziierte: les

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