Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler. Артур Шницлер
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Читать онлайн книгу Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler - Артур Шницлер страница 11
Max. Nun–?
Anatol. Also da sitze ich vor meinem Klavier ... In dem kleinen Zimmer war es, das ich damals bewohnte ... Abend ... Ich kenne sie seit zwei Stunden ... Meine grün– rote Ampel brennt – ich erwähne die grün–rote Ampel; sie gehört auch dazu.
Max. Nun?
Anatol. Nun! Also ich am Klavier. Sie – zu meinen Füßen, so daß ich das Pedal nicht greifen konnte. Ihr Kopf liegt in meinem Schoß, und ihre verwirrten Haare funkeln grün und rot von der Ampel. Ich phantasiere auf dem Flügel, aber nur mit der linken Hand; meine rechte hat sie an ihre Lippen gedrückt ...
Max. Nun?
Anatol. Immer mit deinem erwartungsvollen »Nun« ... Es ist eigentlich nichts weiter ... Ich kenne sie also seit zwei Stunden, ich weiß auch, daß ich sie nach dem heutigen Abend wahrscheinlich niemals wiedersehen werde – das hat sie mir gesagt – und dabei fühle ich, daß ich in diesem Augenblick wahnsinnig geliebt werde. Das hüllt mich so ganz ein – die ganze Luft war trunken und duftete von dieser Liebe ... Verstehst du mich? (Max nickt.) – Und ich hatte wieder diesen törichten göttlichen Gedanken: Du armes – armes Kind! Das Episodenhafte der Geschichte kam mir so deutlich zum Bewußtsein. Während ich den warmen Hauch ihres Mundes auf meiner Hand fühlte, erlebte ich das Ganze schon in der Erinnerung. Es war eigentlich schon vorüber. Sie war wieder eine von denen gewesen, über die ich hinweg mußte. Das Wort selbst fiel mir ein, das dürre Wort: Episode. Und dabei war ich selber irgend etwas Ewiges... Ich wußte auch, daß das »arme Kind« nimmer diese Stunde aus ihrem Sinn schaffen könnte – gerade bei der wußt' ich's. Oft fühlt man es ja: Morgen früh bin ich vergessen. Aber da war es etwas anderes. Für diese, die da zu meinen Füßen lag, bedeutete ich eine Welt; ich fühlte es, mit welch einer heiligen unvergänglichen Liebe sie mich in diesem Momente umgab. Das empfindet man nämlich; ich lasse es mir nicht nehmen. Gewiß konnte sie in diesem Augenblick nichts anderes denken als mich – nur mich. Sie aber war für mich jetzt schon das Gewesene, Flüchtige, die Episode.
Max. Was war sie denn eigentlich?
Anatol. Was sie war –? Nun, du kanntest sie. – Wir haben sie eines Abends in einer lustigen Gesellschaft kennengelernt, du kanntest sie sogar schon von früher her, wie du mir damals sagtest.
Max. Nun, wer war sie denn? Ich kenne sehr viele von früher her. Du schilderst sie ja in deinem Ampellicht wie eine Märchengestalt.
Anatol. Ja – im Leben war sie das nicht. Weißt du, was sie war –? Ich zerstöre jetzt eigentlich den ganzen Nimbus.
Max. Sie war also –?
Anatol (lächelnd). Sie war – vom – vom –
Max. Vom Theater –?
Anatol. Nein – vom Zirkus.
Max. Ist's möglich!
Anatol. Ja – Bianca war es. Ich hab es dir bis heute nicht erzählt, daß ich sie wiedertraf – nach jenem Abend, an dem ich mich um sie gar nicht gekümmert hatte.
Max. Und du glaubst wirklich, daß dich Bibi geliebt hat –?
Anatol. Ja, gerade die! Acht oder zehn Tage nach jenem Feste begegneten wir uns auf der Straße ... Am Morgen darauf mußte sie mit der ganzen Gesellschaft nach Rußland.
Max. Es war also die höchste Zeit.
