G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr. Гилберт Кит Честертон

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G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr - Гилберт Кит Честертон

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näher und näher zum Stabsquartier der Hölle gezogen, und dieses Gefühl wurde nun überwältigend, wie er näher und immer näher auf den Präsidenten zukam. Kindisch war ihm ums Herz – und abscheulich. Wie er das Zimmer zum Balkon durchschritt, wurde das umfangreiche Gesicht des Sonntags immer noch umfangreicher und umfangreicher; und Syme fiel Furcht an, daß es, sowie er nur einmal ganz dran wäre – jetzt? jetzt? – so traumhaft groß würde, daß er laut aufschreien müßte. Und er erinnerte sich, wie er als Kind die Memnonmaske im Britischen Museum nie ansehen konnte, weils ein Gesicht … und ein so großes Gesicht war.

      Doch dann nahm er seine ganze Kraft zusammen und vollbrachte mehr als ein Bergsteiger vollbringt: er ging auf einen leeren Platz am Frühstückstisch zu und setzte sich da nieder. Die Herren begrüßten ihn lustig und unter Scherzen – gerad als obs ein ganz alter Bekannter wäre. Er rastete ein wenig aus von allem, indem er ihre Röcke und die solide gleißende Kaffeekanne musterte … und dann sah er wieder auf Sonntag hin. Das Gesicht war ungeheuer, aber es war doch immer noch menschenmöglich.

      Die Gesellschaft um den Präsidenten, die sah ziemlich alltäglich aus. Es fiel dir auf den ersten Blick nichts weiter auf, als daß sie alle, weil der Präsident es in seiner Laune so wollte, festlich angetan waren, was dem Mahl das Aussehen eines Hochzeitsmahles gab. Ein einziger doch stach noch einigermaßen ab. Der sah wenigstens etwas nach einem richtiggehenden Dynamithelden aus. Er trug wohl gleichfalls den hohen weißen Kragen und die Atlasbinde, wie vorgeschrieben, aber aus diesem Kragen fuhr ein Schädel heraus, ein unbändiger, ein nicht zu verkennender, mit einem wilden Busch Braunhaar und einem solchen Bart, daß sich die Augen versteckten – fast wie bei einem Skye-Terrier. Aber dann, wie die Augen sich quasi doch noch herausarbeiteten aus diesem Gestrüpp, waren es die melancholischen Augen eines russischen Leibeigenen. Der Mensch wirkte lange nicht so lähmend wie der Präsident, und doch hatte er von jener Diabolik, die von höchster Groteske herkommt. Wenn aus der steifen Binde und dem hohen weißen Kragen plötzlich der Kopf einer Katze oder eines Hundes herausgefahren wäre, wäre der Kontrast auch nicht viel blödsinniger gewesen.

      Und dieser Mann, der hieß Gogol, wie es schien. Ein Pole. Und in diesen Tagen der Woche war er der Dienstag. Seine Seele und seine Rede waren unheilbar tragisch. Es wollte und wollte ihm nicht gelingen, seine Rolle so glücklich und frivol zu meistern, wie’s Präsident Sonntag von ihm verlangte. Und gerad wie Syme hereinkam, zog der Häuptling, mit seiner ganzen Unbekümmertheit und sich aller Oeffentlichkeit und allem Verdacht preisgebend, so wie’s seine Politik war, eben jenen Gogol auf – um seiner Unfähigkeit willen, hübsch konventionell zu scheinen.

      »Unser Freund Dienstag«, sang es tief, gelassen und voluminös, »unser Freund scheint alles zusammen immer noch nicht begriffen zu haben. Er zieht sich wie ein Kavalier an, aber er scheint eine zu große Seele zu haben, als daß er sich wie ein Kavalier benehmen könnte. Er kanns nicht lassen, immer wieder den Verschwörer herauszubeißen. Wenn ein Kavalier in Zylinderhut und Gehrock durch London geht, braucht kein Mensch zu wissen, daß er ein Anarchist ist. Aber wenn ein Kavalier in Zylinderhut und Gehrock auf Händen und Füßen umherläuft – ja, da muß man doch auf ihn aufmerksam werden. Ja ja ja ja, Bruder Gogol! Der läuft so lange mit einer solch unerschöpflichen Diplomatie auf Händen und Füßen, bis er es unmenschlich findet, aufrecht zu gehen.«

      »Ich verrrsteh mich nicht auf Verrrstecken«, sprach Gogol verdrießlich – in einem sehr fremdländischen Akzent; »ich schämme mich auch nicht.«

      »Ja ja ja ja, mein Lieber – versteckt sich nicht – und schämt sich nicht – schämt sich nicht, sich nicht zu verstecken –« meinte der Präsident gutmütig. »Sie verheimlichen soviel wie nur irgendeiner. Aber Sie können es nicht – sehen Sie – so ein Esel sind Sie! Sie versuchen, zwei ganz inkonsistente Methoden zu kombinieren. Wenn ein Familienvater einen Mann unter seinem Bett findet, wird er wissen, was er zu tun hat. Aber wenn er einen Mann mit einem Zylinder unter seinem Bett findet, – das müssen Sie mir zugeben, mein lieber Dienstag – wird er schwerlich vergessen, dies insonders in Erwägung zu ziehn. Nun … wenn Sie unter Admiral Biffins Bett gefunden werden –«

      »Ich taugge nicht zu Betrugg«, sagte Dienstag verdrießlich – und errötete.