Anatol. Ich wußt' es ja; nun ist für dich das Ganze zerstört. Du bist eben noch nicht auf das wahre Geheimnis der Liebe gekommen.
Max. Und worin löst sich für dich das Rätsel der Frau?
Anatol. In der Stimmung.
Max. Ah – du brauchst das Halbdunkel, deine grün-rote Ampel ... dein Klavierspiel.
Anatol. Ja, das ist's. Und das macht mir das Leben so vielfältig und wandlungsreich, daß mir eine Farbe die ganze Welt verändert. Was wäre für dich, für tausend andere dieses Mädchen gewesen mit den funkelnden Haaren; was für euch diese Ampel, über die du spottest! Eine Zirkusreiterin und ein rot-grünes Glas mit einem Licht dahinter! Dann ist freilich der Zauber weg; dann kann man wohl leben, aber man wird nimmer was erleben. Ihr tappt hinein in irgendein Abenteuer, brutal, mit offenen Augen, aber mit verschlossenem Sinn, und es bleibt farblos für euch! Aus meiner Seele aber, ja, aus mir heraus blitzen tausend Lichter und Farben drüber hin, und ich kann empfinden, wo ihr nur – genießt!
Max. Ein wahrer Zauberborn, deine »Stimmung«. Alle, die du liebst, tauchen darin unter und bringen dir nun einen sonderbaren Duft von Abenteuern und Seltsamkeit mit, an dem du dich berauschest.
Anatol. Nimm es so, wenn du willst.
Max. Was nun aber deine Zirkusreiterin anbelangt, so wirst du mir schwerlich erklären können, daß sie unter der grün-roten Ampel dasselbe empfinden mußte wie du.
Anatol. Aber ich mußte empfinden, was sie in meinen Armen fühlte!
Max. Nun, ich habe sie ja auch gekannt, deine Bianca, und besser als du.
Anatol. Besser?
Max. Besser; weil wir einander nicht liebten. Für mich ist sie nicht die Märchengestalt; für mich ist sie eine von den tausend Gefallenen, denen die Phantasie eines Träumers neue Jungfräulichkeit borgt. Für mich ist sie nichts Besseres als hundert andere, die durch Reifen springen oder kurzgeschürzt in der letzten Quadrille stehen.
Anatol. So ... so ...
Max. Und sie war nichts anderes. Nicht ich habe etwas übersehen, was an ihr war; sondern du sahst, was nicht an ihr war. Aus dem reichen und schönen Leben deiner Seele hast du deine phantastische Jugend und Glut in ihr nichtiges Herz hineinempfunden, und was dir entgegenglänzte, war Licht von deinem Lichte.
Anatol. Nein. Auch das ist mir ja zuweilen geschehen. Aber damals nicht. Ich will sie ja nicht besser machen, als sie war. Ich war weder der erste, noch der letzte ... ich war –
Max. Nun, was warst du? ... Einer von vielen. Dasselbe war sie in deinen Armen wie in denen der anderen. Das Weib in seinem höchsten Augenblick!
Anatol. Warum hab ich dich eingeweiht? Du hast mich nicht verstanden.
Max. O nein. Du hast mich mißverstanden. Ich wollte nur sagen, du magst den süßesten Zauber empfunden haben, während es ihr dasselbe bedeutete wie viele Male zuvor. Hatte denn für sie die Welt tausend Farben?
Anatol. Du kanntest sie sehr gut?
Max. Ja; wir begegneten uns häufig in der lustigen Gesellschaft, in welche du einmal mit mir kamst.
Anatol. Das war alles?
Max. Alles. Aber wir waren gute Freunde. Sie hatte Witz; wir plauderten gern miteinander.
Anatol. Das war alles?
Max. Alles ...
Anatol. ... Und dennoch ... sie hat mich geliebt.
Max. Wollen wir nicht weiterlesen ... (Ein Päckchen in die Hand nehmend.) »Wüßt' ich doch, was dein Lächeln bedeutet, du grünäugige ...«
Anatol. ...