      »Ach ja, mein Lieber, ach ja ja ja«, sprach der Präsident besonders und auffallend herzlich, »Sie taugen zu überhaupt nichts.«

      Wie so der Strom der Rede floß, sah sich Syme die Herren um ihn genauer, durchdringender an. Und dabei schwand jene seine unkörperliche Ohnmacht mehr und mehr und kehrte ihm all seine geistige Spannkraft seltsamlich zurück.

      Er war zuerst der Meinung gewesen, daß sie alle, mit der alleinigen evidenten Ausnahme des härenen Gogol, von gewöhnlicher Gestalt und Tracht wären. Wie er aber nun einen nach dem andern so ansah, grinste ihm aus jedem von ihnen das entgegen, das ihm heut in aller Früh aus dem Mann am Fluß entgegengegrinst hatte: irgendein höllisch Detail, irgendwie eine Besessenheit. Jenes Lachen immer nur mit der Hälfte des Gesichts, das das feine Gesicht seines Führers von heute morgen von Zeit zu Zeit so sehr entstellte – das war typisch für alle die Typen. Ein jeder hatte bei näherer Beobachtung – früher oder später, was an sich, das gewiß nicht normal, das außer-oder unmenschlich war. Die einzige Metapher, die er aufbrachte, war die: feine Leute – aber durch einen Hohlspiegel gesehen.

      Einzelne Beispiele mögen diese halbverborgene Exzentrizität klarlegen. Symes Cicerone, das war derjenige, welcher der Montag war; der Sekretär des Rats; und seine zwei Lächelhälften, die in Trennung von Tisch und Bett lebten, flößten dir ein ärgeres Entsetzen ein als alles sonst – das scheußliche Gewieher des Glücks des Präsidenten ausgenommen. Nun aber Syme mehr Muße und günstigeres Licht hatte, ihn zu beobachten, fielen ihm bald noch andere Dinge auf. Sein feines Gesicht war so abgezehrt, daß Syme glauben mußte, da müßte irgendeine fressende Krankheit dahinterstecken. Von Zeit zu Zeit aber schürte dann wieder eine solche Qual das Feuer seiner Augen, daß man erraten mußte: das konnte keine physische Krankheit sein. Dann flammten seine Augen so sehr Verdammnis, als ob bloßes Denken ihm Hölle wäre.

      Und er – er war typisch für jeden von der Sippe; ein jeder aus dieser Gesellschaft war subtil und differenziert – verdreht. Nächst ihm saß der Dienstag, der viehwollige kratzbürstige Gogol, einer der augenscheinlich nahebei verrückt war. Nächst diesem der Mittwoch, ein gewisser Marquis de St. Eustache, eine sattsam charakteristische Figur. Auf den ersten Blick und etwa auf noch zwei Blicke fandst du absolut nichts Ungewöhnliches an ihm; außer, daß er der einzige Mann vom Tisch war, der sich von Haus aus stets nach der Mode getragen hatte. Mit einem schwarzen französischen Bart, wie nach Maß gearbeitet; und einem schwarzen englischen Gehrock, noch mehr als wie nach Maß gearbeitet. Aber Syme, der sehr sensitiv in solchen Dingen war, der witterte jene schwüle, schwangere Atmosphäre um ihn, die einen bis zum Ersticken schwängert. Das gemahnte einen unabweislich an schlaftrunken machende Odeurs und Totenlichte in den düstersten Gedicht-Gemälden Byrons und Poes. Er war (das kam dazu) nicht in lichteren Farben, aber von weicheren, sanfteren Stoffen angetan: sein Schwarz war reicher und wärmer als alles Schwarz um ihn, und als wären tiefe Farbtöne hineingebunden und darinnen gefesselt. Sein schwarzer Eock sah nur darum schwarz aus, als wär er zu schwarz, um purpurn zu sein. Und sein schwarzer Bart – als wäre er zu schwarz, um noch tiefblau zu scheinen. Und unter dem glühenden Dickicht seines Bartes erblühte sein dunkelroter Mund voll Sinnlichkeit und voller Hohn. Mochte er sein was er wollte – ein Franzmann war er nicht. Ein Jude – ein Jude mochte er sein. Oder noch von weiterher – vielleicht mitten aus dem dunklen Herzen des Ostens. Hellichte persische Ziegel und Teppiche zeigen jagende Tyrannen – – auf solchen Malereien magst du diese Mandelaugen, diese blauschwarzen Barte, diese grausamen, dunkelglühenden Lippen schon gesehen haben.

      Der nächste war Syme selber; und ihm zunächst dann kam ein sehr alter Mann, Professor de Worms, der immer noch auf dem Freitag-Stuhl saß, obwohl man jeden Tag erwartete, daß ihn sein endlicher Tod unbesetzt lassen würde. Bei dem war nur noch der Geist rege; der Leib befand sich im letzten Stadium der Auflösung,

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